Pflegebedürftigkeitsbegriff

Umstellung auf Pflegegrade läuft auf Hochtouren

Mit Beginn 2017 wird endlich der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff kommen. Die Erwartungen und Aufgaben, die verbunden sind mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, sind bei allen Beteiligten hoch: bei den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, den Pflegekassen, den Pflegeeinrichtungen und den Pflegekräften sowie bei der Politik. Bei den Pflegekassen sind aufgrund der leistungs- und vertragsrechtlichen Neuausrichtung der sozialen Pflegeversicherung umfangreiche Vorarbeiten durchzuführen, mit dem Ziel, dass am 1. Januar 2017 die Pflegeversicherung 2.0 reibungslos startet.

Es hat mehrere Anläufe gebraucht, bis man sich der Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs wirklich annahm. Und auch die gesellschaftliche und politische Diskussion sowie das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Pflegeversicherung insgesamt dauerten mehrere Jahre. Für die Umsetzung dieser Reform stehen den Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen allerdings gerade mal etwas mehr als zwölf Monate zur Verfügung. Entsprechend begannen die Planung und erste Vorarbeiten für den Umstellungsprozess bei den Pflegekassen bereits Anfang Oktober letzten Jahres, als das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II), das den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff vorsieht, auf die Zielgrade zusteuerte. Mit dem Beschluss des PSG II im Dezember 2015 nahmen dann die Umstellungsarbeiten richtig an Fahrt auf. Diese lassen sich in folgende drei Blöcke aufteilen:

  • Information der Versicherten
  • Schulung/Qualifizierung der Mitarbeiter und damit verbunden eine Umstellung der Arbeitsprozesse
  • Anpassung der Software

Dabei dürfen die Blöcke nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich hier um einen komplexen Prozess. Wie bei einem Uhrwerk müssen viele Zahnräder an der richtigen Stelle platziert sein, um ineinandergreifen zu können, sodass die Uhr läuft.

Information der Versicherten

Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Information der Versicherten, der Pflegebedürftigen und deren Angehörige und damit letztlich der breiten Öffentlichkeit. Die Pflegekassen gehen hier stufenweise vor. In den jeweiligen Mitgliederzeitschriften der Pflegekassen wird über die Pflegereform, die Inhalte und die Auswirkungen auf den einzelnen Pflegebedürftigen informiert. Zentrale Punkte sind die Darstellungen und Erläuterungen der Übergangsregelungen von den drei Pflegestufen zu den neuen fünf Pflegegraden. Damit eng verbunden ist die Besitzstandsregelung für Pflegebedürftige, die am 31. Dezember 2016 Leistungen der Pflegeversicherung beziehen.

Parallel dazu werden die jeweiligen Informationsbroschüren und Internetauftritte überarbeitet, um auch dort über den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und die damit verbundenen Änderungen aufzuklären. Darüber hinaus müssen die Informationen zum aktuellen Recht weiterhin abgebildet werden, da für die Versicherten zurzeit noch diese Grundlage gilt. Der wichtigste Schritt mit Blick auf die Pflegebedürftigen wird im Oktober und November dieses Jahres der Versand der Leistungsbescheide sein. Die Pflegekassen informieren die Pflegebedürftigen über ihren Pflegegrad und die Leistungen. Die Pflegebedürftigen wissen damit verbindlich, in welchen Pflegegrad sie übergeleitet werden und welche Leistungen bzw. welchen Besitzstand sie erhalten.

Schulung und Umstellung

Die Umsetzung der Pflegereform kann nur gelingen, wenn in den Pflegekassen die Mitarbeiter gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet sind. Eng mit der Mitarbeiterqualifikation verbunden ist die Umstellung der Arbeitsprozesse in den Pflegekassen. Es gilt, die Pflegesachbearbeiter in den Geschäftsstellen und den Pflegezentren, die Pflegeberater und die Mitarbeiter in den Telefongeschäftsstellen für ihre neuen Aufgaben zu qualifizieren. Für die verschiedenen Bereiche sind Schulungskonzepte zu entwickeln und durchzuführen. Dies schließt eine neue Formulierung der Arbeitsanweisung für die verschiedenen Geschäftsprozesse ein. Wesentlich ist hier die Schulung zu den Überleitungsregelungen und dem damit eng verbundenen Besitzstandsschutz. Es ist davon auszugehen, dass sich die Pflegebedürftigen trotz der Informationen seitens der Pflegekassen und Medien mit Einzelfragen an ihre Pflegekassen wenden. Darauf müssen die Mitarbeiter der Pflegekassen vorbereitet sein. Die Pflegekassen setzen neben den klassischen Schulungsmethoden, zum Beispiel Seminare, auch auf E-Learning-Verfahren.

Neben den Pflege-Abteilungen bzw. Fachreferaten sind weitere Arbeitsbereiche von der Pflegereform betroffen, die somit ebenfalls ihre Arbeitsprozesse neu ausrichten müssen. Hierzu zählen etwa der Hilfsmittel- sowie der Reha-Bereich. Diese müssen über die Empfehlungen aus dem Pflegegutachten informiert werden, um dann ihre eigenen Prozesse umzustellen, sodass der Pflegebedürftige auch zukünftig eine Leistung erhält. Direkte Auswirkungen hat die Pflegereform zudem auf die Arbeit der Widerspruchsausschüsse. Das neue Leistungsrecht erfordert, dass die Bewertungen und Begründungen zu den Entscheidungen der Ausschüsse neu ausgerichtet und rechtssicher formuliert werden.

Anpassung der EDV-Systeme

Nicht zuletzt spielt die Anpassung der EDVSysteme auf das neue Vertrags- und Leistungsrecht der Pflegeversicherung mit Blick auf verschiedene Arbeitsprozesse eine zentrale Rolle, etwa in Bezug auf die Leistungsbewilligung, die Information der Versicherten, den Kontakt mit den Pflegebedürftigen und die Abrechnung der Leistungen mit der Pflegeeinrichtung. Für den Versand der rund 2,75 Millionen neuen Leistungsbescheide innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollte die Überleitungsregelung von den drei Pflegestufen hin zu den fünf Pflegegraden hinterlegt sein, sodass die Versandaktion automatisiert durchgeführt werden kann. Parallel dazu müssen auch die Bearbeitungs- und Informationssysteme für die Mitarbeiter der Pflegekassen umgestellt werden. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass der Pflegebedürftige rechtzeitig seine neuen Leistungsbescheide erhält und, sofern er weitere Informationen benötigt, kompetent beraten wird.

Neben den leistungsrechtlichen Neuregelungen bringt das PSG II im stationären Sektor wesentliche vertragsrechtliche Veränderungen. Die Vergütung der insgesamt etwa 12.500 teil- und vollstationären Einrichtungen wird ebenfalls auf die fünf Pflegegrade übergeleitet. Hier sind die Vertragspartner- und Preisdatenbanken beim Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), die Schnittstellen zum Datentransfer zu den Pflegekassen und die Abrechnungssysteme der Pflegekassen anzupassen. Eine große Herausforderung sind neben der Implementierung der fünf Pflegegrade mit dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil auch die Programmierungen der Besitzstandsschutzregelungen.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. 5./6.2016