10-Punkte-Programm

Sozialwahlrecht reformieren

Die Sozialwahlen 2017 waren ein Erfolg, aber sie haben auch gezeigt, dass die Sozialwahlen reformbedürftig sind. Deshalb haben mein Stellvertreter Klaus Wiesehügel und ich ein kurzes 10-Punkte-Programm zur Reform des Sozialwahlrechts entworfen.

1. Einführung von Onlinewahlen ab den Sozialwahlen 2023 „Ab den Sozialwahlen 2023 müssen auch Onlinewahlen möglich sein. Onlinewahlen sollen bei wählenden Versicherungsträgern 2023 als Alternative zur Briefwahl angeboten werden. Hierzu müssen Gesetz- und Verordnungsgeber rechtzeitig die rechtlichen Weichen stellen. Das Bundesinnenministerium sollte die Federführung übernehmen. Dabei ist zu klären, welchen Anteil der Bundeshaushalt an der Bereitstellung der geeigneten Soft- und Hardware übernehmen wird.“

Erläuterung: Seit den 90er Jahren wird über die Möglichkeit von Onlinewahlen diskutiert. Unsere Vorgänger haben sich darum bemüht – ohne Erfolg. Als Klaus Wiesehügel und ich neu ins Amt gekommen sind, haben wir uns dafür eingesetzt, zumindest ein Pilotprojekt zu starten. Leider reichte hierfür die Zeit nicht mehr. Die Politik hat nun genügend Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen für das Projekt zu schaffen. Nach der Bildung der neuen Regierung bin ich nicht sicher, ob das Innenministerium noch der richtige Ansprechpartner ist. Die Zuständigkeiten sind zurzeit etwas unübersichtlich.

2. Einführung eines rechtlich definierten Verfahrens bei der Listenaufstellung und des Nachrückens „Per Gesetz und Verordnungen müssen Mindestvorschriften für die Aufstellung von Vorschlagslisten definiert werden. Ein Mitglied des Listenträgers muss mit seiner Unterschrift an Eides statt versichern, dass die Regeln für die Listenaufstellung eingehalten worden sind. Scheiden ordentliche Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane aus, darf nur eine/ein Kandidat/in nachrücken, der/die sich auf der betreffenden Vorschlagsliste befindet.“

Erläuterung: Der Grundsatz der Transparenz erfordert die Einführung eines geregelten Verfahrens zur Listenaufstellung sowie eine nachvollziehbare Nachrückerregelung. 

3. Reduzierung der Anzahl der notwendigen Unterstützerunterschriften „Die Mindestanzahl der vorzulegenden Unterstützerunterschriften, die Voraussetzung für das Einreichen einer Vorschlagsliste ist, müssen um 50 Prozent abgesenkt werden.“

Erläuterung: Die Erfahrung – auch bei den Sozialwahlen 2017 – zeigt, dass die Hürde des bislang vorgesehenen Quorums von Unterstützerunterschriften für viele Organisationen nicht zu überwinden ist. Deshalb fordern wir eine Halbierung der Quoren.

4. Unterstützerunterschriften können auch von Mitgliedern anderer Rentenversicherungsträger   kommen „Die Unterstützerunterschriften, die bei Rentenversicherungsträgern zum Einreichen einer Vorschlagsliste berechtigen, müssen nicht mehr ausschließlich vom betreffenden Versicherungsträger kommen. Es genügt, wenn die Personen, die eine Unterstützerunterschrift leisten, bei einem der 16 Rentenversicherungsträger ein Versichertenkonto haben. Die betreffende Regelung muss auch auf die Arbeitgeberseite übertragen werden.“

Erläuterung: Die meisten Versicherten kennen ihren Rentenversicherungsträger nicht. Dies erschwert das Sammeln von Unterstützerunterschriften erheblich. Deshalb sollten die Unterstützer künftig nicht mehr verpflichtend bei dem Rentenversicherungsträger Mitglied sein, bei dem die Vorschlagsliste eingereicht wird. Das gilt aber nur für die Rentenversicherung, nicht für die Krankenkassen. 

5. Versicherungsträger in der Listenbezeichnung „Alle Vorschlagslisten – mit der Ausnahme der freien Listen – erhalten die Möglichkeit, in ihrer Listenbezeichnung den Versicherungsträger aufzunehmen. Beispiel: IG Metall in der Deutschen Rentenversicherung Bund.“

Erläuterung: Viele Listenträger sehen in der Möglichkeit von Konkurrenten, den Namen des Versicherungsträgers in die Listenbezeichnung aufzunehmen, einen großen Nachteil. Punkt 5 soll den Nachteil ausgleichen.

6. Verbot der Listenzusammenlegung nach dem Einreichen „Vorschlagslisten dürfen nach dem Einreichen beim Wahlausschuss nicht mehr zusammengelegt werden.“

Erläuterung: Können Vorschlagslisten nach dem Einreichen nicht mehr zusammengelegt werden, wird dies die Anzahl der Wahlen vergrößern. 

7. Freistellungsregelungen für ehrenamtliche Tätigkeit und Weiterbildung präzisieren „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit im Umfang von fünf Tagen im Jahr für Weiterbildung. Der Anspruch auf Freistellung für die Teilnahme an Sitzungen der Selbstverwaltungsorgane – einschließlich der Vorbesprechungen – sowie an den Sitzungen der Wahlausschüsse muss präzisiert werden.“

Erläuterung: Die ehrenamtlichen Selbstverwalter müssen sich sehr intensiv fortbilden, um effektiv mitarbeiten zu können. Die Bedingungen für die Qualifizierung und die Teilnahme an den Gremiensitzungen sollten für die ehrenamtlichen Selbstverwalter erleichtert werden.

8. Einheitliche steuerrechtliche Bewertung der Aufwandsentschädigung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sowie Nichtberücksichtigung der Aufwandsentschädigung als Hinzuverdienst bei Rentenbezug „Die Aufwandsentschädigungen der Mitglieder der Selbstverwaltungen müssen steuerrechtlich einheitlich bewertet werden. Aufwandsentschädigungen der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sollen bei Renten auch nach Ablauf der Übergangsregelung nicht als Hinzuverdienst berücksichtigt werden.“     

Erläuterung: Heute werden die Aufwandsentschädigungen für die Selbstverwalter von Finanzamt zu Finanzamt unterschiedlich bewertet. Für die ehrenamtlichen Selbstverwalter muss es eine einheitliche Regelung geben. Die gilt auch für die Nichtbewertung als Hinzuverdienst im Rentenrecht.

9. Berücksichtigung von Frauen bei der Listenaufstellung „Eingereichte Vorschlagslisten dürfen von den Wahlausschüssen nur dann zur Sozialwahl bei dem betreffenden Versicherungsträger zugelassen werden, wenn mindestens ein Drittel der Kandidatinnen und Kandidaten Frauen/Männer sind.“

Erläuterung: Hier hätte ich eigentlich lieber 50 Prozent Frauen auf den Listen, denn wir haben ein nicht hinzunehmendes Defizit bei Frauen in der Selbstverwaltung. Zwar hat unsere Kampagne für mehr Frauen in der Selbstverwaltung zu einem Anwachsen des Anteils von Frauen geführt. Bei den fünf wählenden Ersatzkassen wurde auf der Versichertenseite sogar ein Frauenanteil von 44,4 Prozent erreicht. Aber einen wirklichen Durchbruch konnten wir nicht verzeichnen. „Mehr Frauen in die Selbstverwaltung“ könnte gelingen, wenn künftig nur noch Vorschlagslisten zugelassen werden, die mindestens ein Drittel Frauen aufweisen. Das ist allerdings das Minimum.

10. Beauftragte für die Soziale Selbstverwaltung Die/der „Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen“ wird zur/zum „Bundesbeauftragten für die Sozialversicherungswahlen und die Soziale Selbstverwaltung“.   

Erläuterung: Ich erlebe und durchlebe die Schwächen unseres Amtes. So richtig viel Einfluss auf die Politik haben wir nicht. Nur auf gute Kontakte zu hoffen, ist zu wenig. Wir möchten, dass künftig die Beauftragten für die Selbstverwaltung zum Beispiel bei Projekten wie dem „Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“ institutionell eingebunden werden, um die Belange der Selbstverwaltung zu schützen. Die Selbstverwaltung hätte eine größere Akzeptanz. Dies ist allerdings ausdrücklich nur für unsere Nachfolgerinnen bzw. Nachfolger vorgesehen. Unsere Amtszeit läuft 2021 aus. 

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