Ist die individuelle Bedrohung durch Big Data größer als die durch Big Pharma? Hinterlässt die aktuelle Fusionierungswelle auf dem Arzneimittelmarkt wirklich nur Spuren auf dem Wirtschaftsparkett oder zahlt am Ende auch der Patient seinen Preis dafür?
Letzteres steht zu befürchten, weshalb umso erstaunlicher ist, dass Big Data sogar für hitzige Feuilletondebatten sorgt, Big Pharma aber allenfalls die Fachwelt bewegt, wenn überhaupt.
Die Riesen schlucken kleine, potente Firmen, um Forschungskosten zu sparen.
Der Trend ist klar: Die Riesen schlucken kleine, potente Firmen, um sich die hohen und für sie schlecht kalkulierbaren Forschungskosten zu sparen. Und der Patient? Für weit verbreitete Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck wird es künftig vermutlich noch mehr und noch teurere Spritzen und Pillen geben, denn damit lässt sich gut Geld verdienen. Auf der Strecke werden jene Patienten bleiben, die regelmäßig Medikamente für seltenere oder aber nur hin und wieder bei schlimmen akuten Krankheiten benötigen. Schon jetzt herrscht ein regelrechter Forschungsnotstand bei Antibiotika, Impfstoffen oder Mitteln gegen Tuberkulose. Die Pharmafusionen werden diesen Notstand nicht beheben, sondern weiter forcieren. Christiane Fischer vom Deutschen Ethikrat prophezeit „mehr Forschung zu Scheininnovationen“ und dadurch (noch) mehr überflüssige Medikamente zu über- höhten Preisen.
Hinzu komme, gibt der Arzneimittelexperte Gerd Glaeske von der Universität Bremen zu bedenken, dass Pharmariesen ihre klinischen Studien schon jetzt lieber in Schwellenländern durchführen, wo gesetzliche Regeln und Standards fehlen oder minimal sind. Die Studien sind in diesen Ländern billig zu haben. Auf Kosten von Sicherheit und Qualität, also am Ende des Patienten. „Fusionen haben bisher nie den Forschungsanteil wachsen lassen“, sagt Glaeske.
Völlig unverständlich findet deshalb Gerd Antes, der Direktor des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg, die Seelenruhe, mit der die Behörden die Big Pharma-Aktivitäten verfolgen, während sie sich in anderen Sparten – etwa der Telekommunikation – schnell (auf)regen. „Auf Gesundheit kann man nicht verzichten, aufs Telefonieren schon“, meint Antes. Offenbar sehen das nicht alle so.