Uwe Klemens hat am 16. März 2016 den alternierenden Vorsitz des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands übernommen. Er löste damit Christian Zahn ab, der nach sechsjähriger Amtszeit den Staffelstab weiterreichte. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich Klemens in der Selbstverwaltung der Krankenkassen. Er ist Mitglied des Verwaltungsrats der Techniker Krankenkasse (TK) und bereits seit 2013 ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes. Von 2001 bis 2014 war er ver.di Landesbezirksleiter in Rheinland-Pfalz und nach der Fusion in gleicher Funktion bis zum 6. Februar 2015 im Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland. Im Interview spricht er über seine neue Rolle, Aufgaben und Herausforderungen in der Gesundheitspolitik.
Herr Klemens, mit welchen Erwartungen blicken Sie Ihrer neuen Aufgabe entgegen?
Uwe Klemens Ich erwarte mir von der Aufgabe viel Neues, weil die gesetzliche Krankenversicherung auf der Ebene des GKV-Spitzenverbandes einen sehr breiten Blick erfordert. Von Beruf bin ich Sozialversicherungsfachangestellter, damit ist mir quasi die Sozialversicherung von klein auf ins Blut übergegangen. Und sie hat mich auch die ganzen Jahre als hauptamtlicher Gewerkschafter begleitet. Im Grunde fühle ich mich durch das Leben vorbereitet. Die Herausforderung ist nun, die Interessen der Versicherten mit den Interessen der Ersatzkassen und deren Verband sowie den Interessen der anderen Kassen und damit des GKV-Spitzenverbandes überein zu bringen, und dies im Einklang mit den Arbeitgebern.
Wie schwierig wird es werden, Einigungen herbeizuführen, gerade angesichts des stärker werdenden Kassenwettbewerbs?
Dass es kassenartenübergreifend Probleme gibt, die sich an einigen Stellen auch potenzieren können, ist mir bewusst. Aber es gibt auch viele Themen, die uns als gesetzliche Krankenversicherung einen. Wir wollen alle die Versorgung der Versicherten besser gestalten, setzen uns für mehr Qualität und Transparenz ein, und auch bei der Umsetzung der aktuellen Reformpakete, zum Beispiel der Krankenhausreform, ziehen wir an einem Strang. Wir stehen vor einigen gesundheitspolitischen Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen. Wir brauchen beispielsweise Lösungen für die vielen Menschen, die jetzt im Zuge ihrer Flucht vor Krieg und Verfolgung zu uns kommen und auch gesundheitlich versorgt werden müssen. Auch das Vorhaben der Bundesregierung, die Ausbildung der Pflegeberufe zu akademisieren und zu generalisieren, müssen wir kritisch begleiten. Ich möchte diese Dinge angehen in Zusammenarbeit aller Beteiligten, wir müssen das Ganze sehen. Wir Krankenkassen sind eine Schicksalsgemeinschaft, und wir müssen versuchen, für alle Beteiligten eine Gesamtlösung zu finden, die für alle akzeptabel ist. Und das im Sinne der Versicherten.
Was motiviert Sie, als Gewerkschafter in der Selbstverwaltung als Versichertenvertreter aktiv zu sein?
In meinem Leben als Gewerkschafter war ich immer für die Menschen da, die Menschen spielen die Hauptrolle. Man begegnet in der Selbstverwaltung ganz unterschiedlichen Menschen, die auf ihre individuelle Weise Hilfe benötigen, von der allein erziehenden Mutter bis zum Kind, das an Adipositas leidet. Und in meiner Funktion als Gewerkschafter habe ich nicht darüber nachgedacht, was mich etwas kostet, sondern wie ich Lösungen finden kann. Und diese Erfahrung möchte ich nun als Versichertenvertreter einbringen. Denn Versicherte brauchen eine starke Lobby. Für sie ist die Selbstverwaltung als Sprachrohr unverzichtbar.
Wie schafft man mehr Transparenz über die Arbeit und Einfluss der Selbstverwaltung, auch mit Blick auf die anstehenden Sozialwahlen im nächsten Jahr?
Vieles in der Selbstverwaltung passiert im Stillen, was ja nicht bedeutet, dass sie nicht effektiv oder im Sinne der Versicherten arbeitet. Das weiß auch die Politik. Für die Öffentlichkeit ist es natürlich auch wichtig zu wissen, was die Selbstverwaltung leistet. Daher brauchen wir gute Rahmenbedingungen, unter denen wir gut arbeiten und unser Potenzial ausschöpfen und auch nach außen sichtbar machen können. Daher muss unser Anliegen sein, sowohl die Sozialwahlen als auch die Arbeit der Selbstverwaltung vernünftig auszugestalten und bekannter zu machen, zum Beispiel durch Internet, Newsletter und Nutzung der sozialen Medien, gerade auch, wenn man wie bei den Ersatzkassen in der Sozialwahl Urwahlen durchführt. Daran arbeiten wir.
Im Koalitionsvertrag hat man sich auf eine Stärkung der Selbstverwaltung verständigt. Inwieweit hat die Politik dieses Vorhaben umgesetzt?
Leider ist es derzeit so, dass der Staat seine ordnungspolitischen Aufgaben dazu nutzt, stärker in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung einzugreifen und Möglichkeiten abzuleiten, die ihm eigentlich nicht zustehen. Meiner Meinung nach ist dadurch der Einfluss der Selbstverwaltung gesunken, was eine problematische Entwicklung ist. Die Politik wäre gut beraten, wenn sie sich auf eine klare und verlässliche Rahmensetzung beschränkt und der Selbstverwaltung wieder mehr Gestaltungsspielraum gibt, zum Beispiel die Beitragsparität wiederherstellt.