Bericht der EU-Kommission

Potenziale und Mängel im Ländervergleich

Mit ihrem Bericht „State of Health in the EU“ unterstützt die EU-Kommission die Mitgliedstaaten bei der Weiterentwicklung ihrer Gesundheitssysteme. Alle zwei Jahre erstellt sie Länderprofile, die neutrale vergleichende Informationen liefern und damit zum Austausch beitragen sollen. Das deutsche Gesundheitssystem zeichnet sich demzufolge unter anderem durch einen umfassenden Leistungskatalog und einen guten Zugang zur Gesundheitsversorgung aus. Es gibt aber auch Optimierungsbedarf: Die Bilanz mit Blick auf die Krankenhausstrukturen und die Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgung beispielsweise fällt durchwachsen aus.

Dem Bericht zufolge verzeichnet Deutschland die höchste Zahl an Krankenhausbetten in Europa. Im Jahr 2017 hat Deutschland über 8,0 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner verfügt, nachdem die Zahl seit 2000 um rund elf Prozent gesunken war. Die Bettendichte ist innerhalb der EU am höchsten und weitaus höher als in Nachbarländern wie etwa Frankreich (6,0 pro 1.000). Dies lasse darauf schließen, dass Spielraum vorhanden sei, die Versorgung stärker in die ambulante Versorgung zu verlagern. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Bettenzahl gebe es relativ wenige Ärzte und Krankenpflegekräfte pro Bett.

Dabei ist die Anzahl an Gesundheitspersonal hierzulande vergleichsweise hoch: 2017 gab es 4,3 Ärzte sowie 12,0 Krankenpflegekräfte pro 1.000 Einwohner (Vergleich EU-Durchschnitt: 3,6 Ärzte und 8,5 Krankenpflegekräfte). Insbesondere die Zahl der Ärzte in den Krankenhäusern ist seit Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen in Krankenhäusern im Jahr 2004 deutlich gestiegen. Auch in der ambulanten Versorgung ist die Zahl der Ärzte gestiegen. Der Anteil der Allgemeinärzte allerdings ist seit 2000 gesunken. Aktuelle Reformbemühungen konzentrierten sich laut des Berichts auf die Einstellung von Allgemeinärzten in abgelegenen und ländlichen Gebieten, wo der Mangel an medizinischem Personal eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem darstelle.

Viele Arztbesuche

Grundsätzlich weist der Bericht auf einen regen Krankenhausbetrieb hierzulande hin, was insbesondere an der Zahl der Entlassungen pro 100.000 Einwohner erkennbar ist, die weit über dem EU-Durchschnitt liegt (257 gegenüber 172). Auch im ambulanten Bereich sei eine hohe Anzahl an Arztbesuchen zu verzeichnen, was sich zum Teil durch das Fehlen eines Gatekeeping-Systems (die gezielte Steuerung des Patienten durch einen Allgemeinarzt, der eine Lotsenfunktion übernimmt) und der fehlenden Verpflichtung zur Einschreibung bei einem Hausarzt erklären ließe. So sei es Patienten möglich, bei mehreren Hausärzten vorstellig zu werden und Fachärzte ohne Überweisung zu konsultieren. Zudem spielten Krankenpflegekräfte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe in der Primärversorgung noch immer eine untergeordnete Rolle.

Der integrierten Versorgung bescheinigt der Bericht nur geringe Fortschritte. Die Leistungserbringung sei stark fragmentiert und nur unzureichend koordiniert. Es bestünden Versorgungsbrüche zwischen allgemein- und fachärztlicher Versorgung und Informationen gingen oft verloren. Darüber hinaus führten unterschiedliche Organisations- und Finanzierungsvorschriften zu einer starken Trennung zwischen Krankenhäusern und ambulanter Versorgung. Die Anreize zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit seien nach wie vor schwach.

Eine gute Nachricht ist, dass die Lebenserwartung seit dem Jahr 2000 um fast drei Jahre gestiegen ist – von 78,3 auf 81,1 Jahre. Und doch: Die Verbesserung der Lebenserwartung stieg in anderen EU-Mitgliedstaaten in diesem Zeitraum stärker. So liegt die Lebenserwartung der Deutschen knapp über dem EU-Durchschnitt von 80,9 Jahren. Wie in anderen EU-Ländern besteht in Deutschland ein erhebliches Gefälle bei der Lebenserwartung: Frauen leben erwartungsgemäß über 4,5 Jahre länger als Männer (83,4 gegenüber 78,7 Jahre), wobei dieses Geschlechtergefälle geringer ist als im EU-Durchschnitt (5,2 Jahre).

Der Anstieg der Lebenserwartung resultiert laut Bericht in erster Linie aus dem Rückgang der vorzeitigen Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere durch ischämische Herzerkrankungen und Schlaganfälle. Der Rückgang der Sterblichkeit ist vor allem auf die Verringerung der größten Risikofaktoren, zum Beispiel des Rauchens, und die Verbesserung der Qualität der Gesundheitsversorgung zurückzuführen, wie etwa durch die Einführung von spezialisierten Schlaganfallstationen in Krankenhäusern. Trotz sinkender Sterblichkeitsraten machen Herz-Kreislauf-Erkrankungen jedoch noch immer 37 Prozent aller Todesfälle in Deutschland aus. Die ischämische Herzerkrankung ist nach wie vor die mit Abstand häufigste Todesursache, die für mehr als zehn Prozent der Todesfälle verantwortlich ist. Lungenkrebs ist mit 20 Prozent aller Krebstodesfälle die häufigste Todesursache durch Krebs.

Hohes Niveau, hohe Kosten

Der Bericht der EU-Kommission zeigt aber auch: Deutschland bietet einen umfassenden Leistungskatalog, ein hohes Niveau an Gesundheitsleistungen und einen guten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Entsprechend hoch sind allerdings die Kosten: 2017 gab Deutschland mit 4.300 Euro pro Person für Gesundheit rund 1.400 Euro mehr aus als der EU-Durchschnitt und ist damit Spitzenreiter unter den Mitgliedstaaten.

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