Klinische Krebsregister

Qualität messen und verbessern

Die Geschichte der klinischen Krebsregistrierung reicht bis in die 80er Jahre zurück. Mildred Scheel, Gründerin der Deutschen Krebshilfe, forderte damals einen „zügigen Ausbau von klinischen und flächendeckenden regionalen Krebsregistern“ zur Sicherstellung der Qualität der Versorgung von Krebskranken und stellte dafür Mittel der Krebshilfe zur Verfügung. Daran schloss sich das „Modellprogramm der Bundesregierung zur besseren Versorgung von Krebspatienten“ an, das 1991 auf die neuen Bundesländer ausgeweitet wurde. In diesem Kontext entstanden klinische Krebsregister (KKR) mit dem Ziel, die Versorgung der Patienten nach den neusten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft wohnortnah sicherzustellen.

Im Rahmen des Nationalen Krebs-planes wurde die Forderung nach bundesweit flächendeckenden klinischen Krebsregistern ein weiteres Mal bekräftigt. Im Ergebnis ist ein Gesetz entstanden – das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) –, welches erstmalig den oft auf freiwilliger Basis von Land und Krankenkassen finanzierten Registern eine stabile Grundlage bietet. Das Gesetz bezweckt die Verbesserung der Qualität der onkologischen Versorgung und verpflichtet die Länder zur Einrichtung klinischer Krebsregister. Deren Aufbau wird auch durch die Deutsche Krebshilfe gefördert und so schließt sich der Kreis zum Anliegen von Mildred Scheel in den 80er Jahren. Das Gesetz definiert für die bundesweit zu etablierenden klinischen Krebsregister insgesamt acht Aufgaben, wovon zwei hier genauer beleuchtet werden sollen.

Die klinischen Krebsregister erfassen Daten, die von Ärzten aus dem ambulanten und stationären Versorgungsbereich gemeldet werden. Somit liegen Informationen zum kompletten Krankheitsverlauf der Patienten von der Diagnose über die Therapie bis hin zur Nachsorge und letztendlich zum Tod im Register vor. Medizinische Dokumentare erfassen Daten jedes einzelnen Behandlungsschrittes und prüfen diese auf Vollständigkeit und Plausibilität. Um das leisten zu können, müssen die vor Ort arbeitenden Dokumentare über solide medizinische Kenntnisse zu über 50 Tumorentitäten verfügen. Außerdem sind oft noch Recherchearbeiten in anderen Systemen, zum Beispiel Klinikinformationssystemen, Pathologiesystemen usw. erforderlich, um qualitativ hochwertige Daten plausibel und vollständig zu dokumentieren, sofern die gemeldeten Daten Lücken aufweisen. Die vorliegenden  Daten können für unterschiedliche Zwecke genutzt werden.

Herzstück des Gesetzes ist die Aufgabe Zwei (§ 65c Abs. 1 Nr.2 SGB V), die eine Auswertung der erfassten klinischen Daten und die sich anschließende Rückmeldung der Behandlungsergebnisse an die Leistungserbringer vorsieht. Rückmeldung bedeutet, dass Ärzte, meistens im Rahmen von interdisziplinären Arbeitsgruppen, mit dem Ergebnis ihrer Arbeit konfrontiert und so für ihre Ergebnisse sensibilisiert werden.

In der Praxis sieht das so aus, dass mittels der Daten die Umsetzung von Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaft landesweit, aber auch im Klinikvergleich überprüft wird. Eine gynäkologische Klinik kann beispielsweise im Vergleich mit anderen Kliniken sehen, wie hoch der Anteil der Patientinnen ist, die nach brusterhaltender Operation bestrahlt wurden, und ob das in der Leitlinie festgeschriebene Qualitätsziel von ≥ 95 Prozent erreicht wird. Im zeitlichen Verlauf kann anhand der Daten gezeigt werden, wie Leitlinien mehr und mehr in der täglichen Versorgung von Tumorpatienten umgesetzt werden, aber auch Behandlungskonzepte können datenbasiert kritisch hinterfragt werden. Das ist beispielsweise bei der beim Mammakarzinom erfolgenden Lymphknotenentfernung in der Axilla geschehen. Die Entfernung eines einzigen Lymphknotens, des Wächter- oder Sentinellymphknotens setzt sich mehr und mehr durch. Das kann anhand von Daten klinischer Krebsregister gezeigt werden.

Überprüfung medikamentöser Therapien

Qualität wird durch klinische Krebsregister messbar gemacht und kann auf dieser Basis optimiert werden, was letztendlich den Patienten zugutekommt. Langfristig kann sogar der Erfolg preisintensiver onkologischer medikamentöser Therapien anhand von Daten zur Ergebnisqualität (Überleben) überprüft werden, die nicht auf ein selektiertes Kollektiv wie in Studien zurückgreifen, sondern den Versorgungsalltag abbilden und unabhängig von der Pharmaindustrie durchgeführt werden können.

In der Versorgung von Tumorpatienten werden regelmäßig interdisziplinäre Fallbesprechungen unter Beteiligung aller Fachdisziplinen durchgeführt. Hierbei spielen die klinischen Krebsregister eine wichtige Rolle, da sie zum einen diese Konferenzen organisieren und auch Fälle aus anderen Krankenhäusern und Praxen einbringen. Zum anderen stellen sie im Register bereits erfasste Daten aus dem stationären und ambulanten Versorgungsbereich im Sinne einer Synopse des Krankheitsverlaufes zur Verfügung und ermöglichen damit den beteiligten Ärzten einen Überblick über das bisherige Krankheitsgeschehen. Durch die Dokumentation der in der Fallbesprechung erarbeiteten Empfehlung durch Registerpersonal erfolgt eine Komplettierung der Daten im Register, ein wechselseitiges Geben und Nehmen im Interesse der Patienten. Dieses Vorgehen entspricht der Aufgabe Vier des KFRG (§ 65c Abs. 1 Nr.4 SGB V) und ist in einigen klinischen Krebsregistern seit Jahren gängige Praxis. Die bundesweite Einführung klinischer Krebsregister verspricht eine solide Datenbasis, die vor allem den von Krebs betroffenen Menschen zugutekommen wird.

 

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