Schiedsentscheidungen: Konfliktlösung in der gemeinsamen Selbstverwaltung

Grafik: Frau und Mann mit Aktentasche auf dem Schiedsamt

Der Gesetzgeber hat der gemeinsamen Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen die Verantwortung für die Ausgestaltung der medizinischen Versorgung übertragen. Der Gesetzgeber setzt den gesetzlichen Rahmen, die Selbstverwaltung konkretisiert ihn. Im Konfliktfall soll das Schiedsverfahren zu einer Lösung führen.

Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen und die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen streben beide die bestmögliche Versorgung ihrer Versicherten und Patienten an. Gleichzeitig möchten die Leistungserbringer für die Versorgung der Patienten angemessen bezahlt werden. Die Kassen hingegen möchten eine hohe Qualität der Versorgung sowie eine ausreichende Versorgungsdichte und Finanzierbarkeit der Leistungen sicherstellen. Dafür treffen die Partner Vereinbarungen zur Vergütung einzelner Leistungen, zur Qualität oder zur Art und Weise der Leistungserbringung. Dabei kann es unterschiedliche Vorstellungen über Konditionen oder Sanktionen geben, wenn eine Leistung nicht vereinbarungsgemäß erbracht wird.

Einigung durch Schiedsverfahren

Die Idealvorstellung des Gesetzgebers ist, dass in den Verhandlungen eine Einigung zustande kommt. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, wurde sowohl im Krankenversicherungsrecht (SGB V) als auch im Recht der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) ein Einigungsverfahren festgelegt, welches zeitnah und unparteiisch im Konfliktfall durch ein Schiedsverfahren zu einer Lösung führen soll. Dieses wird entweder vor einem aus mehreren Personen bestehenden Gremium (Schiedsamt bzw. Schiedsstelle) durchgeführt, oder aber es wird eine einzelne Schiedsperson bestimmt, die dann eine die Parteien bindende Regelung in Form eines Schiedsspruches trifft.

Typische Streitigkeiten sind Auseinandersetzungen über Budgets und Richtgrößen, die Gesamtvergütung, die Qualitätssicherung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung, um nur einige Beispiele aus dem SGB V zu nennen. In der Pflegeversicherung führen vor allem unterschiedliche Auffassungen über die zu zahlenden Pflegesätze oder über die Anforderungen an die Qualität der Pflege zu Schiedsverfahren vor der Schiedsstelle.

Jede Vertragspartei kann nach erfolglosen Verhandlungen das Schiedsverfahren beantragen. Sollte trotz Nichteinigung kein Verfahren beantragt werden, kann die zuständige Aufsichtsbehörde hierfür eine Frist setzen und nach Ablauf der Frist ggf. selbst das Schiedsamt anrufen.

Bei den Schiedsämtern handelt es sich um Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung. Die Vertragsparteien benennen geeignete Personen, die in das Schiedsamt entsandt werden und dort ihre Tätigkeit für einen festgelegten Zeitraum – in der Regel vier Jahre – als Ehrenamt ausüben. Zudem haben die Vertragsparteien gemeinsam einen unparteiischen Vorsitzenden und in der Regel zwei weitere unparteiische Mitglieder zu bestimmen. Nach Anrufung des Schiedsamtes soll binnen drei Monaten eine Einigung über die strittigen Vertragsfragen erzielt werden. Um zu vermeiden, dass in der Zwischenzeit ein vertragsloser Zustand eintritt, gelten die bisherigen vertraglichen Regelungen bis zum Schiedsspruch fort.

Dieses Verfahren führt in den meisten Fällen zu dem gewünschten Ergebnis einer inhaltlichen Regelung. Für den Fall, dass auch das Schiedsverfahren ergebnislos verläuft, ist die Aufsichtsbehörde berechtigt, anstelle des Schiedsamtes eine vertragsersetzende Regelung zu treffen.

Gerichtliche Überprüfung

Im günstigsten Fall können die Vertragsparteien mit dem Schiedsspruch leben. Ist dies nicht der Fall oder haben sogar alle Vertragsparteien Einwände gegen den Schiedsspruch, so kann der Schiedsspruch gerichtlich überprüft werden. Schiedsspruch und eine etwaige aufsichtsrechtliche Festlegung können ohne vorheriges Widerspruchsverfahren unmittelbar mit der Anfechtungsklage angefochten werden. Zuständig ist in erster Instanz das Landessozialgericht (LSG), dessen Entscheidung dann gegebenenfalls im Revisionsverfahren durch das Bundessozialgericht (BSG) überprüft werden kann.

Um zu vermeiden, dass durch eine etwaige Klage gegen einen Schiedsspruch ein ungeregelter Zustand eintritt und um diesem zumindest bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung zur Geltung zu verhelfen, darf eine etwaige Klage dagegen keine aufschiebende Wirkung haben. Das heißt, er hat Gültigkeit bis zur rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheidung. Wird er durch das Gericht bestätigt, bleibt es dabei. Die Gerichte dürfen die Entscheidungen der Schiedsämter im Übrigen nur in einem eingeschränkten Umfang überprüfen. Nämlich, ob die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und – in inhaltlicher Hinsicht – die zwingenden rechtlichen Vorgaben berücksichtigt wurden und ob das Schiedsamt den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum eingehalten hat. Sollte das Gericht dann einen Schiedsspruch tatsächlich für fehlerhaft halten, hat das Gericht den Schiedsspruch ganz oder teilweise aufzuheben und das Schiedsamt muss eine erneute Entscheidung unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben des Gerichts treffen. Den Gerichten ist es verwehrt, anstelle der Schiedsämter selbst eigene inhaltliche Festlegungen zu treffen.

Da bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches erfahrungsgemäß einige Zeit vergeht, kann in einem Eilverfahren beantragt werden, dass die gegen den Schiedsspruch erhobene Klage aufschiebende Wirkung entfaltet. Dabei prüft das Gericht summarisch, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Richtigkeit des entsprechenden Schiedsspruches spricht. Sollte das Gericht den Schiedsspruch für offensichtlich rechtswidrig halten, wird es den Schiedsspruch bis zu einer endgültigen Entscheidung außer Kraft setzen.

Die eingeschränkte Kontrolldichte der Gerichte zeigt, dass der Gesetzgeber auf die Fähigkeit der gemeinsamen Selbstverwaltung zur Einigung vertraut. Die vergleichsweise geringe Zahl von gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung von Schiedssprüchen bestätigt, dass die gemeinsame Selbstverwaltung funktioniert.

Die geringe Zahl von gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung von Schiedssprüchen zeigt, dass die gemeinsame Selbstverwaltung funktioniert.

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