Das Thema Sponsoring durch Wirtschaftsunternehmen ist nicht nur immer wieder von Interesse für Medienvertreter, sondern auch in den Mitgliedsverbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE) seit einigen Jahren im Fokus innerverbandlicher Informations- und Diskussionsprozesse. Denn Unabhängigkeit und Transparenz sind unverzichtbar für die Selbsthilfe.
Die gesundheitsbezogene Selbsthilfe leistet heute viele Aufgaben, die nicht nur den Mitgliedern, sondern allen zugutekommen. Dies gilt bspw. für die zahlreichen Beratungs- und Unterstützungsangebote der Selbsthilfe, genauso wie für deren sachkundige Mitwirkung in zahlreichen Gremien des Gesundheitswesens. Die Arbeit der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen wird in erster Linie vom persönlichen, aber auch vom finanziellen Engagement ihrer Mitglieder getragen. Ohne dieses Engagement wäre das Maß an Unterstützung, welches Menschen in der Selbsthilfe erfahren, gar nicht möglich. Denn die finanziellen Mittel, die den Selbsthilfeorganisationen zur Verfügung stehen, sind sehr knapp bemessen und reichen bei Weitem nicht aus, um einen angemessenen Qualitätsstandard an Arbeit zu leisten oder auch dringend benötigte Projekte überhaupt auf die Beine zu stellen, geschweige denn Prozesse im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen.
Die Förderung der Selbsthilfe ist daher auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der Krankenkassen, Rehabilitationsträger, Bund, Länder und Kommunen beteiligt sein sollen. Über die Fördervorschrift des § 20 c SGB V leisten insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Selbsthilfe.
Auch für Wirtschaftsunternehmen ist die finanzielle Unterstützung von gemeinnützigen Vereinen zu einem festen Bestandteil ihres gesellschaftlichen Engagements geworden. So gehen Wirtschaftsunternehmen, Pharmafirmen, Heil- und Hilfsmittelhersteller, Banken und auch Privatpersonen zunehmend auf Selbsthilfegruppen und –organisationen aus dem Bereich der Gesundheitsselbsthilfe zu und bieten an, ihre Arbeit finanziell zu fördern. Neben der klassischen Form durch Spenden ist zunehmend die Förderung durch Sponsoring vertreten.
Zwar bietet Sponsoring die Chance auf Einnahme zusätzlicher Mittel, es bleibt aber die Gefahr von Abhängigkeit und Einflussnahme der Geldgeber. Obgleich die Förderung durch Wirtschaftsunternehmen nur einen untergeordneten Anteil der Finanzierungsquellen der Selbsthilfeorganisationen in Deutschland ausmacht, ist sich die Selbsthilfe dieser Gefahr sehr bewusst.
Deshalb existieren seit dem Jahr 2003 die Leitsätze der Selbsthilfe im Umgang mit Wirtschaftsunternehmen. Diese sollen bei jeder Form der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen sicherstellen, dass die jeweilige Selbsthilfeorganisation die Kontrolle über die Inhalte ihrer Arbeit behält und unabhängig handeln kann. Diese Selbstverpflichtung des Dachverbandes und seiner Mitgliederorganisationen zur Einhaltung der Leitsätze, zusammen mit dem Monitoring-Verfahren zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Leitsätze sowie zur Ahndung von Leitsatzverstößen, sind unabdingbare Bausteine für die Unabhängigkeit der Selbsthilfe.
Die Leitsätze bieten nicht nur eine wichtige Orientierung für Selbsthilfeorganisationen dahingehend, welche Formen der Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen unbedenklich sind und von welchen Kooperationen Abstand genommen werden muss. Die Leitsätze enthalten auch Maßgaben hinsichtlich der Transparenz der Zuwendungen und für prozentuale Zuwendungsgrenzen. Um das Regelwerk mit Leben und Durchschlagskraft zu füllen, wurde es für alle Mitgliedsverbände verbindlich gemacht und die Umsetzung der Leitsätze wird durch die sogenannten Monitoring-Ausschüsse begleitet und überwacht.
Dieses Verfahren ist sehr aufwendig, weil die Kooperationsbeziehungen im Gesundheitswesen sehr kompliziert sind. Umfangreiche Beratungen der Verbände sind daher stets notwendig, denn nur wer Vorgänge und Zusammenhänge versteht, kann sich auch an Regeln und Grenzen halten. Leider sind diese umfassenden Beratungen aber nicht refinanziert und müssen von der BAG SELBSTHILFE und ihren Mitgliedern selbst getragen werden. Das stellt angesichts der knappen finanziellen Mittel eine ziemliche Herkulesaufgabe dar. Dennoch ist sich die BAG SELBSTHILFE als Verband von 116 Mitgliederorganisationen der Ernsthaftigkeit des Monitoringverfahrens bewusst und hat gerade auch deshalb auf der Mitgliederversammlung im April dieses Jahres dieses Verfahren ausdrücklich als eine der Kernaufgaben der BAG SELBSTHILFE festgelegt.
Selbsthilfeorganisationen sind Anlaufstellen, in denen Menschen auf Erfahrungswissen beruhende Informationen nachfragen können. Deshalb sind ihre neutrale Ausrichtung und ihre Unabhängigkeit von den Interessen und der Einflussnahme Dritter unabdingbar. Die Gesundheitsselbsthilfe ist sich dessen sehr bewusst und achtet daher bei ihrer Arbeit gezielt darauf, transparent zu sein, aber vor allem auch darauf, ihre Unabhängigkeit zu wahren und frei handeln zu können.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE) ist die Vereinigung der Selbsthilfeverbände behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland. Sie ist Dachverband von 120 bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen, 13 Landesarbeitsgemeinschaften und fünf Fachverbänden. Über ihre Mitgliedsverbände sind in der BAG SELBSTHILFE mehr als eine Million Menschen mit körperlichen, seelischen und geistigen sowie Sinnes-Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen zusammengeschlossen.