GKV-FKG

Meilenstein zu fairen Wettbewerbsbedingungen

Der Bundestag hat am 13. Februar 2020 den Gesetzentwurf für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) verabschiedet. Damit will die Bundesregierung den Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) weiterentwickeln und Organisationsstrukturen im GKV-Spitzenverband reformieren.

Seit Jahren war die Unwucht im bestehenden Morbi-RSA immer deutlicher zutage getreten. Vor allem die Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen hatten darauf aufmerksam gemacht und diesem Bündnis war es gelungen, die Verwerfungen deutlich aufzuzeigen. Eine Reform der zentralen Zuweisungssystematik war dringend erforderlich, denn aufgrund der aktuellen Ausgestaltung des Morbi-RSA werden seit Jahren die Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen massiv benachteiligt. Die Zuweisungen aus dem Morbi-RSA liegen unter den Ausgaben zur Versorgung der Versicherten. Das bedeutet, dass das Geld nicht dorthin fließt, wo es für die Versicherten benötigt wird. Daher ist die Zielsetzung des GKV-FKG, den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fairer und manipulationssicherer auszugestalten, überfällig, um faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen.

Das Gesamtpaket zur Weiterentwicklung des Morbi-RSA ist richtig und wichtig. Es erfolgt eine notwendige Weichenstellung für mehr Wettbewerb in der GKV und für eine Beseitigung von Verwerfungen im heutigen RSA. Das GKV-FKG setzt wichtige Akzente für eine Stabilisierung und Weiterentwicklung des Wettbewerbs in der GKV zum Nutzen von Patientinnen und Patienten.

Einführung eines Regionalfaktors

Damit werden externe Faktoren einbezogen, die die regionalen Deckungsbeitragsunterschiede statistisch erklären. So sollen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut und Marktkonzentrationsprozessen vorgebeugt werden, die sich laut Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim (damals noch) Bundesversicherungsamt (BVA) in einigen Bundesländern abzeichnen. Der Regionalfaktor bewirkt eine Verbesserung der Zielgenauigkeit der Morbi-RSA Zuweisungen. Angebotsorientierte Faktoren wie Arztdichte und Krankenhausbettenzahl werden nicht in den Ausgleich einbezogen.

Streichung der Erwerbsminderungsgruppen

Durch die Streichung der Erwerbsminderungsgruppen sowie der zugehörigen Zuschläge gibt es eine bessere Mittelverteilung über alle Erkrankte: Die Hilfsvariable des Erwerbsminderungsstatus eines Versicherten ist durch die Einführung eines Vollmodels überflüssig und wurde richtigerweise gestrichen.

Einführung einer Präventionskomponente

Die Zuweisungen für einen Versicherten über den Morbi-RSA werden auf Basis seines Gesundheitszustandes des Vorjahres bemessen und mit den durchschnittlichen Folgekosten bewertet. Damit setzt der Morbi-RSA zwar Anreize für eine effiziente Versorgung von Erkrankung, jedoch nicht ausreichend zu ihrer Vermeidung. Die im Gesetz vorgesehene Vorsorgepauschale greift dies auf und setzt somit auch über die Ausgestaltung der Morbi-RSA Anreize, in die Gesundheit der Versicherten zu investieren.

Einführung eines Risikopools

Damit können insbesondere Unterdeckungen für hochpreisige und teure Therapien und Behandlungen abgebaut werden. Die Zuweisungen über den so erweiterten Morbi-RSA werden zielgenauer, Anreize zur Risikoselektion gegen besonders teure Versicherte reduziert.

Einführung eines Krankheits-Vollmodells

Die Einführung eines Krankheits-Vollmodells ist nur mit einer Manipulationsbremse vertretbar: Zur Einführung des Vollmodells in den Morbi-RSA, in dem das Manipulationspotenzial für Diagnosebeeinflussung zur Einnahmeoptimierung noch ausgeweitet wird, wurden begleitende Maßnahmen ergriffen. Im Mittelpunkt steht die Manipulationsbremse, die bei besonders auffälligen Diagnoseanstiegen die betreffenden Morbiditätsgruppen mit ihren Zuschlägen im RSA unberücksichtigt lässt. Kodier-Optimierungen in großem Umfang sollen sich danach nicht mehr lohnen, weil hierdurch die Realisierung einer Maximierung der RSA-Zuweisungen deutlich unwahrscheinlicher wird. Auch die entsprechenden Prüfungen durch die Aufsichtsbehörden werden stringenter gefasst. Ungelöst bleibt das Problem unterschiedlicher Aufsichtspraxis von Bundes- und Länderbehörden, das im GKV-FKG zwar adressiert wird, aber aus Sicht des vdek das Problem und die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen nicht beheben wird.

Reduktion der Manipulationsanfälligkeit

Die Reduktion der Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA ist konsequent: Bereits mit früheren gesetzgeberischen Maßnahmen hat der Gesetzgeber versucht, die Möglichkeiten zur Manipulation des Morbi-RSA zu begrenzen. Im Gesetzentwurf sollten die Vorgaben zum Verbot von „Geld gegen Diagnosen“ noch klarer gefasst werden. Zwar werden diese nun doch nicht wie notwendig verschärft. Manipulationsversuche von vornherein auszuschließen - dieses Ziel kann so nicht erreicht werden. Aber eine Ausweitung der Prüfungen nach § 273 SGB V ist weiterhin vorgesehen und eine sicherlich sinnvolle Maßnahme. Krankenkassen sollen ihre Ressourcen nicht in die Optimierung von RSA-Zuweisungen, sondern in die Versorgung ihrer Versicherten investieren.

Absenkung der Mindestreserve

Die Absenkung der Mindestreserve ist angemessen: Die Mindestreserve bei Betriebsmitteln und Rücklagen der Krankenkassen und der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds werden einheitlich auf 20 Prozent einer Monatsausgabe abgesenkt. Dadurch, dass die unterjährigen Einnahmeschwankungen der GKV aus Beiträgen durch monatlich gleiche Zuweisungen an die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds ausgeglichen werden, ist eine Absenkung der Mindestreserve bei den Krankenkassen angemessen.

Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes unverändert

Aktivitäten gegen eine weitreichende Reform der Organisationsstrukturen im GKV-Spitzenverband waren ein Erfolg: In den letzten Verhandlungen wurden organisationsrechtliche Korrekturen der GKV in den Änderungsanträgen zum großen Teil umgesetzt. So wird der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes nicht verändert, es bleibt bei der bisherigen Größe von höchstens 52 Mitgliedern. Zudem wird ein Lenkungs- und Koordinierungsausschuss (LKA) eingeführt, allerdings werden seine Kompetenzen abgeschwächt. Entscheidungen des Vorstandes bedürfen nicht der Zustimmung des LKA, sondern sind im Benehmen mit dem LKA zu treffen. Der Vorstand hat die Empfehlungen des LKA zu beachten und muss im Fall einer Abweichung die Gründe hierfür gegenüber dem LKA darlegen. Darüber hinaus wird klargestellt, dass dies dann nicht gilt, wenn der Vorstand Beschlüsse umsetzt, die der Verwaltungsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit gefasst hat. Damit werden mögliche Blockaden der unterschiedlichen Gremien vermieden und die Abgrenzung der Zuständigkeiten konkretisiert.

Maßnahmen gegen Arzneimittel-Lieferengpässe

Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln richtig: Das Gesetz sieht Maßnahmen vor, um den in den letzten Monaten vermehrt auftretenden Lieferengpässen bei Arzneimitteln wirkungsvoll zu begegnen. So kann bei drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen bei bestimmten Arzneimittelgruppen von der Verpflichtung zur Kennzeichnung und Etikettierung in deutscher Sprache abgesehen werden. Wird ein Jour fixe in Form eines Beirats zu versorgungsrelevanten Lieferengpässen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verankert, werden die Transparenz- und Datenübermittlungsverpflichtungen präzisiert und schließlich die Ermächtigungsgrundlagen der Bundesoberbehörden verbessert.

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