Evidenzbasierung

Psychotherapeutische Richtlinienverfahren

Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) hat im letzen Jahr das Kompetenz-Centrum für Psychiatrie und Psychotherapie (KCPP) beauftragt, Priorisierungsempfehlungen zu den Indikationen gemäß der Psychotherapierichtlinie zu erstellen. Da bisher keine Priorisierungsempfehlungen existieren, stützt sich das Gutachten des KCPP auf die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollen nach den §§ 135 a und 12 des SGB V Leistungen erhalten, die wissenschaftlich und qualitativ angemessen sowie zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Für psychische Störungen sind in der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Verfahren festgelegt, die zulasten der Krankenkassen eine solche psychotherapeutische Versorgung gewährleisten. Darüber hinaus regelt die Psychotherapie-Richtlinie die Indikationen für Psychotherapie und die Stundenkontingente für die Richtlinienverfahren.

Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) des Robert Koch-Instituts zeigt, dass der Anteil der Menschen, die innerhalb eines Jahres an einer psychischen Erkrankung leiden (12-Monats-Prävalenz), bei etwa 33 Prozent liegt und diese Zahl seit Jahren stabil ist. Eine angemessene Versorgung von Versicherten mit psychischen Erkrankungen ist daher bedeutsam.

Derzeit gibt es drei Richtlinienverfahren: die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die psychoanalytische Psychotherapie und die Verhaltenstherapie. In der Grafik sind die Stundenkontingente für die einzelnen Richtlinienverfahren dargestellt. Eine ausführliche evidenzbasierte Wirksamkeitsbeurteilung aller drei Richtlinienverfahren gibt es derzeit noch nicht. Allerdings existieren konkrete Handlungsempfehlungen für Leistungserbringer in den Leitlinien der AWMF, die regelmäßig aktualisiert und erweitert werden. Sie stützen sich auf die Ergebnisse qualitativ möglichst hochwertiger klinischer Studien und beziehen auch Praxiserfahrungen mit ein.

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Hierbei stellen S3-Leitlinien den höchsten Stand dar. S3-Leitlinien mit Empfehlungen für psychotherapeutische Behandlung liegen derzeit für unipolare Depression, bipolare Störungen, Essstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und somatoforme Störungen vor. Die Empfehlungen der Leitlinien, bezogen auf die drei Richtlinienverfahren, werden im Folgenden kurz dargestellt; berücksichtigt sind ausschließlich Ergebnisse mit belastbarer Evidenz.

Unipolare Depression

Mehrere Metaanalysen bestätigen die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden sowohl hinsichtlich der Symptomverbesserung als auch der Rückfallprophylaxe. Die Verhaltenstherapie zeigte sich gegenüber psychodynamischer Therapie im Hinblick auf Symptomverbesserung überlegen. Zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie existieren wenige Studien zu fokalen, zeitlich begrenzten, strukturierten Interventionen. Diese konnten die Wirksamkeit dieses Verfahrens bei leichter bis mittelschwerer Depression nachweisen.

Bipolare Störungen

Die Leitlinie empfiehlt Psychotherapie als Ergänzung zur unbedingt notwendigen Pharmakotherapie. Generell wird eine phasenübergreifende Psychotherapie gefordert, die je nach Zustand der Betroffenen eher auf aktuelle affektive und assoziierte Symptome und deren Bewältigung oder eher auf die rezidivprophylaktischen Aspekte fokussiert. Wenige empirische Belege für eine Wirksamkeit liegen für die Verhaltenstherapie bei leichten und mittelgradigen depressiven Episoden innerhalb einer bipolaren Störung vor.

Posttraumatische Belastungsstörung

Die meisten Studien existieren zur Verhaltenstherapie. Neuere Metaanalysen zeigen eine Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Interventionen. Eine Wirksamkeit (traumafokussierter) psychodynamischer Interventionen scheint wahrscheinlich, kann jedoch aufgrund der derzeitigen Datenlage noch nicht sicher beurteilt werden.

Somatoforme Störungen

Auch hier stammen die meisten randomisiert kontrollierten Studien aus der Verhaltenstherapie. Es konnte die moderate Wirksamkeit auf die Beschwerden und die Funktionsfähigkeit für Patienten mit somatoformen Störungen, multiplen nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden, chronischem Müdigkeitssyndrom, Fibromyalgiesyndrom, Reizdarm-Syndrom, nichtkardialen Brustschmerzen, somatoformem Schwindel, Golfkriegssyndrom, Elektrosensitivität, chronischen Rückenschmerzen und Temporomandibular-Syndrom gezeigt werden. Wirksamkeitsnachweise liegen auch für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Reizdarmsyndrom und multiplen somatoformen Symptomen vor.

Essstörungen

Anorexia nervosa: Einige wenige Studien existieren zu Methoden der Verhaltenstherapie, die wirksam zu sein scheint. Für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie finden sich Hinweise, dass die Persönlichkeitsentwicklung unter Therapie günstiger verläuft.

Bulimia nervosa: Die meisten belastbaren Studien existieren zu verhaltenstherapeutischen Methoden, die eine sehr gute Wirksamkeit nachweisen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass das derzeit am besten untersuchte Therapieverfahren mit den meisten Studien hoher Evidenz die Verhaltenstherapie ist. Es finden sich Wirksamkeitsnachweise für unipolare Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen und mit Einschränkungen für somatoforme und bipolare Störungen. Für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie finden sich auf hohem Evidenzniveau einzelne Studien mit Wirksamkeitsnachweisen für depressive und somatoforme Störungen sowie, mit Einschränkungen, für posttraumatische Belastungsstörung und Essstörungen. Zur psychoanalytischen Psychotherapie liegen überwiegend Fallstudien vor. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit und Qualität der psychotherapeutischen Versorgung ist demnach – zumindest für die oben genannten Störungsbilder und nach dem derzeitigen Kenntnisstand – der Verhaltenstherapie der Vorzug vor tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie zu geben. Derzeit werden die Richtlinienverfahren im Bereich der Psychotherapie Erwachsener vom G-BA auf deren therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Das KCPP arbeitet im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes in der Arbeitsgruppe mit. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen gilt es daher für eine endgültige Aussage über Priorisierungsempfehlungen abzuwarten.

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