Integrierte Versorgung

Selektivverträge als sinnvolle Ergänzung

Vor rund einem Jahrzehnt ist das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) in Kraft getreten. Teil der Modernisierung zum 1. Januar 2004 war eine umfassende Reform und Anpassung der Vorgaben zur Integrierten Versorgung (IV) nach § 140a ff. SGB V; unter anderem durch eine umfassende Anschubfinanzierung, die eine Förderung der IV und Anreiz zum Vertragsschluss zum Ziel hatte. Seitdem hat sich die IV erfolgreich weiterentwickelt.

Die Möglichkeit zum Abschluss von Verträgen zur IV wurde schon vier Jahre zuvor im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 geschaffen. Jedoch hatten die Vertragspartner – Krankenkassen, niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser u. a. – diese Vertragsform aufgrund einer Vielzahl von Hemmnissen bislang kaum wahrgenommen. Das GMG sollte hier Abhilfe schaffen.

Seitdem hat sich das Versorgungsangebot durch Verträge zur IV bzw. Selektivverträge tatsächlich deutlich vergrößert. So gab es 2011 bundesweit rund 6.300 IV-Verträge mit Gesamtausgaben von 1, 3 Milliarden Euro. Eingeschrieben in diesen Verträgen waren etwa 1,9 Millionen Versicherte. Die Gesamtausgaben für die IV stiegen dann 2012 auf etwa 1,45 Milliarden Euro, im Jahr 2013 auf rund 1,5 Milliarden Euro. Inhaltlich befassen sich die Verträge im Schwerpunkt mit der Durchführung ambulanter Operationen zur Vermeidung stationärer Aufenthalte, hier insbesondere mit Blick auf endoprothetische Versorgung, sowie mit der verbesserten Versorgung chronischer Erkrankungen und psychischer Erkrankungen.

Befürchtungen, dass veränderte Rahmenbedingungen, wie der Wegfall der Anschubfinanzierung und die Einführung des Gesundheitsfonds, zu einem massiven Einbruch der Zahl der Selektivverträge führen würden, bewahrheiteten sich nicht. Gleichfalls jedoch haben Bedeutung und Reichweite der selektiven Versorgungsmodelle auch nicht deutlich zugenommen. Ein Grund ist der deutliche Anstieg des bürokratischen Aufwands bei der Umsetzung selektiver Vertragsformen. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden durch Urteile der Sozialgerichte eingeschränkt, zudem gibt eine enge Rechtsauslegung des Bundesversicherungsamtes im Rahmen der Vorlagepflicht nach § 71 Abs. 4 SGB V eindeutige Beschränkungen bei der Umsetzung von Selektivverträgen vor. Ein weiterer Grund sind erforderliche hohe Anfangsinvestitionen. Hier ist eine selektivvertragliche Umsetzung aufgrund des härter werdenden Wettbewerbs der Krankenkassen zum Teil kaum darstellbar. Eine weitergehende Etablierung innovativer und damit einhergehend wirtschaftlicher Versorgungsformen, die die individuellen Erfordernisse von verschiedenen Versorgungskontexten berücksichtigen, wird unter diesen Hindernissen erschwert. Die Ersatzkassen haben daher spezifische Handlungsfelder und  Hemmnisse identifiziert und drei Lösungsvorschläge zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen erarbeitet.

Eine weitere Förderung sektoren- übergreifender Versorgungsformen und IV-Verträge soll mithilfe des Innovationsfonds erreicht werden. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Versorgungsinnovationen durch einen Innovationsfonds mit 300 Millionen Euro gefördert werden sollen. Auch wenn Details bisher nicht abschließend geklärt sind, könnte der Innovationsfonds die Entwicklung und den Abschluss von IV-Verträgen vorantreiben, sofern den Krankenkassen ein entsprechender Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden, die für eine innovative Versorgungsgestaltung benötigt werden. So könnte beispielsweise das Problem der Sicherstellung von Anfangsinvestitionen für selektive Verträge gelöst werden.

Zur Sicherstellung einer innovativen und wettbewerblichen Versorgung ist die Versorgungsgestaltung durch Selektivverträge ein Mittel der Wahl innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Verträge der Kollektivversorgung nach §§ 83 ff. SGB V können durch diese selektiven Verträge bedarfsgerecht und in Abhängigkeit regionaler und indikationsbezogener Versorgungssituationen ergänzt werden. Bei Abbau der bestehenden rechtlichen Hürden, die die erforderlichen Freiräume einschränken, und Sicherstellung eines geeigneten Investitionsrahmens können die Krankenkassen weiterhin den Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung nutzen.

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