Etwa 23 Millionen Deutsche berichten über chronische Schmerzen. Legt man die „Messlatte“ der Beeinträchtigungen durch die Schmerzen zugrunde, so erfüllen sechs Millionen Deutsche die Kriterien eines chronischen, nicht tumorbedingten beeinträchtigenden Schmerzes. Die Zahl Betroffener mit starken bzw. assoziierten psychischen Beeinträchtigungen (Schmerzkrankheit) liegt hierzulande bei 2,2 Millionen. Das Thema Schmerz muss zum Top-Thema auch der Gesundheitspolitik werden.
Der Health Technology Assessment- (HTA-)Bericht 126 stellt fest, dass immer noch 56 Prozent aller Patienten unter nicht akzeptablen akuten Schmerzen leiden, d. h. entweder Ruhe-, Belastungs- und/oder Maximalschmerz liegen über den definierten Grenzwerten für ein akzeptables Erträglichkeitsniveau. Demgegenüber zeigen Qualitätsmanagementprogramme wie QUIPS (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) oder CERTKOM (Gesellschaft für Qualifizierte Schmerztherapie), dass eine wirksame Schmerztherapie möglich und effektiv ist.
Aber nur etwa zehn Prozent der deutschen Krankenhäuser nehmen an einem entsprechenden Benchmarking oder an einem schmerzrelevanten Qualitätsmanagement teil. Hier sollten die Vertragspartner und der Gesetzgeber gerade in Zeiten ökonomischen Drucks nachhelfen. Auch die Bundesländer könnten aktiver werden: Eine deutliche Verbesserung in der Strukturqualität der Krankenhäuser wäre zum Beispiel die Einrichtung eines Akutschmerzdienstes in der zukünftigen Krankenhausplanung. Zusätzlich würde eine Verbesserung der Prozessqualität durch eine regelmäßige Abfrage patientenrelevanter Endpunkte erzielt. Schmerzen, die chronifizieren und zu einem eigenständigen Krankheitsbild werden, sind nur noch sehr schwer therapierbar und führen zu einer deutlich gesteigerten Anzahl von Arztbesuchen, zu notfallmäßigen Krankenhausaufenthalten, erfolglosen Rehabilitationsmaßnahmen, Tagen der Berufsunfähigkeit und letztendlich einer Zunahme gesundheitsökonomisch relevanter Kosten. Zudem kommt es zu einer häufig zu langen und unzureichenden Selbstmedikation, und die Patienten treffen im Zuge einer „Odyssee“ durch das Gesundheitssystem auf Vertreter unterschiedlichster medizinischer Fachdisziplinen.
Dies hat auch die 88. Gesundheitsministerkonferenz der Länder erkannt. In ihrem Beschluss vom Juni 2015 fordert sie u. a. die Entwicklung eines fachübergreifenden Schmerzindikators, wie ihn das 2. Nationale Schmerzforum der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. mit Vertretern relevanter Partner des Gesundheitssystems erörtert hat. Die hier indizierte „multimodale Schmerztherapie“ erfolgt jedoch nicht immer gemäß den strukturellen und therapeutischen Mindestanforderungen an eine solche Therapie. Vor allem chronischer Schmerz kann nur fachübergreifend gut behandelt werden; dazu müssen Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten, Pflegekräfte und der Patient gut und intensiv zusammenarbeiten.
Um den Erfolg einer solchen Behandlung besser zu erfassen und abbilden zu können, empfiehlt die Deutsche Schmerzgesellschaft die Beteiligung an KEDOQ, einem IT-gestützten System zur Kerndokumentation und Qualitätssicherung in der Schmerztherapie. Ziel in der Zukunft ist die Erstellung eines Schmerzregisters. Die Gesundheitspolitik sollte diese Forderungen aufgreifen und die Weichen für eine qualitätsorientierte Schmerztherapie konsequent stellen.