Patientenrechtegesetz

Noch Potenzial in der Umsetzung

Das Patientenrechtegesetz ist Anfang 2013 in Kraft getreten. Es sollte die bestehenden Einzelvorschriften zusammenführen und Lücken schließen, um den Patientenschutz transparenter und durchsetzungsfähiger zu machen. Etwa zweieinhalb Jahre später beauftragte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, das IGES Institut, die Wirkungen von Teilen des Gesetzes zu untersuchen und zu bewerten. Die Evaluation zeigt, dass die Verbesserungen noch nicht ausreichen.

Der Fokus der Studie lag einerseits auf den Regelungen zur Information und Aufklärung des Patienten sowie zur Einwilligung des  Patienten in medizinische Maßnahmen (§§ 630c, d, e, g BGB) und andererseits auf der Verpflichtung von Krankenkassen, bei der Bearbeitung von Leistungsanträgen der Versicherten bestimmte Fristen einzuhalten (§ 13 Abs. 3a SGB V) sowie ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen (§ 66 SGB V). Hierzu wurden Versicherte, Patienten, aber auch Verbände und Rechts- experten befragt. Ferner flossen Auswertungen von Literatur und Rechtsprechung ein.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die Festschreibung der Rechte von Patienten und Versicherten gegenüber Leistungserbringern (Ärzten) und Krankenkassen weit überwiegend als wichtig und richtig angesehen wird; sowohl von den Patienten und Versicherten selbst als auch von den befragten Verbänden.

Die Patienten sind mehrheitlich über ihre Rechte informiert: Nahezu alle (96 Prozent der Befragten) wissen etwa, dass ihr Arzt sie vor einer medizinischen Maßnahme aufklären muss. Deutlich wurde zudem, dass die große Mehrzahl zufrieden damit war, wie Ärzte sie vor einer Operation aufgeklärt haben. Etwas weniger zufrieden waren sie mit Informationen über ambulante Maßnahmen. Seltener sind Versicherten und Patienten hingegen ihre Rechte gegenüber den Krankenkassen bekannt, etwa beim Bearbeiten von Leistungsanträgen und beim Thema Behandlungsfehler.

Umsetzung des Patientenrechtegesetzes

Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V müssen die Krankenkassen innerhalb bestimmter Fristen nach Eingang über einen Antrag auf Leistungen entscheiden. Gelingt dies nicht, müssen sie dies dem Leistungsberechtigten rechtzeitig schriftlich mitteilen und begründen. Ansonsten gilt die Leistung als genehmigt und  die Krankenkasse muss die Kosten einer Leistung erstatten.  

Seit 2014 müssen die Kassen dem Bundesministerium für Gesundheit über die Umsetzung dieser Regelung zur Kostenerstattung berichten. Folgt man diesen Daten, so spielt die Regelung in der Praxis kaum eine Rolle. Allerdings fehlen für eine abschließende Beurteilung wesentliche Angaben, etwa zur Anzahl der insgesamt gestellten Leistungsanträge. Zudem schwanken die Daten im Jahresvergleich und unter den Kassenarten derart, sodass an der Datenqualität zu zweifeln ist.

Auch die befragten Verbände beurteilen die Effekte der Kostenerstattungsregelungen eher neutral bis negativ. Sowohl die Krankenkassenverbände als auch die Patienten- und Wohlfahrtsverbände meinen mehrheitlich, dass die Regelungen neue rechtliche Probleme geschaffen hätten: etwa Unklarheiten beim Geltungsbereich des Erstattungsanspruchs, beim Fristbeginn oder den „hinreichenden Gründen“, die eine Fristüberschreitung rechtfertigen. Ein Urteil des Bundessozialgerichts (Urteil vom 8.3.2016,  B 1 KR 25/25 R, juris, Rn. 25) hat inzwischen etwas Klärung gebracht.

Auch ohne Patientenrechtegesetz konnten die Krankenkassen bisher ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen infolge von Behandlungsfehlern unterstützen. Ihnen kam dabei sowohl ein Entschließungsermessen (ob überhaupt eine Unterstützung erfolgen soll) als auch ein Auswahlermessen (Art und Umfang der Unterstützung) zu. Im Gesetzgebungsverfahren zum Patientenrechtegesetz wurde teilweise kritisiert, dass diese Unterstützung zu selten und in unterschiedlicher Qualität erfolge. Daher wurde mit dem Patientenrechtegesetz das Entschließungsermessen der Kassen reduziert, indem sie nun ihre Versicherten grundsätzlich immer unterstützen sollen. Worin diese Unterstützung liegen soll, legt das neue Gesetz selbst nicht weiter fest. Entsprechend sprechen einige Verbände der Neuregelung im Patientenrechtegesetz eine geringe Bedeutung zu. Zudem fehlen bisher aussagekräftige Statistiken, etwa zur Häufigkeit der Unterstützung. Insgesamt liefern die Ergebnisse der Evaluation aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Häufigkeit und die Art der Unterstützung der Krankenkassen bei Behandlungsfehlern durch das neue Gesetz deutlich verändert haben.

Umsetzungsprobleme scheint es zudem weiterhin beim Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte zu geben, obwohl der Gesetzgeber diesbezügliche Defizite explizit adressiert hatte. Darauf weisen sowohl Studien als auch die Stellungnahmen von Patienten- und Wohlfahrtsverbänden hin. Das Patientenrechtegesetz wird überwiegend als wichtiger Schritt zur Kodifizierung der Patientenrechte angesehen und hat sich in seinen Grundzügen bewährt. Seine praktischen Auswirkungen scheinen allerdings eher gering zu sein. Dies liegt einerseits  daran, dass mit dem Gesetz in weiten Teilen  nur die bestehende Rechtslage festgeschrieben, aber nicht weiterentwickelt wurde. Andererseits sind einige Vorschriften den Versicherten noch zu wenig bekannt. Mehr Aufklärungsarbeit der Krankenkassen könnte helfen. Bezüglich der Kostenerstattung bei  Fristüberschreitung sollte zunächst die Berichtspflicht der Krankenkassen erweitert und die Qualität der gelieferten Daten über- prüft werden. Für die Unterstützung von Versicherten bei Behandlungsfehlern könnte es zunächst sinnvoll sein, die Aktivitäten der Kassen transparenter herauszustellen und auf Verbandsebene (GKV-Spitzenverband) Rahmenempfehlungen für ein gleichmäßigeres Engagement der einzelnen Krankenkassen zu entwickeln. Aber auch eine Weiterentwicklung des Gesetzes in Teilbereichen sollte geprüft werden.

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