Patienten mit Bagatellerkrankungen verstopfen die Notaufnahmen, der Rettungswagen wird bei Nichtigkeiten gerufen, jeder sieht sich als Notfall, Ärzte und Pflegepersonal arbeiten am Limit - das ist der Status quo der Notfallversorgung in Deutschland. Das Bundesgesundheitsministerium hat nun einen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt.
Nicht nur das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen von 2018, auch das vom Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) beauftragte Aqua-Gutachten zum Reformbedarf in der Notfallversorgung aus dem Jahr 2016, hat den Gesetzgeber zum Handeln bewegt. Positiv ist, dass viele Forderungen der Ersatzkassen in dem Gesetzentwurf vom Dezember 2019 aufgegriffen wurden, wenn auch teilweise abgewandelt. Im Wesentlichen baut der Entwurf auf der Zusammenlegung der Telefonnummern 112 und 116 117 zu einem gemeinsamen Notfallleitsystem und der Schaffung von integrierten Notfallzentren an Krankenhäusern auf. Darüber hinaus soll der Rettungsdienst ein eigenständiger Leistungsbereich im SGB V werden.
Gemeinsames Notfallleitsystem
Die Telefonnummern 112 und 116 117 sollen zukünftig rund um die Uhr erreichbar sein. Die Beteiligten der Notfallversorgung sollen digital miteinander vernetzt, Patientendaten in Echtzeit an den jeweils anderen übergeben werden können. Mittels einer standardisierten Ersteinschätzung soll der Patient in die für ihn richtige Versorgungsebene gelotst werden. Egal ob Rettungswagen, Krankentransport, telemedizinische oder aufsuchende notdienstliche Versorgung.
Integrierte Notfallzentren
Zentraler Bestandteil der Notfallversorgung sollen die integrierten Notfallzentren (INZ) sein, die an noch zu bestimmenden Krankenhäusern entstehen sollen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat hierzu entsprechende Richtlinien zu entwickeln. Da der Sicherstellungsauftrag bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) verbleiben soll, sollen die INZ unter der Verantwortung der KV in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern betrieben werden. In den INZ soll ebenfalls eine standardisierte Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfes erfolgen, sodass der Patient entweder in der INZ notdienstlich versorgt oder in die Notaufnahme des Krankenhauses zur stationären Versorgung weitergeleitet werden soll.
Eigenständiger Leistungsbereich im SGB V
Die Eingliederung des Rettungsdienstes als eigenständiger Leistungsbereich in das SGB V hätte zur Folge, dass die Mitwirkungsrechte der Krankenkassen bei der Entgeltfestsetzung für die Leistungen des Rettungsdienstes sowie bei der Planung der Anzahl von Luftrettungsstandorten, Rettungsleitstellen, Rettungswachen und Rettungsmitteln gestärkt werden, bedeutete aber auch eine höhere Verantwortung. Die Verträge mit den Ländern dazu sollen von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich geschlossen werden. Darüber hinaus sollen die Vergütungsverträge für Krankentransporte und Krankenfahrten zukünftig ebenfalls gemeinsam und einheitlich auf Landesebene geschlossen werden.
Im Großen und Ganzen kann der vorliegende Gesetzentwurf positiv bewertet werden. Besonders zu begrüßen ist die geplante Etablierung des gemeinsamen Notfallleitsystems zur besseren – insbesondere digitalen – Vernetzung von Rettungsleitstellen und ärztlichem Bereitschaftsdienst sowie die Einführung von INZ, um die Notaufnahmen zu entlasten.