Investitionskosten

Vom Abbau der Mischfinanzierung und den Folgen 30 Jahre danach

Grafik: Sehr hohes Krankenhaus wird noch höher gebaut.

Das zum 1. Januar 1985 wirksam gewordene Krankenhaus-Neuordnungsgesetz (KHNG) hat eine erste wirklich grundlegende Reform des aus dem Jahr 1972 stammenden Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) dargestellt. Damit jährt sich 2015 ein Datum, das insbesondere für die Investitionskostenfinanzierung einschneidend war. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Finanzierungsverantwortung der Bundesländer lohnt sich ein kleiner Rückblick auf dieses Jubiläum und seine Vorgeschichte.

Weder im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zur 18. Legislaturperiode noch auf der offiziellen Agenda der Ende Mai 2014 gebildeten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausstrukturreform war das Thema „Krankenhausinvestitionen“ ursprünglich zu finden. Dies stand in einem gewissen Gegensatz zur Realität der gesundheitspolitischen Probleme und zu den Erwartungen nahezu aller anderen Akteure im Gesundheitswesen. Denn die schon seit Jahrzehnten zu beobachtende mangelnde Bereitschaft der Bundesländer, ihrem Gesetzesauftrag insbesondere bei den Einzelfördermaßnahmen nachzukommen oder nachkommen zu können, hat nicht nur dazu geführt, dass der Anteil privater Klinikbetreiber mit ihrem vergleichsweise leichten Zugang zu den Kapitalmärkten stetig zugenommen hat. Die deutlich zu niedrige Investitionsfinanzierung der Länder ist vielmehr dafür verantwortlich, dass Kliniken ihre notwendigen investiven Mittel zu einem relevanten Anteil aus Mitteln der Krankenversicherungen aufbringen müssen. Die zur Gewohnheit gewordene Verpflichtung der Klinikträger, sich entgegen der gesetzlichen Regelung an Einzelfördermaßnahmen mit einem angemessenen Anteil beteiligen zu müssen, lässt sich kaum allein aus Wahlleistungserlösen realisieren. Das spätestens ab 1. Januar 2020 wirksam werdende Verbot der Nettokreditaufnahme („Schuldenbremse“) dürfte die Situation, sofern nichts geschieht, in den kommenden Jahren weiter dramatisieren.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat vor Kurzem wieder einmal einen Investitionsstau in den deutschen Kliniken von kumuliert rund 15 Milliarden Euro prognostiziert; jährlich seien 5,4 Milliarden Euro aufzubringen, um den aktuellen Investitionsbedarf zu decken. Zum Vergleich: Die Investitionslücke bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur wird auf rund 50 Milliarden Euro geschätzt. Gefordert wird daher schon länger und vielstimmig eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Krankenhausinvestitionen, wobei korrekterweise von einer Wiederbeteiligung des Bundes an der Krankenhausinvestitionsförderung gesprochen werden muss. Denn es ist vielfach schon in Vergessenheit geraten, dass sich bis Ende des Jahres 1984 der Bund mit de facto knapp einem Viertel an der Finanzierung der Krankenhausinvestitionen in Form von Investitionszuschüssen beteiligt hatte. Dabei konnten sogar gemäß § 22 Abs. 3 des damaligen KHG Finanzhilfen bis zu einem Drittel der vom Land oder den Gemeinden geleisteten Finanzmittel gewährt werden.

Mit dem Regierungswechsel im März 1983 wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 23. März 1983 der Forderung nach Stärkung der föderativen Ordnung und damit dem „kostenneutralen Abbau der Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern“ eine zentrale Bedeutung beigemessen und dabei zuallererst die Krankenhausfinanzierung in den Fokus genommen. Zur Neuregelung der Krankenhausfinanzierung wurde eine Expertengruppe gebildet, deren im Oktober 1983 vorgelegten Vorschläge jedoch als zu grundlegend und zu umfassend angesehen wurden, als dass sie die Zustimmung der Bundesländer hätten finden und somit mittel- oder gar kurzfristig realisiert werden können. Da sich die Bundesregierung jedoch im Februar 1984 mit ihrem Beschluss nochmals zum „Abbau der Mischfinanzierung“ bekannt hatte, wurden damit die Aktivitäten der Bundesländer erkennbar intensiviert, die „Krankenhausreform“ in ihrem Sinne nachhaltig zu beeinflussen.

Unter der Federführung von Bayern und Baden-Württemberg hatte die Konferenz der Ministerpräsidenten Anfang Juni 1984 eine Grundsatzentscheidung getroffen, mit der den Bundesländern die alleinige Kompetenz und Verantwortung für den Krankenhausbereich übertragen und lediglich die Rahmenregelungen zur bundeseinheitlichen Pflegesatzgestaltung dem Bund belassen werden sollte. Diese Position kam in einem Gesetzesantrag der beiden vorgenannten Bundesländer unter Beteiligung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 25. Juli 1984 zum Ausdruck und stand damit recht konträr zu dem vom damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) am 16. Juli 1984 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung. Die deutliche Position, Mischfinanzierungen aufzulösen, entsprach jedoch der langjährigen Forderung aller Bundesländer, konnte folglich auch im Krankenhausbereich nicht abgelehnt werden und stellte somit keinen Dissens dar. Zum Abbau der Mischfinanzierung bekannte sich dann auch noch einmal der Bundesrat durch einen einstimmigen Beschluss zu seinem Gesetzentwurf, der dem Deutschen Bundestag am 10. Oktober 1984 zugeleitet wurde. In der Begründung hieß es u. a.: „Der Gesetzentwurf legt deshalb nur die Grundsätze der öffentlichen Förderung und des Pflegesatzrechtes fest, ferner eine bundesrechtliche Rahmenvorgabe zur Krankenhausplanung. Mehr bedarf es nicht; Krankenhausbedarfsplanung ist im übrigen Ländersache.“ In einer Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf des Bundesrates heißt es daraufhin ein wenig süffisant u. a.: „Um den Krankenhausträgern den erforderlichen Vertrauensschutz zu vermitteln, genügt es nicht, die Verpflichtung zur Investitionsförderung in allgemeiner Form zu regeln und im übrigen auf künftige Regelungen im Landesrecht zu verweisen.“

Finanzierung abhängig von Haushaltslage

Gegen die Auflösung der Mischfinanzierung hatten sich nahezu alle im Krankenhauswesen tätigen Verbände einschließlich der Verbände der Krankenkassen ausgesprochen. Denn hier bestand insbesondere die Befürchtung, dass künftig noch weniger öffentliche Investitionsmittel für die Kliniken zur Verfügung gestellt werden und die Finanzierung allein von der wechselnden Haushaltslage der Länder abhängen werde. Ferner hieß es, dass das Fehlen einer bundeseinheitlichen Festlegung zur Höhe der Pauschalen nicht dazu beitrage, die Position der Gesundheitsministerien in den Haushaltsberatungen besonders zu stärken.

Im Oktober 1984 erreichte das Land Rheinland-Pfalz einen ersten Kompromiss über einen gemeinsamen Gesetzentwurf zwischen den sechs CDU/CSU-regierten Bundesländern und der Bundesregierung, der dann rund einen Monat später zwischen Bundesminister Norbert Blüm und dem Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß endgültig geformt wurde und schließlich die Weichen zur Verabschiedung des KHNG am 20. Dezember 1984 stellte. Mit dem Ausstieg des Bundes aus der Krankenhausinvestitionsfinanzierung war dies die erste grundlegende Reform des im Jahre 1972 verabschiedeten KHG. Es bleibt demnach festzustellen, dass die Übernahme der alleinigen Investitionsfinanzierungsverantwortung von den Bundesländern ausdrücklich gewollt wurde, auch wenn vielleicht das eine oder andere Bundesland dies nur als notwendige Konsequenz für die nahezu vollständige Übernahme der Kompetenzen und Verantwortung für „ihre“ Kliniken oder zur Verhinderung monistischer Finanzierungsbestrebungen betrachtet hatte. Schließlich war der Krankenhaussektor noch durch einen hohen Anteil von Kliniken in öffentlicher Trägerschaft geprägt.

Finanzierungsaufgaben des Bundes

Um den Ausstieg aus der Mischfinanzierung und die Übernahme des bisherigen Bundesanteils durch die Länder zu ermöglichen bzw. abzusichern, übernahm der Bund Finanzierungsaufgaben der Länder und entlastete somit diese in den Bereichen Wohnungsbauprämien, Wohngeld und bei der Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen im Umfang von gut 875 Millionen DM im ersten Jahr der Umstellung (1985). Dies entsprach allerdings nicht ganz dem Finanzierungsanteil des Bundes an der Krankenhausfinanzierung im Jahre 1983 (ca. 930 Millionen DM), bei einer Gesamtförderung von rund 4,25 Milliarden DM. Der Bund ging davon aus, dass die Finanzierungshilfen, trotz fehlender rechtlich verbindlicher Vorschriften zur Zweckbindung, auch weiterhin den Krankenhausinvestitionen zugutekommen.

Was ist aus diesen 930 Millionen DM (475,5 Millionen Euro) bzw. 4,25 Milliarden DM (2,2 Milliarden Euro) aus dem Jahre 1983 im Zeitablauf geworden? Die Mittel, die für die Hochschulmedizin aufgewendet oder von den Benutzern der Krankenhäuser in den neuen Bundesländern, insbesondere den gesetzlichen Krankenkassen, in Form von tagesbezogenen Investitionszuschlägen gezahlt wurden (und letztmalig 2014 gezahlt werden), bleiben bei dieser Betrachtung unberücksichtigt. Ebenso das allerdings zahlenmäßig bedeutungslose Volumen aus Investitionsverträgen nach § 18b KHG a. F. Fakt ist: Spätestens ab Mitte der 90er Jahre ist ein mehr oder minder kontinuierlicher Rückgang der KHG-Investitionskostenfinanzierung festzustellen. Während sie 1995 noch bei 3,8 Milliarden Euro lag, betrug sie zehn Jahre später nicht ganz 2,7 Milli-arden Euro. Um diesen Wert pendelte sie sich in den Folgejahren ein.

Reale Absenkung der Mittel

Das Fazit ist ernüchternd und korrigiert eine gern verbreitete These, die da heißt, dass die Bundesländer mit ihren Mitteln für die Krankenhausfinanzierung lediglich nicht mit den Mitteln der Krankenversicherungen haben Schritt halten können. Im Jahr 1987 und damit „nur“ von den damals elf Ländern der „alten“ Bundesrepublik wurden investive Mittel im Umfang von knapp 2,4 Millionen Euro aufgebracht. 25 Jahre später im Jahr 2012 wurden rund 2,7 Milliarden Euro – also lediglich etwa 300 Millionen Euro mehr – nun aller-dings für die Kliniken in allen 16 Bundesländern bereitgestellt. Die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eingetretenen Veränderungen im Preisniveau bedeuten – inflationsbereinigt – eine extrem reale Absenkung der Mittel. Allerdings haben sich die Bundesländer recht unterschiedlich aus der Investitionskostenförderung zurückgezogen. Ein Vergleich der Zeiträume 1991 bis 1995 sowie 2007 bis 2011 zeigt, dass die Krankenhausinvestitionsmittel je Einwohner nur in Hamburg, und leicht in Schleswig-Holstein und Hessen, nominell an-gestiegen sind, hingegen in den ostdeutschen Bundesländern und in Baden-Württemberg nominell erheblich abgenommen haben. 30 Jahre nach dem KHNG haben sich die „Stärkung der föderativen Ordnung“ und der Abbau der Mischfinanzierung für die Kliniken und indirekt auch für die Krankenversicherungen als sehr nach-teilig erwiesen. Ob sich der Bund angesichts der aktuellen Situation bereitfinden wird, wieder in die Mischfinanzierung einzusteigen, und wenn ja, unter welchen Bedingungen, sind Fragen, zu denen von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Antwort erwartet wird.

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