Hospiz- und Palliativgesetz

Stärkung der individuellen Versorgung

Illustration eines älteren Mannes, der auf einer Bettkante sitzt und gemeinsam mit einer auf einem Stuhl sitzenden Frau einen beschriebenen Zettel studiert

Viele Menschen äußern den Wunsch, am Lebensende gut betreut und versorgt zu werden. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung (HPG), das am 8. Dezember 2015 in Kraft getreten ist, will die Bundesregierung entsprechend Unterstützung leisten. Wie ist der Stand nach einem Jahr, welche Regelungen wurden erfolgreich umgesetzt, wo besteht Nachbesserungsbedarf? Eine Bilanz.

Sterben, Tod und Trauer sind keine Tabuthemen mehr in der Bevölkerung wie noch vor einigen Jahren. Dabei macht unter anderem der DAK-Pflegereport 2016 deutlich: 60 Prozent der Deutschen wollen zu Hause sterben, nur vier Prozent präferieren das Krankenhaus, zwei Prozent die Pflegeeinrichtung. Das Ziel der Palliativ- und Hospizversorgung ist es, die bestmögliche Lebensqualität von Betroffenen und Zugehörigen angesichts lebensbedrohlicher, nicht mehr kurativ behandelbarer Erkrankungen herzu- stellen und ein Lebensende in Würde zu ermöglichen. So können beispielsweise Leid und Schmerzen von dem Patienten ferngehalten bzw. gemindert werden, indem diese frühzeitig durch qualifizierte Fachkräfte erkannt und von der sogenannten Symptomkontrolle begleitet werden. Palliativpflegerische Fachkräfte und in Palliativmedizin weitergebildete Ärzte können Schwerstkranke und Sterben- de in ihrer letzten Lebensphase bestmöglich, am individuellen Bedarf orientiert versorgen, pflegen und betreuen. Zudem übernehmen ambulante Hospizdienste vor allem die psychosoziale Unterstützung. Und auch zu Hause bedarf es einer den individuellen Bedürfnissen angepassten palliativen Versorgung in der letzten Lebensphase, wenn eine kurative Behandlung ausgeschlossen ist.

Ambulanter Hospizdienst

Wurden im Förderjahr 2015 bei den von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanzierten Zuschüssen an ambulante Hospizdienste (derzeit mehr als 850) nur Personalkosten berücksichtigt, so stärkt das HPG in diesem Jahr die Arbeit dieser Dienste durch weitere finanzielle Anreize. Neu ist zum Beispiel, dass neben den Personalkosten – etwa für die Koordinationskräfte für die palliativpflegerische Beratung und die Gewinnung, Schulung und Unterstützung der Ehrenamtlichen – künftig auch Sachkosten zuschussfähig sind. Die dezidierten Kriterien zur Förderfähigkeit von Personal- und Sachkosten wurden unter den Rahmenvereinbarungspartnern auf Bundesebene Anfang 2016 geeint. Damit konnte bereits in diesem Jahr die GKV unter Berücksichtigung der neuen Kriterien ein Fördervolumen von rund 55 Millionen Euro auszahlen. Ambulante Hospizdienste erhalten fortan grundsätzlich bis zu 13 Prozent der Bezugsgröße in der Sozialversicherung je Leistungseinheit für Personal- und Sachkosten (anstatt wie bisher elf Prozent in den Vorjahren). 2017 liegt die Maximalförderung je Leistungseinheit bei 386,75 Euro (2016: 377,65 Euro).

Die GKV trägt dazu bei, dass ambulante Hospize durch die neuen Förderkriterien in der Rahmenvereinbarung mehr finanziellen Spielraum erhalten, um die Sterbebegleitung bedarfsorientiert zu erbringen und eine psychosoziale Unterstützung zu leisten. Berücksichtigt wurde dabei auch, dass Krankenhäuser Hospizdienste mit Sterbebegleitungen beauftragen können. Neu ist zudem, dass der Hospizdienst bis zur Förderung nicht mehr ein Jahr bestehen muss, sodass dem Grundsatz der zeitnahen Förderung Rechnung getragen wird. Darüber hinaus würdigen die Rahmenvereinbarungspartner das Engagement in der Begleitung einer Familie mit einem sterbenden Elternteil, indem das familiäre Umfeld durch einen Kinderhospizdienst begleitet werden kann, wenn der sterbende Erwachsene selbst auf die Begleitung verzichtet.

Stationäre Hospize

Des Weiteren verbessert das HPG die finanzielle Ausstattung der 237 bestehenden stationären Erwachsenenhospize und 18 Kinderhospize (davon zwei Tageshospize in Berlin und Hamburg). Der Gesetzgeber erhöhte die untere Grenze (Mindestzuschuss) des täglichen Bedarfssatzes von sieben auf neun Prozent der Bezugsgröße in der Sozialversicherung. Die GKV trägt zukünftig die kalendertäglichen Kosten zu 95 Prozent je Hospizplatz und Tag für die Erwachsenen- und Kinderversorgung. Damit liegt in diesem Jahr der Mindestzuschuss je Hospizgast und Tag bei 261,45 Euro (vorher 255,15 Euro). 2017 liegt die Untergrenze bei 267,55 Euro. Damit allerdings zukünftig die regionalen Unter- schiede der Tagessätze und diesbezüglichen landesspezifischen Verhandlungsgrundlagen gemindert werden, verhandeln die Rahmenvereinbarungspartner bis Ende 2016 bundesweit geltende Standards. Diese sollen Leistungsinhalt und -umfang (z. B. Fläche je Gast, Personalvorhaltung, Therapieangebote) bundesweit berücksichtigen.

Im Ergebnis stehen somit vergütungsrelevante Standards in Form einer Rahmenvereinbarung zur Kinderversorgung sowie zur Versorgung von Erwachsenen zur Verfügung. Gab die GKV im Jahr 2014 noch rund 95 Millionen Euro für stationäre Hospizleistungen aus, bezuschusste sie die hospizlichen Leistungen im letzten Jahr mit rund 103 Millionen Euro. Die Ausgabenstatistik der GKV für zuschussfähige Kosten stationärer Hospize berücksichtigt allerdings nicht die Ausgaben anderer Sozialleistungsträger (z. B. der Pflegeversicherung). Grundsätzlich wird der Hospizgast nicht mehr durch einen von ihm zu leisten- den Eigenanteil belastet.

Häusliche Krankenpflege

Eine weitere Neuregelung ist, dass die häusliche Krankenpflege neben bisherigen behandlungspflegerischen Leistungen auch spezifische palliativpflegerische Leistungen umfasst. Damit soll den Bedarfen der Betroffenen Rechnung getragen werden, die ihre letzte Lebensphase in der häuslichen Umgebung verbringen wollen und noch keine aufwändige Versorgung benötigen. Derzeit sind palliativpflegerische Leistungen nur in den Angeboten der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) inkludiert und von SAPV-Teams abrechenbar. Zur Aufnahme und Konkretisierung von palliativpflegerischen Leistungen in das Leistungsverzeichnis der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP- Richtlinie) und damit in die Regelversorgung finden derzeit Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) statt, mit einer Konkretisierung ist abschließend bis zum Jahres- ende zu rechnen. Dies bedeutet, dass Leistungen der Palliativpflege dann auf der Grundlage landesindividueller Vereinbarungen im nächsten Jahr abrechenbar werden.

Grundsätzlich kann die SAPV erst vom Hausarzt verordnet werden, wenn ein komplexes Symptomgeschehen vorliegt und eine aufwändige Versorgung notwendig ist. Inzwischen gibt es bundesweit etwa 235 kassenartenübergreifende und 14 kassenartenspezifische Verträge, auf deren Grundlage spezialisierte Leistungserbringer (Palliativpflegefachkräfte und Palliativmediziner) sterbende Menschen an ihren Bedarfen orientiert individuell versorgen. 2014 gab die GKV für palliativpflegerische und palliativmedizinische Leistungen 216 Millionen Euro aus (bei rund 88.000 Abrechnungsfällen), 2015 stiegen die Ausgaben deutlich an und lagen bei 267 Millionen Euro. Aufschluss hinsichtlich der Entwicklung des Versorgungsgeschehens mit SAPV-Leistungen gibt zudem der jährlich zum Ende eines Kalenderjahres vom G-BA veröffentlichte Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit über die Umsetzung der SAPV-Richtlinie.

Ergänzende Versorgung

Neben dem im Jahr 2007 durch das GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) eingeführten neuen Leistungsanspruch auf eine SAPV soll das HPG ergänzend eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativmedizinische Versorgung möglich machen im Rahmen der Regelversorgung von Schwerstkranken und sterbenden Menschen. Durch besonders qualifizierte Ärzte und Pflegefachkräfte werden Menschen mit einer in- kurablen, weit fortgeschrittenen und lebens- limitierenden Erkrankung, die noch keinen Bedarf an SAPV-Leistungen haben, versorgt. Oberste Priorität dieser Leistungen: Linderung des Leidens und nicht Lebensverlängerung um jeden Preis. Dies bedeutet dennoch, dass für den Betroffenen noch sehr viel getan werden kann, damit es ihm in seiner verbleibenden Lebenszeit gut geht.

Für diese besondere Leistung werden aktuell die Voraussetzungen an die Leistungserbringer durch die Partner des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) verhandelt, auf deren Grundlage anschließend der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) für ärztliche Leistungen überprüft und anzupassen ist. Damit werden die Regeln zur SAPV- Versorgung ergänzt und die im EBM für ärztliche Leistungen im hausärztlichen Bereich zum 1. Oktober 2013 eingeführten neuen Gebührenziffern für palliativmedizinische Untersuchungs-, Behandlungs- und Betreuungsleistungen Betroffener in der Arztpraxis, zu Hause, im Hospiz oder in einer Pflegeeinrichtung fortentwickelt. Regionale Netzwerke können die multiprofessionelle Zusammenarbeit und die Koordination aller Beteiligten an der Versorgung fördern und unterstützen.

Individuelle Hilfestellung

Weiterhin haben Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse einen Rechtsanspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung zu Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung. Das Nähere zu Form und Inhalt beratungsrelevanter Informationen regelten die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene am 30. Juni 2016. Hierbei nahmen sie auch Bezug auf bereits zur Verfügung stehende Informationsmaterialien anderer öffentlicher Stellen (z. B. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz). Der Versicherte kann sich bei Bedarf unmittelbar an seine Krankenkasse wenden und sich vor Ort in einer der Geschäfts- stellen oder Pflegestützpunkte individuell beraten lassen, die mit den versorgungsrelevanten Strukturen vor Ort vernetzt sind.

Die Angst vor einem unwürdigen Sterben in einer Pflegeeinrichtung soll die neue Regelung in § 132g SGB V mindern. Künftig können stationäre Pflegeeinrichtungen und Eingliederungshilfen für behinderte Menschen ihren Bewohnern eine Versorgungsplanung zur individuellen und umfassenden medizinischen Betreuung in der letzten Lebensphase durch qualifizierte Gesprächsbegleiter anbieten. In einem längeren Beratungsprozess soll für eventuell eintretende Notfallsituationen der dokumentierte Wille des Bewohners festgelegt werden (z. B. individuelle Wertvorstellungen, Wünsche und Präferenzen im Versorgungsablauf). Das Nähere zu Inhalten und Anforderungen an den individuellen Beratungsprozess wird der- zeit durch die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene, dem GKV-Spitzenverband und den Trägern von Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe verhandelt. Im Ergebnis wird es eine Rahmenvereinbarung geben, die für die Einrichtungen bindend ist.

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