Entlassmanagement

Patienten müssen im Mittelpunkt stehen

Das Entlassmanagement steht erneut im Fokus des Gesetzgebers und soll mit dem kommenden GKV-Versorgungsstärkungsgesetz einer weiteren Reform unterzogen werden. Hintergrund der Neuregelung ist, dass ein großer Teil der Kliniken immer noch kein funktionierendes und standardisiertes Entlassmanagement etabliert hat. Aus dem Krankenhaus entlassen werden die Patienten immer; aber wie sieht die Entlassung aus?

Eine Studie von 2005 hat ergeben, dass in Deutschland 60 Prozent der Patienten mit dem Entlassmanagement ihres Krankenhauses unzufrieden waren. In den USA lag die Unzufriedenheit hingegen bei nur 33 Prozent. Seit der DRG-Einführung hat sich das Entlassmanagement verbessert. Denn mit der Umstellung auf eine fallbezogene Vergütung wurde ein Anreiz für eine frühere Entlassung geschaffen. Damit dies möglich ist, muss das Krankenhaus für eine entsprechende Anschlussbehandlung sorgen. Dass das Entlassmanagement eine etablierte Aufgabe der Krankenhäuser ist, zeigt sich auch darin, dass der Gemeinsame Bundesausschuss jüngst das AQUA-Institut mit einer Konzeptskizze zur Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens zum Entlassmanagement beauftragt hat. Gleichwohl messen viele Krankenhäuser dem Entlassmanagement nicht die nötige Bedeutung zu. Im zunehmenden Wettbewerb der Kliniken stellt das Entlassmanagement ein wichtiges Marketinginstrument dar. Der Wettbewerbsvorteil der Krankenhäuser, die über ein funktionierendes Entlassmanagement verfügen, dürfte sich mit Blick auf die demografische Entwicklung und der zunehmenden Tendenz von Singlehaushalten in naher Zukunft noch signifikant erhöhen. Das Entlassmanagement stellt eine ureigene Aufgabe des Krankenhauses dar und fängt bereits bei der Patientenaufnahme an; hier muss die Weichenstellung für die spätere Anschlussversorgung erfolgen. Dazu ist ein entsprechendes teamübergreifendes Assessment erforderlich, das den Patienten beobachtet, den Weiterbehandlungsbedarf erkennt und die Entlassung entsprechend vorbereitet. Bei dieser Tätigkeit kommt vor allem dem Sozialmedizinischen Dienst der Krankenhäuser als Ansprechpartner für die Patienten und Angehörigen eine bedeutende koordinierende Rolle zu.

Für die Patienten stellen der Aufenthalt in und die Entlassung aus der Klinik oft einen einschneidenden Wendepunkt im Leben dar, der mit erheblichen Einbußen verbunden ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Patient einer langwierigen Rehabilitationsbehandlung – mit ungewissen Erfolgsaussichten – unterziehen muss oder pflegebedürftig wird. Daher muss der Patient im Mittelpunkt jeder Entlassung stehen; auf seine Erwartungen und Bedürfnisse muss das Krankenhaus empathisch eingehen.

Was konkret erwartet der Patient vom Entlassmanagement?

  • Er möchte schnell und sicher nach Hause gelangen und von Dritten versorgt werden, wenn er dazu noch nicht in der Lage ist.
  • Er möchte reibungslos und schnellstmöglich in eine Rehabilitationseinrichtung verlegt werden, um einen bestmöglichen Behandlungserfolg sicherzustellen.
  • Wenn er pflegebedürftig geworden ist, möchte er zügige und reibungslose Hilfe von einem ambulanten Pflegedienst oder in ein Pflegeheim übersiedeln.
  • Bei der Entlassung und der sich anschließenden Versorgung möchte er so wenige Formalitäten wie möglich erledigen. Er möchte die erforderlichen Arznei-, Heil- und Hilfsmittel sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am besten gleich bei der Entlassung erhalten.
  • Der Patient möchte, dass er schnellstmöglich Termine für eine Anschlussversorgung bei niedergelassenen Ärzten erhält.

Zu beachten ist, dass sich die Erwartungen je nach der persönlichen Situation des Patienten noch erhöhen dürften, beispielsweise wenn er bereits älter, alleinstehend oder mit der Situation schlichtweg überfordert ist.

Ein großer Teil der Kliniken verfügt über ein effektives Entlassmanagement; nur ein kleiner Teil hält kaum oder gar kein standardisiertes Entlassmanagement vor. So findet in medizinischer Hinsicht zum Teil etwa kein Abschlussgespräch mit dem Patienten oder keine Pflegeeinstufung für den Pflegedienst statt oder es werden keine Folgetermine mit dem Haus- bzw. Facharzt vereinbart. Treten in der Praxis Defizite auf oder möchte sich der Versicherte informieren, findet er Hilfe bei seiner Krankenkasse. Sie unterstützt ihn und die Krankenhäuser beim Entlassmanagement. Eine große Hilfe ist zum Beispiel auch der vdek-Pflegelotse, der Pflegebedürftige und Angehörige bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung unterstützt.  

Gesetzliche Änderungen

Das Entlassmanagement wurde bereits mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz reformiert: Hier wurde klargestellt, dass Entlassmanagement Teil der Krankenhausbehandlung ist. Mit dem anstehenden GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sollen die Krankenhäuser künftig Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel für den Zeitraum von sieben Tagen nach der Entlassung verordnen dürfen. Zudem sollen sie das Entlassmanagement auch auf ambulante Ärzte übertragen können. Das Nähere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen und zur Erbringung des Verordnungsrechts sollen der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Vereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft nunmehr in einer dreiseitigen Vereinbarung treffen. Die Änderungen gehen in die richtige Richtung, da insbesondere das Problem der sektorenübergreifenden Arzneimitteltherapie angegangen wird. Allerdings wird das Haupthemmnis beim Entlassmanagement nicht beseitigt. Die Herausforderung liegt vor allem in der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit der Leistungserbringer. Zur Überwindung dieser und anderer Schnittstellenprobleme bedarf es einer Plattform mit einer modernen Informations- und Kommunikationstechnologie; zu diesem Schluss kommt auch das Gutachten des Sachverständigenrats. Die Erfahrungen mit der elektronischen Gesundheitskarte zeigen aber, wie schwierig ein solches Vorhaben ist. Zudem bestehen hohe datenschutzrechtliche Hürden, die zunächst gesetzlich behoben werden müssten.

Ein weiteres Hemmnis liegt darin, dass der Patient nach wie vor in das Entlassmanagement einwilligen muss. Dies ist mitunter dann problematisch, wenn der Patient nicht ansprechbar ist und Personensorgeberechtigte nicht vorhanden oder nicht auffindbar sind. Auch die Einsetzung eines gerichtlich bestellten Betreuers nimmt einige Zeit in Anspruch. Daher sollte eine Einwilligung in solchen Fällen entfallen. Wünschenswert wäre, wenn die Krankenhäuser neben der Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen dürften; hierdurch ließe sich ein notwendiger Arztbesuch für den Versicherten vermeiden. Entsprechend sind die geplanten Änderungen zum Entlassmanagement noch zu modifizieren, um einen dauerhaften Drehtüreneffekt, d. h. die Wiederaufnahme von bereits entlassenen Patienten, zu vermeiden. Das Entlassmanagement stellt eine Selbstverständlichkeit dar und bedarf keiner Akademisierung oder besonderen zusätzlichen Qualifizierung der Krankenhausmitarbeiter. Es kann mit eingängigen, praktikablen Regeln und Leitlinien, die entsprechende Checklisten vorsehen, erfolgreich umgesetzt werden. Dies zeigt bereits der Umstand, dass die meisten Krankenhäuser ein wirksames Entlassmanagement etabliert haben. Es bleibt zu hoffen, dass auch der andere Teil der Krankenhäuser diesem Beispiel folgen wird.

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