Das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) setzt einen Schlussstrich unter eine jahrelang anhaltende Debatte um die Reform der Pflegeversicherung.
Die Einführung der sozialen Pflegeversicherung vor rund 20 Jahren war ein Meilenstein der deutschen Sozialpolitik. Dem vorausgegangen waren jahrzehntelange Auseinandersetzungen. Erst mit der Abschaffung des Buß- und Bettages konnte die Pflegeversicherung – als Teilkaskoversicherung konzipiert – an den Start gehen. Die Beitragssätze waren niedrig: Mit 1,7 Prozentpunkten begann es und abgesehen von dem im Jahre 2005 eingeführten Beitragszuschlag für Kinderlose von 0,25 Prozentpunkten blieb der Beitragssatz über zwölf Jahre hinweg konstant – trotz Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen. Erst 2008 wurde er erneut um 0,25 Prozent angehoben.
Die Zeit für die Reform der Pflege war reif.
Dass die Pflegeversicherung reformbedürftig ist, daran hat parteiübergreifend niemand gezweifelt. Gefordert wurden vor allem eine Neudefinition des Pflegebegriffs, der die kognitiven oder psychischen Einschränkungen bei Pflegebedürftigkeit stärker berücksichtigt, und eine Dynamisierung der Pflegeleistungen. Doch wie sollten die damit verbundenen Milliardenausgaben finanziert werden? Solidarisch mittels Beitragssatzerhöhung oder durch private Vorsorge? Die schwarz-gelbe Bundesregierung (2008 bis 2012) konnte diesen Konflikt nicht auflösen. Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG), das 2012 in Kraft trat, war deshalb nur eine „kleine Lösung“. Es sah Leistungsverbesserungen für Demenzkranke und eine Beitragssatzerhöhung um 0,1 Prozentpunkte vor; private Vorsorge sollte durch staatliche Unterstützung gefördert werden. Der private Pflege-Bahr war geboren. Erst die Große Koalition unter CDU/CSU und SPD-Führung hat das Reformversprechen eingelöst – zugunsten einer eher solidarischen Lösung. Mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG I) wurden die Leistungsbeträge ab dem 1. Januar 2015 dynamisiert, die Leistungen verbessert sowie ein kollektiver Pflegevorsorgefonds eingerichtet, der notwendige Beitragssatzanhebungen in der Zukunft abfedern soll. Finanziert wird dies durch eine Beitragssatzerhöhung von 0,3 Prozentpunkten. Mit dem PSG II wird ab 2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt und die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegestufen ersetzt. Dafür ist eine erneute Beitragssatzerhöhung von 0,2 Prozentpunkten vorgesehen. Bemerkenswert ist, dass damit innerhalb von nur wenigen Jahren der Beitragssatz um insgesamt 0,6 Prozentpunkte erhöht wurde – und zwar paritätisch finanziert. Der Privatisierung der Pflege wurde so Einhalt geboten. Die gesellschaftliche Akzeptanz für die Reform ist groß. Das ist ein gutes Zeichen, denn es geht um den Umgang der Gesellschaft mit Menschen, die Hilfe benötigen. Die Zeit für die Reform der Pflege war reif.
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