Einwurf

Morbi-RSA: Politik mit Augenmaß?

Einem Laien den komplizierten Mechanismus des Finanzausgleiches der Krankenkassen und seine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen zu erklären, ist höchst diffizil. Und noch schwieriger ist es, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) doch eigentlich gut sind, wenn es Überschüsse gibt und der Gesundheitsfonds wie auch die Krankenkassen Reserven bilden können.

Und doch: Wir brauchen eine Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA), weil dieser zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen in der GKV führt. Jedoch gestaltet es sich äußerst schwierig, (politische) Überzeugungsarbeit zu leisten - auch wegen der immer noch nicht vollendeten Regierungsneubildung. Trotzdem ist das Thema für die betroffenen Krankenkassen und deren Versicherte von zentraler Bedeutung. Denn ein "Weiter so wie bisher" in Sachen Morbi-RSA kann es aus Sicht der Ersatzkassen, IKK und BKK nicht mehr geben. Die neusten Zahlen des RSA-Schlussausgleiches für das Jahr 2016 belegen erneut, dass sich die finanzielle Schieflage zwischen den Kassenarten immer weiter verschärft, zugunsten der AOK und zulasten aller anderen Kassenarten. Die AOK lässt sich viele Argumente einfallen, um ihre Vorteile in diesem Wettbewerb zu erhalten. So wird gebetsmühlenhaft erklärt, die Wettbewerbsvorteile seien auf ein besonders gutes Leistungsmanagement zurückzuführen. Doch das Argument zieht nicht: Denn die Verwaltungsausgaben der AOK liegen oberhalb des Durchschnitts und sind stetig gestiegen - und dies trotz deutlicher Verjüngung des Versichertenbestandes. Neuerdings verweist der AOK-Bundesverband auch auf die Überschüsse in der GKV und rät zum "Augenmaß" in der Debatte. Das Gesundheitswesen habe dringlichere Probleme, als sich mit dem Morbi-RSA zu befassen, so ist vonseiten der AOK zu hören.

Ein "Weiter so wie bisher" in Sachen Morbi-RSA kann es aus Sicht der Ersatzkassen, IKK und BKK nicht mehr geben.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

Augenmaß? Man erinnere an die Anfänge der Diskussion um die Einführung des RSA in den 80er und 90er Jahren. Da war es die AOK, die aufgrund extrem hoher Beitragssätze um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchtete und Reformen einforderte. Ziel des RSA war es, im Zeitalter der Wahlfreiheit für alle Versicherten, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Genau dies schafft der Morbi-RSA heute nicht mehr - egal, ob die GKV insgesamt Überschüsse erwirtschaftet oder nicht. Denn an der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Krankenkassen ändern diese Überschüsse nichts. Wer also jetzt das Thema negiert und zum Nichthandeln auffordert, toleriert, dass die Zusatzbeitragssätze weiter auseinanderdriften, leistet einer Marktkonzentration der AOK Vorschub, gefährdet die Kassenvielfalt und beschränkt damit die Wahlmöglichkeiten der Versicherten. Eine Politik mit Augenmaß hat auch diese Fehlentwicklungen im Blick und handelt.

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