Digitalisierung

Robotik in der Pflege

Care-O-bot überreicht Getränk an Altenheimbewohnerin

Fachkräftemangel, Aufnahmestopp in Pflegeheimen und hoher Krankenstand beim Personal – im Zuge der Diskussion um den Pflegenotstand spielt auch das Thema Roboter zunehmend eine Rolle. Sind computergesteuerte Geschöpfe die Lösung? Ein Blick in die Praxis.

Glaubt man Prof. Dr. David Matusiewicz, Direktor des Forschungsinstituts für Gesundheit & Soziales (ifgs), lautet die Frage nicht, ob die digitale Transformation des Pflegesektors kommt, sondern wann. „Angesichts des demografischen Wandels ist die Digitalisierung der Pflege, zu der auch die Robotik gehört, unumgänglich, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen“, so der Experte. Doch Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Über Pflegeroboter aus Japan wird bereits seit Jahren berichtet, Hightech in der Pflege ist auch in den USA, Australien und in Europa vor allem in Belgien weit verbreitet, berichtet Matusiewicz. Ein Grund sei, dass es in Deutschland eine größere Technik-Skepsis gebe als in vielen anderen Ländern. Allerdings: „Fragt man  die Menschen, ob sie später von einem Roboter gepflegt werden wollen, antworten 80 Prozent mit nein. Lautet die Frage, ob ein Roboter als Alternative zum Pflegeheim infrage kommt, ändern viele ihre Meinung.“ Trotzdem bleibt die Vision, von Maschinen versorgt zu werden, für viele eine Schreckensvision. In der Realität zeigt sich jedoch, dass Roboter vor allem für die Entlastung in Haushalt und Pflege entwickelt werden. Die Technik ist noch längst nicht so weit, dass Pfleger komplett ersetzt werden könnten. Auch in Deutschland wird in Sachen Robotik in der Pflege geforscht, zum Einsatz kommt sie bislang allerdings fast ausschließlich in Modellprojekten.

Ein wichtiges Feld sind die sogenannten Assistenzsysteme, die zur Unterstützung Pflegebedürftiger, aber vor allem auch der Pflegekräfte eingesetzt werden können. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat unter anderem einen intelligenten Pflegewagen entwickelt, der in zwei Altenpflegeeinrichtungen und einem Klinikum getestet wird. Der sensorgesteuerte Serviceroboter transportiert Pflegeutensilien, stellt diese auf Anfrage automatisch bereit und dokumentiert den Materialverbrauch. Er kann per Smartphone angefordert werden, fährt autonom zum Einsatzort und folgt dem Personal während der Arbeit. Das spart Zeit und nimmt den Pflegekräften Laufwege ab. So können Roboter dem Personal einen Teil ihrer körperlich oft stark belastenden Arbeit abnehmen, beispielsweise auch beim Transportieren von Bettwäsche und Handtüchern. Physische Entlastung soll auch ein teilautonomer Multifunktions-Personenlifter bieten, der ebenfalls vom Fraunhofer IPA entwickelt wird. Liftersysteme unterstützen zwar schon heute das Personal, etwa beim Anheben der Pflegebedürftigen zum Wechseln der Bettwäsche, beim Umsetzen auf einen Rollstuhl oder beim Baden, jedoch eignen sich die Geräte jeweils nur für eine Aufgabe. Der Multifunktions-Personenlifter soll in vielen Bereichen einsetzbar sein und die Menschen liegend oder sitzend transportieren. Er kommt, wie der intelligente Pflegewagen, nach elektronischer Anforderung selbstständig zum Einsatzort. „Erste Produktumsetzungen robotischer Lösungen für die Pflege werden sehr stark spezialisiert sein und sich an die Funktionen existierender Pflegehilfsmittel anlehnen“, so Dr. Birgit Graf, die am Fraunhofer IPA die Gruppe Haushalts- und Assistenzrobotik leitet.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die direkte Unterstützung von Patienten oder Heimbewohnern, die letztlich auch das Personal entlastet. So gibt es Roboter-Prototypen, die in der Lage sind, Alltagsgegenstände zu greifen und zu bedienen und sogar den Weg blockierende Türen öffnen können. Möchte ein Pflegebedürftiger beispielsweise etwas trinken, kann er es über sein Smartphone oder das Tablet des Roboters bestellen. Dieser fährt dann selbstständig in die Küche, erkennt die angeforderte Flasche, greift sie mithilfe seines Roboterarms und bringt sie dem Nutzer. Solche interaktiven Butler bieten auch für den häuslichen Bereich neue Zukunftsperspektiven. Neben der Alltagsunterstützung dient der Roboter als Notfallhelfer, über den bei einem Sturz die Kommunikation zu einer Rettungszentrale aufgebaut werden kann. In Modellprojekten sind künstliche Helfer dieser Art bereits in Privatwohnungen älterer Menschen und Pflegeeinrichtungen getestet worden. Neben der Entlastung des Personals ist das Ziel, dass Senioren möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben können, denn das wünscht sich der Großteil aller Pflegebedürftigen. Hierbei könnten auch andere Ideen helfen, die bereits in der Umsetzungsphase sind, etwa sensorgesteuerte Systeme zur Sturzerkennung und intelligente Arzneimittelspender, die an die Medikamenteneinnahme erinnern und die richtige Pille gleich bereitstellen. Auch für den stationären Bereich gibt es viele Forschungsprojekte. Hier könnte es in Zukunft Desinfektionsroboter geben, die aufwändige Putzmaßnahmen erledigen, und Pflegebetten, die mittels Sensorik die Liegeposition des Patienten anpassen. Auch intelligente Pflegepflaster, die die Gefahr des Wundliegens erkennen und automatisch das Personal benachrichtigen, sind derzeit in der Entwicklung.

Bis zum flächendeckenden Einsatz von Robotern in der Pflege werden vermutlich noch viele Jahre vergehen, denn noch ist die Technik unter anderem auch viel zu teuer. Ebenso müssen datenschutzrechtliche und Sicherheitsfragen geklärt werden, denn Hightech in den eigenen vier Wänden könnte zur Überwachung missbraucht und Roboter gehackt und in ihrer Funktion gestört werden. Zudem spielen ethische Fragen eine Rolle: Wie viel Technik in der Pflege ist dem Menschen und der Gesellschaft gegenüber vertretbar? Ist es erforderlich, Grenzen zu ziehen? Matusiewicz hat hier eine klare Meinung: „Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung und können das Rad nicht zurückdrehen.“ Trotzdem ist er überzeugt, dass wir in der Zukunft ein sinnvolles Mit einander von menschlicher Fürsorge und Unterstützung durch Roboter erreichen können und müssen. Um „entweder oder“ gehe es nicht.

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