Als bundesweit tätige Versicherungsträger sind die Ersatzkassen gegenüber landesweit tätigen Krankenkassen im Wettbewerb benachteiligt. Grund ist die nicht gleichgerichtete Aufsichtspraxis auf Bundes- und Landesebene. Jetzt konnte ein erster Etappenerfolg hin zu einer Gleichstellung erzielt werden.
Auf Antrag des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) und seiner Mitgliedskassen hat das Sozialgericht Berlin der AOK Bayern untersagt, damit zu werben, dass deren Versicherte Rabatte oder Sonderkonditionen von Kooperationspartnern erhalten, soweit es sich nicht um Produkte und Dienstleistungen mit einem Gesundheitsbezug handelt. Im konkreten Fall ging es zum Beispiel um Rabatte auf Friseurbesuche, Textilreinigung, Elektrogeräte oder vergünstigte Angebote in Autohäusern.
Nach Ansicht des Gerichts hat die AOK Bayern damit den durch § 30 Abs. 1 SGB IV gesteckten Rahmen des Erlaubten verlassen. Die beworbenen Rabattangebote hätten aufgrund ihrer Vielzahl sowie der erzielbaren finanziellen Vorteile für die Versicherten auch Auswirkungen auf den Mitgliederwettbewerb zwischen den Krankenkassen. So seien die Rabatte geeignet, die Interessen der Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen. Die Werbung ist somit nach Auffassung des Gerichts in Anlehnung an § 3 Abs. 1 UWG unlauter. Auch wenn das Urteil des Sozialgerichts noch nicht rechtskräftig ist – die AOK Bayern legte Berufung beim Landessozialgericht Berlin ein –, stellt es einen ersten Etappenerfolg dar.
Dieser Prozess zeigt, dass bezüglich Rabattwerbung eine nicht gleichgerichtete Aufsichtspraxis auf Bundes- und Landesebene besteht. Die Aufsichtsbehörden haben sich intern zwar darauf verständigt, Rabatte ohne Gesundheitsbezug nicht mehr zu gewähren. So praktiziert es auch das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsicht über die bundesweit tätigen Krankenkassen. Die Länderaufsichten tolerieren es jedoch, dass die ihnen unterstehenden AOKn den Versicherten auch Rabattangebote Dritter mit zweifelhaftem Charakter und gänzlich ohne Gesundheitsbezug vermitteln.
Die Benachteiligung lässt sich nicht bloß an wenigen Einzelfällen, sondern an vielen Beispielen belegen. So stellte etwa der Bundesrechnungshof (BRH) 2012 fest, dass die bundesweit tätigen Versicherungsträger im Zuge der Wahltarife nach § 53 SGB V und Boni für gesundheitsbewusstes Verhalten nach § 65a SGB V infolge der restriktiveren Aufsichts- und Genehmigungspraxis des BVA im Wettbewerb der Krankenkassen stark benachteiligt sind. Den AOKn wurden zum Beispiel Kostenerstattungstarife für Leistungen im Ausland und für die Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus genehmigt. Das BVA hat den bundesunmittelbaren Krankenkassen solche Tarife versagt. Des Weiteren bieten landesunmittelbare Krankenkassen Bonusprogramme an – etwa im Zuge der Teilnahme an Online-Kursen –, die das BVA bei den ihm unterstellten Kassen abgelehnt hat. Der BRH empfiehlt, dass sich die Aufsichtsbehörden künftig enger abstimmen und einheitliche Maßstäbe für die Genehmigung von Tarifen entwickeln. Sollte eine gemeinsame Haltung nicht zu erreichen sein, schlägt der BRH vor, dass das BVA seine bislang praktizierte restriktive Genehmigungspraxis aufgibt.