Krankenhaus

Planung nach Qualität

Das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) gibt vor, dass künftig den Ländern Qualitätsindikatoren als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung zur Verfügung gestellt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird beauftragt, planungsrelevante Qualitätsindikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu entwickeln. Diese Indikatoren sollen als Kriterien und Grundlage für Planungsentscheidungen der Länder geeignet sein. Die Basis für entsprechende Beschlüsse des G-BA sind die Empfehlungen des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG).

Laut Grundgesetz liegt der Sicherstellungsauftrag für die stationäre Krankenhausversorgung bei den Ländern. Krankenhausplanung ist folglich Ländersache. Eine Erfolgsgeschichte ist sie nicht. Ein Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung zeichnet die heutigen Krankenhausstrukturen aus. Regionale Unterschiede sind ausgeprägt. Eine Zukunftsorientierung, um dem geodemografischen Wandel zu begegnen, gibt es nicht. Dies soll sich durch das KHSG ändern. Trotz aller Schwierigkeiten hält die Politik an der Länderplanung fest und gibt ihr mit einer Qualitätsorientierung eine weitere Chance.

Krankenhausplanung bis heute

Eine kapazitätsorientierte Krankenhausplanung hat die Aufgabe, Krankenhäuser, Fachabteilungen und Bettenzahlen auszuweisen. Zu den Zeiten des Selbstkostendeckungsprinzips nutzten die Vertragsparteien vor Ort diese Vorgabe, um mit den vorgegebenen Bettenzahlen und der Festlegung eines wirtschaftlichen Auslastungsgrades die Abteilungs- bzw. Krankenhausbudgets zu vereinbaren. Mit der Abkehr einer tagesbezogenen hin zu einer fallbezogenen Vergütung reduzierte sich die durchschnittliche Liegedauer um fünf Tage. Damit reduzierte sich der Auslastungsgrad und freie Kapazitäten konnten durch eine Fallzahlmehrung genutzt werden. Die Kongruenz zwischen der Abrechnungseinheit „Fall“ und der Planeinheit „Bett“ war nicht mehr gegeben. Das Leistungsgeschehen und die Krankenhausstrukturen entwickelten sich losgelöst von den Planvorgaben der Länder. Die Krankenhausträger haben ihr Leistungsspektrum nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip zu einem Festpreissystem gab den Impuls hierfür. Ob eine Struktur vorgehalten wurde, ergab sich nicht aus der Planvorgabe des Landes, sondern aus der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Krankenhauses.

Diese Entwicklung wurde durch die rückläufige Investitionsförderung der Länder begleitet. Die Länderinvestitionsquote liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei etwa 3,5 Prozent. Die tatsächlichen Investitionsausgaben der Krankenhäuser dürften bei sechs bis acht Prozent liegen. Die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser kann damit nicht garantiert werden. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte der Investitionsausgaben aus Betriebskosteneinsparungen und Mengenausweitungen finanziert werden. Halbherzige Investitionsförderprogramme folgen einer trägen Krankenhausplanung, die bestehende Strukturen einfach nur fortschreibt.

Qualitätssicherung in deutschen Krankenhäusern hat eine lange Tradition; sie ist fast so alt wie die duale Krankenhausfinanzierung, die es seit 1972 gibt. Angefangen als freiwillige Initiativen der Ärzte im Krankenhaus, etwa mit der Münchner Perinatalerhebung, ist sie inzwischen ein professionelles, institutionalisiertes und in umfassende Richtlinien eingebettetes Verfahren.

Seit 2004 verantwortet der G-BA alle externen Qualitätssicherungsverfahren. In 2014 erhoben Krankenhäuser im Auftrag des G-BA zu 30 Leistungsbereichen 416 Qualitätsindikatoren in über 3,2 Millionen Datensätzen. Vom stationären Leistungsgeschehen werden damit etwa 25 Prozent von der Qualitätssicherung erfasst und überprüft, ob bestimmte Behandlungsprozesse wie vorgesehen abgelaufen sind und wie gut das Ergebnis am Ende der stationären Behandlung war. Weichen die Ergebnisse eines Krankenhauses von vorher festgelegten Referenzwerten ab, lässt der G-BA einen strukturierten Dialog mit dem Krankenhaus führen. Ziel dieser Gespräche ist, die Ursachen der Probleme zu ergründen und gemeinsam mit dem Krankenhaus festzulegen, wie es sich zukünftig verbessern kann.

Nicht nur auf den guten Willen setzen

Dieses Vorgehen ist prinzipiell gut und trägt den Gedanken, dass im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (sogenannter PDCA-Zyklus) ein Krankenhaus stets danach strebt, seine Behandlungsqualität zu verbessern. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen dagegen jedoch, dass man nicht nur auf den guten Willen zur Verbesserung der Krankenhäuser setzen kann. Zwar ist das Qualitätsniveau in deutschen Krankenhäusern hoch, die Unterschiede zwischen einzelnen Krankenhäusern sind aber enorm. An dieser Stelle setzt die zukünftige qualitätsorientierte Krankenhausplanung an – den Mut und Willen der Länder vorausgesetzt, sie auch anzuwenden. Neben der datengestützten Qualitätsmessung verfügt der G-BA noch über weitere Instrumente, auf die er zur Sicherung einer guten Behandlungsqualität zurückgreifen kann. Für etwa 20 Leistungen hat der G-BA Mindestanforderungen an Strukturen und Prozessabläufe im Krankenhaus festgelegt. Will ein Krankenhaus die betroffene Leistung erbringen, muss es vorher nachgewiesen haben, alle Mindeststandards zu erfüllen. Diese reichen von baulichen Vorgaben und Personalschlüsseln für die Versorgung Früh- und Reifgeborener bis hin zu Facharztqualifikationen und Teamzusammensetzungen bei minimalinvasiven Herzklappeninterventionen. Auch hierbei handelt es sich prinzipiell um ein gutes Instrument, ein Qualitätsniveau sicherzustellen. Es wird aber noch allzu häufig von Krankenhäusern unterlaufen.

Qualität und Planung zusammenbringen

Die derzeitigen Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit und Bedarfsgerechtigkeit finden bei der Planung der Länder kaum Beachtung. Die Krankenhausplanung soll nun im Rahmen des KHSG insbesondere durch eine Qualitätsorientierung neu ausgerichtet werden. Sie wird damit Teil einer breit angelegten Qualitätsoffensive. Fraglich ist, ob das Kriterium der Qualität bei den Ländern auf Akzeptanz stoßen wird, wenn schon die anderen Kriterien missachtet werden. Um die skizzierten Fehlentwicklungen zu beseitigen und die stationäre Versorgung zukunftssicher zu gestalten, bedarf es einer grundlegenden Neuausrichtung der Krankenhausplanung.

Die Qualitätsorientierung kann hierfür ein guter Ausgangspunkt sein. Indikatoren messen Qualität. Sie müssen über die Aufnahme, den Verbleib und den Ausschluss im Krankenhausplan entscheiden. Angesprochen sind die Leistungs-, Abteilungs- und Krankenhausebene. Je höher die Ebene, desto seltener sind Maßnahmen zu erwarten. Daher ist es wichtig, dass auf die Ebene der Leistungen der Fokus gelegt wird. Fraglich ist, ob die Länder in dieser Detailtiefe handlungsfähig sind. Krankenhausplanung und Budgetverhandlungen müssen daher aufeinander abgestimmt werden. Hierzu bedarf es noch der Anpassung des rechtlichen Rahmens und des Willens der Verantwortlichen. Qualität soll Einzug in die Krankenhausplanung halten. Dies hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht. Daher lohnt es sich, die unterschiedlichen Dimensionen von Qualität näher zu betrachten und zu prüfen, wie sie sich in der Krankenhausplanung niederschlagen können. Nach dem Qualitätsmodell von Donabedian unterscheidet man zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Am Beispiel der Hygienequalität kann man dies deutlich machen. Gute Strukturqualität ist, wenn ausreichend viele Desinfektionsmittelspender im Krankenhaus vorhanden sind. Wenn Pfleger und Ärzte zwischen jedem Patientenkontakt ihre Hände desinfizieren, zeugt das von guter Prozessqualität. Wenn dann die Infektionsraten im Krankenhaus niedrig sind, haben gute Strukturen und Prozesse eine gute Ergebnisqualität erzeugt. In den letzten Jahren hat sich auch vermehrt durchgesetzt, Indikationsqualität als eigenständige Dimension zu betrachten. Denn was hilft es, eine Operation medizinisch perfekt und ohne Komplikationen durchzuführen, wenn der Eingriff gar nicht notwendig war?

Krankenhausplanung lässt sich im Grunde zu drei Aufgaben zusammenfassen: der Aufnahme, dem Verbleib und dem Ausschluss aus dem Plan. Wo bisher die Kriterien Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Länderplanung Berücksichtigung finden sollten, kommt nun die Qualität als gleichwertiger Aspekt hinzu. Eine Krankenhausplanungsbehörde benötigt also ein umfassendes Set an Qualitätsindikatoren, die alle Dimensionen, aber auch das gesamte Leistungsspektrum von Krankenhäusern abbilden.

Wie zu Beginn geschildert, hat die externe Qualitätssicherung in deutschen Krankenhäusern Tradition. Es existiert eine Vielzahl an Qualitätsindikatoren und Qualitätsvorgaben. Dabei stülpt der Gesetzgeber diese nicht pauschal der Krankenhausplanung über, sondern sieht vor, dass der G-BA mit methodischer Unterstützung des neu geschaffenen IQTIG sein bestehendes Instrumentarium für die Gegebenheiten und Zwecke der Krankenhausplanung anpasst. Neben der Neu- und Weiterentwicklung von Qualitätsindikatoren auch für Leistungen, die bisher nicht über die Qualitätssicherung erfasst werden, kann sich das IQTIG in einem ersten Schritt ganz auf die bestehenden Grundlagen konzentrieren. Diverse Leistungsbereiche drängen sich geradezu auf, umgehend für die Planung herangezogen zu werden, da für sie Qualitätsvorgaben, Mindestmengen und Qualitätsergebnisse existieren. Im Bereich der kathetergestützten Aortenklappenimplantationen (TAVI) gibt es klare Struktur- und Prozessqualitätsvorgaben sowie Ergebnisse aus der datengestützten Qualitätssicherung zur Güte der Indikationsstellung und zur Sterblichkeit. Werden diese so angepasst, dass eine Krankenhausplanungsbehörde damit arbeiten kann, könnte sie für die drei Aufgabenschritte Planung, Verbleib und Ausschluss folgendermaßen vorgehen. Will ein Krankenhaus zukünftig TAVI erbringen, müsste von der Behörde geprüft oder hilfsweise bei den Krankenkassen abgefragt werden, ob die Struktur- und Prozessanforderungen der Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappenintervention (MHI-RL) erfüllt sind. Dazu gehören unter anderem das Vorhandensein von Fachabteilungen für Herzchirurgie und Kardiologie sowie eine Quote von 25 Prozent mit in der Intensivpflege fachweitergebildetem Pflegepersonal. Gibt es hier schon Defizite, kann eine Zulassung nicht erfolgen. Es spielt dann auch keine Rolle mehr, ob das Krankenhaus bedarfsnotwendig oder wirtschaftlich ist. Einmal für eine Leistung zugelassen, muss die Planungsbehörde regelmäßig überprüfen, ob die Qualität vom Krankenhaus noch sichergestellt wird. Da sind neben den Struktur- und Prozessqualitätsanforderungen dann auch die Qualitätsergebnisse aus der datengestützten Qualitätssicherung relevant. Hier wird es Aufgabe des IQTIG sein, justiziable Grenzwerte festzulegen und Bewertungsmaßstäbe zu liefern, deren Unterschreitung dann zum Ausschluss aus dem Plan führt.

Neubeginn – heute statt morgen

Es zeigt sich, dass schon jetzt Krankenhausabteilungen aufgrund von Personalmangel geschlossen werden müssen. Qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte stehen auf dem Arbeitsmarkt nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. In vielen urban gelegenen Krankenhäusern kann beispielsweise die Notfallfallbereitschaft nicht rund um die Uhr gewährleistet werden. Nacht- und Wochenendbesetzungen können ebenfalls nicht mehr garantiert werden. Auch die Umsetzung der Richtlinie für Früh- und Reifgeborene wird zeigen, dass es weniger ein monetäres Problem ist, die Mindestbesetzung sicherzustellen, als vielmehr ein Arbeitsmarktproblem.  

Konzentrationsprozesse müssen die Lösung sein. Knapper werdende Ressourcen, wie etwa Länderinvestitionsmittel, Ärzte oder Pfleger, können künftig nicht mehr auf die bestehende Zahl von Krankenhäusern verteilt werden. Halbe Strukturen sorgen für eine geringere Versorgungsqualität. Die passive Planung in Form von Bestandsfortschreibung ist genauso ungeeignet, wie die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Diese neue Form von Ressourcenknappheit bedarf einer qualitätsorientierten Steuerung. Die Planung der Länder muss sich diesen Herausforderungen stellen. Die Länder müssen bereit sein, die Indikatoren des G-BA auch anzuwenden. Die mit der Reform vorgesehene Qualitätsorientierung muss für den notwendigen Ruck auch bei den Planungsverantwortlichen sorgen. Konzentrationsprozesse müssen von Qualitätsergebnissen und nicht von der Lautstärke der Veränderungsgegner bestimmt werden. Nur dann werden die Krankenhausstrukturen die stationäre Versorgung in Zukunft sicherstellen können.

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