Seit Mitte März 2017 gilt das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“. Für Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung wird damit unter bestimmten Voraussetzungen Cannabis zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Grundlage ist der neu geschaffene Abs. 6 des § 31 SGB V. Zulässig ist die Verordnung von getrockneten Medizinal-Cannabisblüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und von Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.
In den (Tages-)Medien ist das Thema allgegenwärtig. Aber zum Teil fehlt die klare Botschaft: Durch das Gesetz ist für Cannabis (getrocknete Medizinal-Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität) die Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit ausschließlich zu medizinischen Zwecken hergestellt. Cannabiskonsum zu Genusszwecken ist hiervon streng zu trennen und wird vom Gesetz nicht legalisiert.
Die Ärzte haben bei der Therapie mit Medizinal-Hanf eine Schlüsselstellung. Da genaue Krankheitsbilder im Gesetz nicht genannt werden, muss der Arzt nach individueller Abwägung von Nutzen und Risiken eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Bei erstmaliger Verordnung ist bei der Kasse des Patienten ein Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Sie beauftragt den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer sozialmedizinischen Begutachtung. Für Palliativpatienten gilt für die Prüfung der Genehmigung eine Frist von drei Tagen, für alle anderen Patienten von maximal fünf Wochen. Eine Ablehnung ist laut Gesetz nur in begründeten Ausnahmefällen möglich.
Der Arzt verordnet auf einem Betäubungsmittelrezept das entsprechende Arzneimittel, wobei hier – sofern es sich nicht um ein Fertigarzneimittel handelt – alle erforderlichen Angaben für Zubereitung, Dosierung und Einnahme vermerkt werden müssen. Das ist wichtig, weil bei der Verordnung von Blüten mehrere Möglichkeiten der Einnahme zur Verfügung stehen (zum Beispiel Inhalation mittels Verdampfer oder Zubereitung als Tee).
Sofern es sich bei der Verordnung zum Beispiel um Cannabisblüten handelt, die vor 2019 wohl nicht aus inländischem Anbau zur Verfügung stehen, muss die beliefernde Apotheke auf zugelassene Importware – etwa aus Holland – zurückgreifen. Einer beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) neu geschaffenen „Cannabisagentur“ soll die Kontrolle über Anbau und Vertrieb des Medizinal-Hanfes unterliegen. Die Behörde vergibt im Rahmen von Ausschreibungen die Aufträge und kauft die gesamten Bestände auf, die dann über Apotheken vertrieben werden. Ihre anfallenden Personal- und Sachkosten legt sie auf den Verkaufspreis des Cannabis um.
Der Startschuss ist gefallen, viele wichtige Fragen sind jedoch noch zu klären, bevor ein umfassend reibungsloser Ablauf möglich wird. Wie viele Patienten werden Medizinal-Hanf-Zubereitungen zulasten der GKV erhalten? Ist die Versorgungssituation mit Cannabisblüten, bis inländische Ware zur Verfügung steht, gesichert? Wird es bereits jetzt eine Preisfestsetzung durch die Cannabisagentur geben? Was passiert mit den bisherigen ca. 1.000 Ausnahmeerlaubnissen des BfArM, falls deren Besitzer keine Genehmigung zum Bezug von medizinischem Cannabis zulasten ihrer Krankenkasse erhalten? Und nicht zuletzt wirft die wissenschaftliche Begleiterhebung, mit der das Bundesgesundheitsministerium (BMG) validere Daten zum therapeutischen Nutzen von Cannabis erheben will, Fragen auf. Ihr Entwurf erinnert stark an Anwendungsbeobachtungen, deren Erkenntnisgewinn in der Vergangenheit meist bei null lag, hier aber die Grundlage einer leistungsrechtlichen Beurteilung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) schaffen soll.