Die Medienlandschaften und damit auch die Mediennutzung waren schon immer Veränderungen unterlegen. Dabei erfuhren die Medien in Deutschland insbesondere in den letzten 30 Jahren enorme Veränderungsschübe. Das wirkt sich auch auf die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation von Verbänden aus.
Massenmedien, abgekürzt oft nur als „Medien“ bezeichnet, spielen ebenso wie deren individuelle Akteure, die Journalisten, im Kommunikationssystem Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Wenn man nach den Aufgaben und der Rolle der Medien fragt, so ist hierzulande in der Regel die normativ begründete Aufgabenstellung von Medien inner- halb der pluralistisch-parlamentarischen Demokratie gemeint. Formulierungen für solche normativen Aufgabenstellungen finden sich in Art. 5 GG, in den Landespresse- und Rundfunkgesetzen sowie in den verschiedenen Staatsverträgen. Medien sollen u. a. über die Geschehnisse der Welt informieren, sie sollen unterhalten, aber auch Kritik an Missständen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft üben. In dem Maße, in dem sich die normativen Aufgabenstellungen für Medien auch als tatsächliche Aufgabenstellungen verfestigen, sprechen wir von den Funktionen der Massenmedien. Als grundlegendste Funktion der Massenmedien, als Basisfunktion also, ist die Informationsfunktion zu nennen, neben der die Unterhaltungsfunktion als eine zweite Kernfunktion steht. Auf der Informationsfunktion aufbauend, können verschiedene politische, soziale und ökonomische Funktionen unterschieden werden. Zu den politischen Funktionen zählen für alle Demokratien als essenziell wichtige Funktionen vor allem die Artikulationsfunktion, die politische Sozialisations- und Bildungsfunktion, dann vor allem die Funktion der Herstellung von Öffentlichkeit und die Kritik- und Kontrollfunktion. Gerade diese ist es, die für Demokratien lebenswichtig und konstitutiv ist. Wenn diese Funktion in einer Gesellschaft bedroht oder aufgrund autokratischer, totalitärer oder diktatorischer politischer Strukturen gar nicht vorhanden ist, fehlt ein gesellschaftliches Korrektiv, eine Instanz, die Missstände thematisieren, anprangern und damit auch tendenziell verbessern kann. Die Gesellschaften bekommen autoritäre, gelegentlich diktatorische Züge, sie schränken wesentliche Freiheiten, wie etwa die Informations- und Meinungsfreiheiten, ein und erstarren. Bei den sozialen Funktionen stehen die Sozialisationsfunktion, die soziale Orientierungsfunktion, die Integrationsfunktion und die Rekreationsfunktion im Mittelpunkt. Unterhaltung ist neben der Information nach wie vor für einen Großteil der Bevölkerung ein zentrales Motiv, überhaupt Medien zu nutzen, dem Fernsehen kommt dabei die wichtigste Rolle zu.
Ökonomische Funktionen sind die Zirkulationsfunktion, wobei vor allem die Informationen über Waren und Produkte, die über die Werbung und den redaktionellen Teil wichtig für die Volkswirtschaft sind, gemeint sind, die herrschaftliche, machtbezogene Funktion sowie die regenerative Funktion. Natürlich gibt es auch Dysfunktionen der Medien, also für die Gesellschaft nicht erwünschte oder negative Funktionen und Wirkungen der Medien. Dazu gehören nicht nur Desinformation, Manipulation oder „Zeitvernichtung“, sondern auch der „Eskapismus“, also die Flucht aus der Realität, oder die „Desintegration“, eine Wirkung, die negative Integration beispielsweise dadurch erzeugt, dass sie Wissensklüfte zwischen Bevölkerungsgruppen vergrößert, statt diese zu verkleinern, oder dass sie parasoziale Beziehungen im Sinne von Kontaktersatz hervorbringt.
Sicher ist es eine wesentliche Aufgabe und Funktion von Medien, zu unterhalten. Auch für Unterhaltung ist natürlich zunächst Informationstransfer notwendig. Aber hier spielen Kreativität und Originalität eine wichtigere Rolle als z. B. bei der Nachrichtenberichterstattung. Unterhaltung kann zur Erholung beitragen, was Ausprägung der Rekreationsfunktion der Massenmedien ist, aber – als Dysfunktion auch zur Erschöpfung.
Es sind aber nicht nur professionelle Journalisten in den Medien, die diese Funktionen ausüben. Auch die gesamte Kommunikation von Organisationen unterschiedlicher Art, also Unternehmen, Parteien, Verbände und Vereine, NGOS, die ja den Massenmedien mindestens zwei Drittel ihrer Inhalte, Themen und ihres gesamten Stoffes liefern, hat wichtige gesellschaftliche, ja demokratiekonstitutive Funktionen: Ohne diese Informationszulieferung müssten die Zeitungen weitgehend weiß bleiben und die Hörfunk- und Fernsehnachrichten würden Stille und Schwarzbilder produzieren. Die Medien könnten ohne Öffentlichkeitsarbeit nicht existieren. Erwähnenswert ist aber auch noch die Rolle von Laien, also die Beteiligung von Bürgern an demokratischen Öffentlichkeiten. Dies ist wichtiger geworden, gerade auch durch die Entwicklung der Medien im Online-Bereich, vor allem durch die sozialen Medien.
Veränderte Medienlandschaften, Mediennutzung und Medienproduktion
Medienlandschaften und Mediennutzung haben sich immer schon verändert, Ursachen waren politische, wirtschaftliche, technische und allgemein gesellschaftliche Veränderungen. Häufig wurden diese Veränderungen und das Aufkommen „neu- er Medien“ auch „schon immer“ kritisiert: Schon Platon hatte Kritik an der Schrift geübt, weil sie die Vergesslichkeit des Menschen fördere, die auf- kommende Fotografie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts (gegenüber der Malerei) kritisiert, weil sie nur ein technischer Prozess sei, beim Film wurde vor allem der Verbreitungskanal Kino kritisiert, weil Kinos der Moral der Bevölkerung abträglich seien. Jedes „neue Medium“, jeder neue Verbreitungskanal (Schrift, Buch, Tageszeitungen, Fotografie, Film, Fernsehen, Online-Medien, Mobiltelefon, Social Media etc.) wurde zunächst auch kritisch gesehen, bevor sich zwar nicht alle, aber doch viele dieser Medien durchsetzen konnten, weil viele Menschen auch positive Erfahrungen mit diesen Medien machen konnten, die negativen Aspekte sich als beherrschbar heraus- stellten oder der Staat Gesetze und Regeln verordnete, die die Akzeptanz in breiteren Gesellschafts- schichten herstellen konnte.
Die Medienlandschaft in Deutschland war bis Ende der 1970er Jahre relativ stabil und gekennzeichnet von privatwirtschaftlich organisierten Printmedien (Tageszeitungen, Wochenblätter, Fachzeitschriften etc.), daneben von dem Buchmarkt und dem Filmsektor mit Kino und Video als Abspielkanälen. Das duale Rundfunksystem, d. h. das Nebeneinander von öffentlich- rechtlichen und privaten Fernseh- und Hörfunk- Anbietern entstand in den 1980er Jahren durch technische Entwicklungen (Auflösung der Frequenzknappheit) und höchst- richterliche Entscheidungen, die auch privaten Hörfunk und Fernsehen möglich machten. Die ARD mit ihrer föderalen Struktur und einer Vielzahl von Fern- seh- und Hörfunkprogrammen, das ZDF und vor allem eine Vielzahl von privaten Fernsehprogrammen, aber auch lokalen und regionalen Hörfunkprogrammen haben sich in ein komplexes System von Vollprogrammen, Sparten, Fensterprogrammen, aber auch Lokal- und Regionalprogrammen ausdifferenziert.
Soziale Veränderungen durch Digitalisierung
Diese Medienstruktur in Deutschland, die sich seit den 1980er Jahren herausgebildet hatte, hat seit Mitte der 90er Jahre einen erneuten Veränderungsschub durch die Digitalisierung im Prinzip aller Medienangebote erhalten. Die Digitalisierung hat weltweit, so auch in Deutschland, immense soziale Veränderungen bewirkt und bewirkt solche noch immer. Die Mediatisierung der Gesellschaft und aller gesellschaftlicher Teilbereiche, d. h. immer stärkere Prägung sozialer Prozesse durch mediale Regeln, schreitet fort, Individualisierung und Fragmentierung der Gesellschaft entwickeln sich, das Tempo der Veränderungen ist gerade seit Aufkommen von Social Media atemberaubend. Durch die sozialen Medien wird die öffentliche Kommunikation der Social Media-Öffentlichkeit erstens schneller, zweitens direkter und persönlicher und drittens meinungsstärker, häufig auch emotionaler. Die Kehrseite von „meinungsstärker“ ist jedoch auch „gefühlsabhängiger“. Dies wird in der politischen Kommunikation – man denke an den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 –, aber auch der Wirtschaftskommunikation, im Sport, selbst in der lokalen Kommunikation deutlich. Dieser Veränderungsprozess macht sich auch einer sich stark verändernden Mediennutzung der Gesamtbevölkerung und vor allem bestimmter Nutzergruppen, zum Bei- spiel der jüngeren Altersgruppen, fest.
Wie sieht die heutige Mediennutzung der Bevölkerung und die bestimmter Gruppen, vor allem der jüngeren Altersgruppen (Beispiel: die 14- bis 29-Jährigen) aus? Das Alter ist deutlich stärker prägend als die Geschlechts-, Bildungs- oder Einkommensdifferenzierung. Man kann davon ausgehen, dass die Verhaltensmuster dieser Gruppe sich in den nächsten Jahren fortsetzen und verbreitern und damit auch die Mediennutzungsmuster der Gesamtbevölkerung immer stärker beeinflussen wird.
Was die Nutzung klassischer Medien anlangt, so schauen „die Deutschen“ im Jahr 2016 im Durchschnitt nach wie vor drei Stunden und 40 Minuten fern, sie hören über drei Stunden Radio und sie nutzen fast zwei Stunden (111 Minuten) das Internet. Insgesamt hat sich durch die Internetnutzung die Nutzungsstruktur innerhalb der letzten 15 Jahre erheblich geändert: Haben im Jahr 2003 ein Drittel der Bevölkerung das Internet zumindest selten genutzt, und 15 Prozent täglich, so sind im Jahr 2016 die Werte 58 Prozent (zumindest selten) und 45 Prozent tägliche Internetnutzung. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist die Nutzungsdauer im Jahr 2016 bei den Frauen 104 Minuten, bei den Männern 128 Minuten. Das Smartphone ist da- bei das Gerät, mit dem das Internet von 50 Prozent genutzt wird, ein Drittel der Gesamtbevölkerung nutzt das Internet unterwegs.
Wenn man sich aber die jüngere Gruppe der 14- bis 29-Jährigen ansieht, dann ist diese Gruppe heute schon über vier Stunden täglich (245 Minuten) online und da- mit doppelt so lange wie der Durchschnitt, sie hat Fernsehen 2014 aber nur noch gut zwei Stunden (128 Minuten) täglich genutzt. Von denjenigen, die das Internet mindestens einmal wöchentlich nutzen, suchen in diesem Jahr 77 Prozent Informationen, 81 Prozent senden oder empfangen E-Mails. Bei den 14- bis 29-Jährigen suchen 83 Prozent Informationen, 80 Prozent senden und empfangen E-Mails. Die Film- und Videonutzung im Internet liegt in der Bevölkerung bei denjenigen, die das Internet mindestens wöchentlich einmal nutzen, bei 67 Prozent, bei den 14- bis 29-Jährigen bei 95 Prozent. Onliner nutzen zu 48 Prozent aktuelle Nach- richten online, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 56 Prozent. 83 Prozent derjenigen, die regelmäßig online sind, nutzen Google, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 96 Prozent; Wikipedia wird insgesamt von 42 Prozent genutzt, bei der jüngeren Gruppe sind es 58 Prozent. 50 Prozent aller Facebook-Nutzer waren letztes Jahr 14 bis 29 Jahre alt, Whats- App wurde 2015 stärker als Facebook genutzt, beiden 14- bis 29-Jährigen hat dieser Dienst eine Reichweite von 80 Prozent. Leicht zugenommen hat die Nutzung von Foto-Communities wie Instagram, das aber insgesamt nur von 15 Prozent mindestens ein- mal wöchentlich, von der jüngeren Altersgruppe zu 35 Prozent genutzt wird. 18 Prozent der deutschen Internetnutzer informieren sich gelegentlich über das aktuelle Geschehen in sozialen Netzwerken, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es schon ein Drittel (32 Prozent). Dieser Befund zeigt, dass auch die traditionelle Nachrichtenrezeption über Zeitungen und Fernsehnachrichten auf den Kopf gestellt wird, sie wandert zu wichtigen Teilen in die sozialen Medien ab.
Konsequenzen für die Verbändekommunikation
Verbände spielen in pluralistisch verfassten, parlamentarischen Demokratien eine wichtige und wesentliche Rolle, fungieren sie doch als Vertretung wichtiger, gesellschaftlicher Interessen. Parlamentarische und verbandliche Interessenvertretung ergänzen sich und sind miteinander verwoben, dies wird heute nicht nur von der Politik selbst, sondern auch von Politikwissenschaft und Demokratietheorie durchgängig anerkannt. Dies im Gegensatz zu den 60er und auch noch 70er Jahren. Zeiten, in denen die Begriffe vom „Verbändestaat“, von der „Allmacht der organisierten Interessen“, häufig verbunden mit einer Verteufelung einer wichtigen Form von Verbändekommunikation, nämlich dem Lobbying, gang und gäbe waren. Die wichtigsten Funktionen von Verbänden, von der Interessenaggregation über die Interessenselektion und Interessenartikulation bis zu den übergreifenden Funktionen Integration, Partizipation, Selbstregulierung und vor allem der über- greifenden Funktion Legitimierung sind mit interner und externer Kommunikation von Verbänden verbunden. Wenn dies so ist, dann lässt sich nach den Auswirkungen der Veränderungen im gesellschaftlichen Mediensystem, insbesondere auch der sozialen Netzwerke und Medien, auf die Kommunikation von Verbänden fragen. Natürlich müssen Verbände – ob sie wollen oder nicht – wie jede Organisation intern und extern auf unterschiedliche Art und Weise in unterschiedlichen Kanälen kommunizieren.
Verbände als Vereinigungen, die vor dem Hintergrund gemeinsamer Interessen der Mitglieder bestimmte, nach innen und außen gerichtete Ziele verfolgen, können dies nur tun, wenn sie mit unter- schiedlichen Akteuren kommunizieren. Ein Teil der Verbändekommunikation ist öffentlich, vor allem dann, wenn externe Ziele verfolgt werden, ein an- derer Teil ist nicht-öffentlich, bleibt verbandsintern. Heute kommunizieren Verbände einerseits traditionell, über traditionelle Pressearbeit, die allerdings mittlerweile auch vornehmlich online statt- findet, häufig mittels massenmedial verbreiteter oder verstärkter Kampagnenkommunikation. Verbände kommunizieren über eigene PR-Medien, wie etwa Mitarbeitermagazinen oder Zeitschriften für die Öffentlichkeit, und sie kommunizieren über Social Media wie Facebook, Twitter oder YouTube. Die Konsequenzen der Veränderungen in der Mediennutzung der Bevölkerung für die Produktion von kommunikativen Botschaften von Organisationen, so auch Verbänden, sind klar: Sie haben ihre gesamtes Kommunikationsmanagement umstellen müssen. Sie müssen schneller, differenzierter und vielfältiger kommunizieren, das Einbeziehen von Bewegtbildkommunikation (z. B. auf Facebook) wird deutlich wichtiger und die Interaktivität und die Dialogorientierung, aber andererseits auch die Zielgenauigkeit in der Social Media-Kommunikation haben sich verstärkt und verstärken sich weiter. Dies hat insgesamt zu einer Aufrüstung der Kommunikation bei Organisationen, auch bei Verbänden, geführt.
Idealtypisch ist die Kommunikation von Verbänden heute strategisch fundiert, organisatorisch direkt bei der Organisationsspitze angesiedelt, formal, inhaltlich und zeitlich integriert (Integrierte Kommunikation), sie kombiniert Einweg- und Dialogkommunikation und ist prinzipiell dialogisch ausgerichtet im Sinne von kommunikationsoffen. Sie kommuniziert crossmedial, kombiniert traditionelle Printmedien mit allen Formen der Online- Kommunikation, Bewegtbild mit Social Media-Kanälen. Sie muss schneller als früher reagieren und agieren, um die Verbände als Stimme in der „Öffentlichkeit 2.0“ weiterhin zu repräsentieren, ihnen Gehör zu verschaffen und die für sie relevanten Themen unterzubringen.