AMG-Novelle

Ein Potpourri neuer Regelungen

Grafik: Anordnung von Medikamentenpackungen, Tabletten und Fläschchen

Der Deutsche Bundestag hat Ende Juni 2012 das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften beschlossen. Es sieht zum größten Teil Regelungen vor, die zu begrüßen sind und auch die Versicherten direkt betreffen. Doch es fehlt an Maßnahmen, um die wirtschaftliche Ausgestaltung der Arzneimittelversorgung zu verbessern.

Ursprünglich als Gesetzesentwurf zur zwingenden Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben im Arzneimittelrecht gestartet, wurde das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften – die 16. AMG-Novelle – im Laufe seines Geburtsprozesses immer mehr zu einem sogenannten Omnibusgesetz. Das heißt, der Gesetzgeber nutzt den beackerten Boden eines durch fachliche Vorgaben der Europäischen Union (EU) notwendig gewordenen Gesetzesvorhabens mit dem Ziel, weitere national als wichtig empfundene Regelungen als zusätzliche Passagiere auf die Reise durch die parlamentarischen Gremien mitzunehmen. So finden sich hier neben dem eigentlichen Kernelement, dem Arzneimittelgesetz, einige weitere, die Fachöffentlichkeit und die Presse mitunter weit mehr beschäftigende Neuregelungen im Bereich des Betäubungsmittelrechtes und des Sozialgesetzbuches V (SGB V). In der Folge werden daher die den Bereich der Arzneimittelversorgung berührenden Punkte skizziert und beleuchtet, die auch von Bedeutung für den praktischen Alltag der betroffenen Patienten sind.

Änderungen im Arzneimittelgesetz

Eines der wichtigsten Elemente in diesem Zusammenhang ist die Einführung eines EU-übergreifenden Systems zur Verhinderung beziehungsweise zur Identifikation von Arzneimittelfälschungen. Durch den immer mehr sich verbreitenden Vertrieb von Arzneimitteln über das Internet nimmt auch die Zahl unseriöser Anbieter zu, die mithilfe von teilweise plumpen, mitunter jedoch auch nur durch Fachleute erkennbaren Fälschungen versuchen, sich einen Teil des lukrativen und milliardenschweren Arzneimittelmarktes zu sichern. Dabei werden im einfachsten Fall wirkstofffreie Scheinmedikamente als echte Arznei vertrieben. Teilweise enthalten diese Fälschungen jedoch auch nicht deklarierte oder falsch dosierte Arzneistoffe, bei deren Einnahme direkte Gesundheitsgefahren für den Anwender resultieren können. Hier wird durch eine verbesserte Kennzeichnung der Packungsbehältnisse seitens der seriösen Hersteller sowohl die Fälschungssicherheit erhöht als auch die Überwachungsmöglichkeit durch Zoll- oder Aufsichtsbehörden erleichtert.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verbesserung der Pharmakovigilanz, also die Überwachung und Überprüfung von Arzneimitteln während ihrer Anwendung am und durch den Menschen. Dies geschieht zum einen durch verbesserte Transparenz hinsichtlich gemeldeter unerwünschter Arzneimittelwirkungen, in die auch Patienten neben Ärzten, Kliniken und Apotheken verstärkt eingebunden werden sollen. Zum anderen geschieht es durch die zusätzliche Implementierung einer Anzeigepflicht für sogenannte Unbedenklichkeitsstudien. Dabei handelt es sich um Untersuchungen zur Verträglichkeit und Einnahmesicherheit von Arzneimitteln während ihrer normalen, dosisgerechten Verwendung durch erkrankte Patienten.

Änderungen im Betäubungsmittelrecht

Ziel der Änderungen in diesem Bereich ist die Verbesserung der Versorgung schwerkranker, in der Regel unter starken Schmerzen leidender Patienten in der sogenannten Palliativversorgung. Da es in der Vergangenheit zu Versorgungsproblemen mit opiathaltigen Schmerzmitteln gekommen ist, soll künftig der zur Hilfe geeilte Arzt die zur Behandlung in den folgenden drei Tagen notwendigen Betäubungsmittel am Krankenbett hinterlassen dürfen. Diese können dann auch durch Familienmitglieder oder Pflegepersonal weiter verabreicht werden.

Änderungen im Sozialrecht (SGB V)

Erfreulich ist, dass die Regierung davon Abstand genommen hat, die entscheidenden Regelungen im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zur frühen Nutzenbewertung und Preisverhandlung wieder aufzuweichen. Die Änderungen und Anpassungen im Bereich der frühen Nutzenbewertung beschränken sich auf einige weniger entscheidende Punkte. Im Kern wird denjenigen Herstellern, die aus der Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aufgrund fehlender beziehungsweise unvollständiger Unterlagen einen fehlenden Zusatznutzen attestiert bekommen haben, das Recht eingeräumt, auch unterjährig mit komplettierten Unterlagen einen erneuten Antrag auf frühe Nutzenbewertung stellen zu dürfen. Präzisiert wurde zudem die Frage, wann der G-BA die deutschen Zulassungsbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut) zu Beratungen der Hersteller hinzuziehen soll. Ergänzend schließt sich ein nunmehr gesetzlich vorgegebenes Verfahren an, wie die Schiedsstelle nach § 130b SGB V die Gewichtung von Kaufkraftparitäten vorzunehmen hat, um den europäischen Durchschnittspreis für die durch sie abzuschließenden Preisverhandlungen mit dem Hersteller zu ermitteln.

Weitere Neuerungen ergeben sich durch die Möglichkeit des GKV-Spitzenverbandes, zusammen mit dem Deutschen Apothekerverband Wirkstoffe bestimmen zu können, bei denen ein Austausch der Handelspräparate mit Rabattpräparaten auf Apothekenebene nicht stattfinden soll. Hier bleibt abzuwarten, wie sich insbesondere die Apothekerseite verhalten wird, die bisher kaum ein gutes Haar an den abgeschlossenen Rabattverträgen der Kassen gelassen hat. Somit könnte sie hierin eine Chance sehen, zumindest teilweise aus der Ersetzungspflicht herauszukommen. Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) interpretiert die Regelung so, dass die Vertragspartner hier nur im Einvernehmen handeln können und keine Zuständigkeit der Schiedsstelle besteht.

Eine weitere Klarstellung betrifft die Regelung aus dem AMNOG im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung zum Grundsatz „Beratung vor Regress“. Hier stellt das Gesetz zwar nunmehr klar, dass diese Regelung auch für laufende, noch nicht abgeschlossene Verfahren aus Zeiten vor 2011 gelten soll. Ungeklärt bleibt jedoch, inwieweit bereits stattgefundene Beratungen vor Initiierung der zurzeit laufenden Prüfanträge als Beratung im Sinne der gesetzlichen Neuregelung anzusehen sind. Damit dürfte diese Klarstellung nur einen begrenzten Klärungseffekt für die Diskussionen in den Prüfgremien besitzen.

Als weitere Änderung stellt der Gesetzgeber klar, dass sogenannte Sortimentsverträge, die einige Kassen zu Beginn der Möglichkeit, Rabattverträge im Rahmen der Aut-idem-Regelung abzuschließen, mit einzelnen großen Generikaherstellern vereinbart haben, nunmehr zugunsten echter Ausschreibungen auf Wirkstoffebene abzulösen sind. Die Ersatzkassen gehen diesen Weg bereits seit einiger Zeit.

Diese sogenannte Arzneimittelnovelle enthält insgesamt ein Potpourri von Regelungen, die mehrheitlich zu begrüßen sind. Leider wurde die Chance verpasst, neue Vorschläge zur wirtschaftlichen Ausgestaltung der Arzneimittelversorgung aufzunehmen. Damit dürfte auch zukünftig für Zündstoff im Arzneimittelmarkt gesorgt sein.

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