Rechtsprechung

Bedeutung des EuGH für Krankenkassen und Versicherte

„Damit gehe ich bis zum EuGH“ ist ein Satz, den man häufig hört. Bedeutung und Funktion des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Einzelnen sind aber vielfach unklar, obwohl seine Entscheidungen zumindest mittelbar den Alltag und die Rechtswirklichkeit sowohl der Versicherten als auch der Krankenkassen beeinflussen.

Der EuGH hat 1953 in Luxemburg seine Tätigkeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) die einheitliche Auslegung des Rechts der Europäischen Union (EU). Wie wird nun aber der EuGH im Einzelfall tätig?

Es gibt unterschiedliche Verfahrensarten. In einem Vertragsverletzungsverfahren kann auf Antrag der Europäischen Kommission oder eines Mitgliedstaates die Verletzung von Vertragsverstößen eines Mitgliedstaates geltend gemacht werden (Art. 258, 259 AEUV).

Für die Krankenkassen und deren Versicherte ist das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) von besonderer Bedeutung. Jedes nationale Gericht muss bei der Anwendung des nationalen staatlichen Rechts prüfen, ob dieses mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist, und kann bei Zweifeln eine Vorabentscheidung des EuGH herbeiführen.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat dies zum Beispiel im Hinblick auf irreführende Werbemaßnahmen einer Krankenkasse getan und der EuGH hat sodann im vergangenen Jahr in einer Entscheidung vom 3. Oktober 2013 – C-59/12 – tatsächlich eine Irreführung und einen Verstoß gegen die europäische Verbraucherschutzrichtlinie festgestellt. Das vorlegende Gericht muss dann anschließend bei seiner endgültigen Entscheidung den Richterspruch aus Luxemburg berücksichtigen. Die Möglichkeiten einer Krankenkasse wie auch die eines Versicherten, selbst unmittelbar den EuGH anzurufen, sind indessen sehr begrenzt. Die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sowie Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV kommen nur dann in Betracht, wenn Rechtsakte und Handlungen der Union ohne weitere Durchführungsmaßnahmen oder die Untätigkeit von Organen der Union unmittelbar zu einer Verletzung eigener Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht führen.

Wahrung von Freiheitsrechten

Das Vorabentscheidungsverfahren ist nach alledem in der Praxis die einzige Möglichkeit, den EuGH mit der Klärung von Fragen des Gemeinschaftsrechts zu befassen. Die nationalen Gerichte machen von dieser Möglichkeit in zunehmendem Maße Gebrauch und der EuGH stellt so sicher, dass Freiheitsrechte gewahrt werden.

Bereits mit Urteil vom 11. Dezember 2003 (C-322/01 – DocMorris) hat der EuGH zur Sicherung der Warenverkehrsfreiheit die grundsätzliche Zulässigkeit des Arzneimittelversandhandels festgestellt. Die Einhaltung und Umsetzung der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung, die seit 2013 für jeden EU-Bürger im Grundsatz ein Wahlrecht begründet, in welchem Mitgliedstaat eine ambulante oder stationäre Versorgung erfolgen soll, wird den EuGH künftig in vielen Detailfragen beschäftigen. Umfassende Regelungen bei uns wurden hierzu bereits 2004 in §§ 13 Abs. 4 und 5 SGB V getroffen. Der EuGH hat außerdem in jüngerer Zeit zahlreiche Entscheidungen zur Koordinierung von Sozialleistungen innerhalb der EU, etwa Krankenbehandlung, getroffen. Dadurch wird die in Art. 45 AEUV verankerte Freizügigkeit innerhalb der EU erst sichergestellt.

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