Stellungnahme zum Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG)

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung
Operationssaal Herzchirurgie

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung adressiert eine umfangreiche Bandbreite an Regelungsinhalten. Insgesamt sind in 16 Artikeln 120 Rechtsänderungen in unterschiedlichsten Gesetzen geplant, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf das SGB V.

Entwurf greift vdek-Forderungen auf

An vielen Stellen greift der Gesetzentwurf Forderungen auf, die vonseiten der Ersatzkassen seit langer Zeit erhoben wurden. Etwa beim Ist-Kosten-Ausgleich des Kinderkrankengeldes im Risikostrukturausgleich (RSA) und der RSA-Zuweisung für Auslandsversicherte. Die Ist-Kosten für das Kinderkrankengeld werden im RSA ab 2023 vollständig ausgeglichen. Für die RSA-Zuweisungen für Auslandsversicherten sollen ab 2023 die landesspezifischen Kosten ermittelt werden. Zudem wird der Wissenschaftliche Beirat zur Weiterentwicklung des RSA beim BAS beauftragt, neue Zuweisungsverfahren beim regulären Krankengeld zu entwickeln. Diese Regelungen werden von der Ersatzkassen ausdrücklich begrüßt. Sie bilden einen konsequenten Abschluss der Reformen und Fortentwicklungen des RSA, so wie sie vom wissenschaftlichen Beirat empfohlen und von den Ersatzkassen gefordert wurden. Dennoch wäre grundsätzlich eine Einführung der Neuregelung für die Zuweisungen für Auslandsversicherte und Krankengeld auch bereits ab dem Ausgleichsjahr 2022 umsetzbar. Die technischen Voraussetzungen hierfür sind gegeben bzw. wären herstellbar. Der vdek wird dazu einen Regelungsvorschlag unterbreiten.

Qualität im Fokus

Ein weiterer großer, insgesamt begrüßenswerter, Aspekt des Referentenentwurfes ist der starke Fokus auf das Thema Qualität in der stationären Versorgung. Es soll die Festlegung weiterer Mindestmengen für die stationäre Versorgung gefördert werden. Zudem werden bestehende Ausnahmeregelungen abgeschafft. Das begrüßt der vdek außerordentlich, schlägt jedoch kleinere redaktionelle Änderungen und Klarstellungen vor. Für Qualitätsverträge zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern soll ein fixes Ausgabenvolumen i.H.v. 30 Cent pro Versicherten ab 2022 (inklusive einer Dynamisierungsklausel) bis einschließlich 2028 vorgesehen werden. Die Intention des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), Qualitätsverträgen mehr Bedeutung zu verleihen, kann nachvollzogen werden. Aus der Erfahrung des vdek fehlt es in der Praxis jedoch oft an Ideen der Krankenhäuser für gute Konzepte, wie die Qualität verbessert werden kann. Oftmals beschränken sich die Vorschläge auf Zuschläge für Dinge, die bereits regelhaft durch die Kassen finanziert werden. Darüber hinaus war oft der befürchtete Zusatzaufwand für die Administration von Verträgen ein Hinderungsgrund. Die nun angedachten Änderungen bedeuten für Krankenkassen einen faktischen Kontrahierungszwang. Dieser birgt den Fehlanreiz, dass Verträge nur der Verträge willen und nicht ihres Inhalts willen geschlossen werden. Aus diesem Grund fordert der vdek die Streichung der Regelung.

Bis 2024 soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) daneben vier weitere Leistungsbereiche bestimmen, zu denen Qualitätsverträge erprobt werden sollen. Der G-BA soll ferner den Nutzen der Qualitätsverträge überprüfen und evaluieren, ob diese weiterhin als Instrument der Qualitätsentwicklung geeignet sind. Die Qualitätszu- und –abschläge hingegen werden abgeschafft Die Streichung wird begrüßt, da alle Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Qualitätszu- und Abschläge abgelehnt haben. 

Erneut Eingriffe in die Gemeinsame Selbstverwaltung

Der G-BA soll darüber hinaus innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes Anforderungen an ein Disease Management Programme (DMP) Adipositas erarbeiten. Diese Regelung wird vom vdek abgelehnt. Der gesetzliche Auftrag zur Entwicklung eines DMP Adipositas ist ein Eingriff in die gesetzliche normierte Regelungskompetenz des G-BA und damit in ein funktionierendes System der Selbstverwaltung. Darüber entfällt mit der einseitigen Festlegung des Gesetzgebers die dem G-BA vorbehaltene inhaltliche Prüfung, ob Adipositas überhaupt eine geeignete Indikation für ein strukturiertes Behandlungsprogramm darstellt. Nur der G-BA kann dies aber seriös prüfen und bewerten und berücksichtigt zudem auch Aspekte der Realisierbarkeit und Umsetzbarkeit von strukturierten Behandlungsprogrammen. Denn nur dann, wenn diese auch sinnvoll angeboten werden können, besteht die Möglichkeit einer gewünschten Versorgungsverbesserung. Ein DMP Adipositas ohne inhaltliche Prüfung als Weg für eine Verbesserung der Versorgung vorzugeben ist nicht zielführend.

Vorschlag zur MGV-Bereinigung verbesserungswürdig

Der Entwurf sieht vor, dass ab dem vierten Quartal 2021 ein Korrekturverfahren zur Bereinigung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung etabliert wird. Im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) waren neue extrabudgetär zu vergütende Leistungen im vertragsärztlichen Bereich eingeführt worden. Diese wurden, u.a. pandemiebedingt, seltener als erwartet dokumentiert. Damit es in den Folgejahren zu keiner Doppelvergütung kommt, müssen aber angemessene Volumina aus der MGV bereinigt werden. Durch das neue Korrekturverfahren soll die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) laut Entwurf insgesamt eine Milliarde Euro einsparen.

Es ist positiv zu bewerten, dass der Gesetzgeber die Problematik der TSVG-Unterbereinigung, auf die die Ersatzkassen bereits seit längerem hingewiesen haben, aufnimmt. Die bloße Festlegung eines Korrekturverfahrens ist jedoch nicht ausreichend, da z.B. erwartbare Leistungsmengen nur schwer abgeschätzt werden können und damit die Vereinbarung eines sachgerechten Korrekturbetrages nicht realistisch erscheint. Aus Sicht der Ersatzkassen sollte stattdessen der Bereinigungszeitraum so verlängert werden, dass u.a. die pandemiebedingten Sondereffekte nachweislich ausgeschlossen und alle TSVG-Leistungen auf KV-Ebene gekennzeichnet werden. Der vdek unterbreitet dazu einen detaillierten Änderungsvorschlag, um das Verfahren zu präzisieren.

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