Telemedizin bei COPD

Betreuung im eigenen Zuhause

Grafik: Mann sitzt und hat ein Messgerät um seinem Oberarm, das an ein Computer neben ihm angeschlossen ist, Übertragung von den Daten an das Krankenhaus rechts oben im Bild

Mehr Lebensqualität und weniger Krankenhausaufenthalte – dieses Ziel verfolgt ein neues Telemedizin-Angebot der Techniker Krankenkasse (TK), das sich an Versicherte mit schweren Atembeschwerden richtet. Es ermöglicht eine Stabilisierung im eigenen häuslichen Umfeld und kann die Behandlung durch Haus- und Facharzt sinnvoll unterstützen.

Die Zahl der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) nimmt weltweit stetig zu: Derzeit ist jeder vierte Todesfall auf diese Lungenkrankheit zurückzuführen. Allein in Deutschland sterben jeden Tag 80 Patienten an den Folgen der COPD. Und auch die Zukunftsprognosen sind nicht besser: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwartet laut ihrer „World Health Statistics“, dass sich bis 2030 in Europa die COPD zur dritthäufigsten Todesursache nach Herzkrankheiten und Schlaganfällen entwickelt. Hierzulande sollen fast sieben Millionen Menschen betroffen sein, während davon aber nur etwa 1,5 Millionen diagnostiziert sind, schätzen Experten. Allein bei der TK mit rund 8,1 Millionen Versicherten sind derzeit etwa 100.000 diagnostizierte COPD-Patienten registriert. Die Tendenz ist auch hier steigend.

Vor diesem Hintergrund hat die TK in diesem Jahr ein Projekt initiiert, das sich an Patienten mit schweren Atembeschwerden richtet. Das Ziel: die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern und COPD-Patienten vermeidbare Krankenhausaufenthalte zu ersparen. Für die TK ist dies auch unter Kostengesichtspunkten relevant, denn durchschnittlich schlägt eine solche stationäre Behandlung mit 4.000 Euro zu Buche.

Damit das Projekt ein Erfolg wird, richtet sich die TK ganz gezielt an Patienten, die ein hohes Risiko tragen, eine Exazerbation der COPD zu erleiden. Um hierfür geeignete Teilnehmer zu identifizieren, setzt die TK auf ein eigens für das Programm entwickeltes LOH-Modell: Mit „Likelihood of hospitalization“ lassen sich künftige Krankheitskosten aufgrund von historischen Abrechnungsdaten prognostizieren.

Basisstation „Health-Buddy“

Zum Start des bundesweit angelegten Angebotes nimmt die TK mindestens 300 Schwerkranke in das Programm auf, deren Risiko für eine solche akute Zustandsverschlechterung besonders hoch ist und für die entsprechend in naher Zukunft eine Akutbehandlung im Krankenhaus erwartet wird. Als Vertragspartner der TK konnten für das Projekt die Robert Bosch Healthcare GmbH und das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart gewonnen werden. Dort ist auch das Telemedizinische Zentrum angesiedelt.

Nach erfolgreicher Ansprache, Information über die TK und Einwilligung des Versicherten erhalten die Versicherten eine telemedizinische Basisstation – den sogenannten „Health-Buddy“. Die Betroffenen übermitteln damit täglich wichtige Informationen wie Sauerstoffsättigung, Atemprobleme sowie Angaben zum allgemeinen Befinden an das Telemedizinische Zentrum des Robert-Bosch-Krankenhauses. Dort werten pneumologisch geschulte Fachkräfte und ein Facharzt für Pneumologie die Daten aus. Sollte sich der Gesundheitszustand verändern, nehmen die Betreuer aus dem telemedizinischen Zentrum umgehend mit den Patienten oder dem behandelnden Arzt Kontakt auf. Zudem erhalten die Betroffenen umfangreiche Hinweise, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen und die Lebensqualität im Alltag verbessern können.

Die TK verspricht sich von diesem Projekt, dass sich Telemedizin als eine innovative Möglichkeit erweist, die Lebensqualität ihrer Versicherten im eigenen häuslichen Umfeld zu stabilisieren und damit zu verbessern und sie so gut wie möglich wieder in den Alltag zu integrieren. Durch die Betreuung fühlen sich die Patienten in ihrer gewohnten Umgebung sicherer, was somit auch deren Lebensqualität verbessert. Dabei versteht sich diese Form der Telemedizin nicht als Ersatz für die Behandlung beim Haus- oder Facharzt. Sie kann diese lediglich sinnvoll unterstützen. Ohne die behandelnden Ärzte vor Ort, die den Patienten kennen und begleiten, wäre eine Versorgung nicht möglich.

Als vertragliche Grundlage für die Betreuung der Patienten wurde ein integrierter Versorgungsvertrag nach § 140 SGB V abgeschlossen. Damit verbunden erwartet die TK, dass sich Kosten für das Projekt durch Einsparungen in anderen Leistungssektoren (zum Beispiel im Krankenhaus) amortisieren. Die Wirksamkeit der Maßnahme wird nach einem vorher definierten Zeitablauf von zwei Jahren mit einer randomisierten Kontrollgruppe gemessen, in der die TK die Krankheitskosten zwischen einer Maßnahmengruppe mit den Krankheitskosten der Kontrollgruppe vergleicht. Durch ein entsprechendes Matching im Vorfeld der Intervention haben wir zwischen den beiden Gruppen eine Strukturgleichheit hergestellt, sodass die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen gegeben ist. Die Ergebnisse dieses Projektes sind für das Jahr 2014 geplant. Ein erstes Zwischenergebnis soll im Jahr 2013 vorliegen.

Vermeidung von Rückschlägen

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird das System bereits seit mehr als zehn Jahren erfolgreich eingesetzt und unterstützt dort die Betreuung von chronisch kranken Patienten. Neben der täglichen Übermittlung der Gesundheitsdaten erfahren die Patienten zu Hause über ihre Basisstation viele Details zu ihrer Krankheit und lernen mit ihrer Situation im alltäglichen Leben besser umzugehen. Dadurch können langfristig Rückschläge vermieden werden, die oft einen Krankenhausaufenthalt nach sich ziehen und zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen.

Und auch bei der TK gibt es bereits nach den ersten Monaten ein sehr positives Fazit: Die Akzeptanz und Teilnahmebereitschaft der Versicherten ist extrem hoch und übertrifft derzeit alle Erwartungen. Auch die Rückmeldungen der ersten eingeschriebenen Versicherten sind durchweg positiv.


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