Eckpunkte der Bund-Länder-AG

Große Koalition - kleine Reform

Illustration: Großes Paket mit der Aufschrift "Reformpaket". Auf dem Paket stehen kleine Krankenhäuser.

Seit 2003 hat es zahlreiche gesetzliche Regelungen für den Krankenhaussektor gegeben, die die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) begleitet haben. Von der vollständigen Vergütung aller Krankenhausleistungen über das DRG-System ist man dabei längst abgerückt. Diverse Ausnahme-regelungen haben das System durchlässig gemacht und den Krankenhäusern weitere Einnahmemöglichkeiten bereitet. Große Baustellen, wie die Investitionsfinanzierung, die Mengenproblematik, die fehlende Qualitätsorientierung und sektorale Barrieren sind entstanden, die auf eine Lösung warten.

Die Erwartungen an eine Krankenhausreform waren entsprechend groß und unterschiedlich zugleich. Die Bund-Länder- Arbeitsgruppe hat nun Eckpunkte zur Krankenhausreform vorgelegt, die im Ergebnis eine tiefer ausformulierte Variante des Koalitionsvertrages darstellen. Der einzig neue Punkt ist die Einführung eines Restrukturierungsfonds, was allerdings auch schon in den Entwürfen des Koalitionsvertrages gestanden hatte.

Von einer großen Krankenhausreform erwartet man Weichenstellungen und dass sie die grund- legenden Fragen anspricht, etwa die einer monistischen oder dualen Finanzierung sowie einer Planungs- oder Wettbewerbsorientierung. Die Eckpunkte der Bund-Länder-AG gehen diesen Grundsatzfragen aus dem Weg. Die Planung bleibt bei den Ländern und soll eine Qualitätsorientierung erfahren. Gleichzeitig sollen Wettbewerbsinstrumente für ausgewählte Bereiche ermöglicht werden. Von allem ein wenig, so die Devise. Der Koalitionsvertrag sah noch vor, dass die Länder ihre Investitionsquoten der letzten drei Jahre nicht unterschreiten sollen. Gemessen am heutigen Stand dürfte es auch moralisch schwer fallen, die Quoten zu unterbieten und gleichzeitig von dualer Finanzierung zu sprechen. Nun soll es nur noch einen Restrukturierungsfonds geben.  

Reformpakete

Gleich zu Beginn der Ausführungen wird auf die Bedeutung des Krankenhaussektors in der Gesundheitsversorgung und auf die über eine Million Beschäftigten verwiesen. Wer gehofft hatte, dass mit der anstehenden Reform die Überkapazitäten beseitigt und die ökonomisch motivierte Leistungsausweitung gestoppt werden sollten, dürfte bereits zu Beginn die Enttäuschung auf sich zukommen sehen. Ebenso wurde mit dem Hinweis auf die nachhaltige Sicherung der Betriebskosten klar, dass sich die Länder nicht die Finanzierungsverantwortung nehmen lassen wollen. Insofern bleibt es bei folgenden Überlegungen: Qualität soll als viertes Kriterium für die Krankenhausplanung gesetzlich verankert werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll hierzu Qualitätsindikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität entwickeln. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn aufgrund der Problematik ökonomisch motivierter Fallzahlsteigerung die Indikationsqualität explizit Erwähnung gefunden hätte.

Die Vorgaben des G-BA zur Qualität und Qualitätssicherung sollen für die Krankenhäuser zu verbindlichen Vorgaben werden. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kann durch ungemeldete Kontrollen die Einhaltung der Qualitätsvorgaben überprüfen. Es bleibt zu hoffen, dass der G-BA in Sachen Sanktionen Handlungsfähigkeit beweist. Positiv ist, dass das Instrument der seit Jahren existenten Mindestmengen nunmehr rechtssicher ausgestaltet werden soll. Damit wird sichergestellt, dass Krankenkassen Leistungen nicht mehr bezahlen müssen, wenn Krankenhäuser im Vorjahr die entsprechenden Mindestmengen nicht erfüllt haben.

Qualität: Zu- und Abschläge

Die Qualität der stationären Versorgung soll gefördert werden. Dabei will sich der Gesetzgeber des Instrumentes von Zu- und Abschlägen bedienen, die bei guter oder unzureichender Qualität Anwendung finden sollen. Die Länder sollen bei Anwendung informiert werden, damit sie landesplanerische Konsequenzen ziehen können. Zu- und Abschläge verbessern nicht die Qualität der Versorgung. Insbesondere den Ersatzkassen ist es wichtig, nicht von schlechter Qualität durch geringe- re Entgelte monetär zu profitieren. Dauerhaft schlechte Qualität muss von der Versorgung ausgeschlossen werden; sei es, dass einzelne Leistungen nicht mehr erbracht werden dürfen oder auch im Extremfall ganze Abteilungen geschlossen werden.

Sicherstellungszuschläge sollen Krankenhäusern gezahlt werden, wenn die Vorhaltung von Kapazitäten aufgrund eines geringen Versorgungsbedarfs nicht kostendeckend über die Fallpauschalen finanzierbar ist. Sicherstellungszuschläge werden nicht mehr in den landesweiten Preisen absenkend berücksichtigt. Angesichts jahrzehntelanger rückläufiger Investitionsförderungen der Länder an die Krankenhäuser wird auch hier auf eine Finanzierung durch die Beitragszahler ausgewichen. Die Länder haben den Sicherstellungsauftrag und die Krankenkassen zahlen die Sicherstellungszuschläge.

Der G-BA soll ein gestuftes System der vorgehaltenen Notfallstrukturen festlegen. Die Länder können planungsrechtlich bestimmen, welche Krankenhäuser an der Notfallversorgung teilnehmen. Die Idee, Notfallstrukturen zu definieren und im Krankenhausplan vorzugeben, ist längst überfällig. Damit kann auch eine bessere Kalkulation bzw. Abbildung der Aufwendungen für die Notfallversorgung im DRG-System erfolgen. Bedauerlich ist, dass die Länder diese sinnvollen bundesweiten Vorgaben nicht verbindlich anwenden müssen.  

Zentren sollen einerseits im Krankenhausplan ausgewiesen und andererseits besonders vergütet werden. Dabei wird der Zentrumsbegriff ausgeweitet. Er umfasst künftig nicht mehr allein einrichtungsübergreifende besondere Aufgaben. Ein Zentrum ist eine Einrichtung, die sich durch Wahrnehmung spezieller Aufgaben von normalen Krankenhäusern abhebt. Die planerische Ausweisung ist angesichts der Tatsache, dass heute rechnerisch jedes achte Krankenhaus schon den Zentrumsbegriff für sich in Anspruch nimmt, dringend geboten. Ob damit der inflationären Verwendung des Begriffs Einhalt geboten wird, hängt von der Stringenz der Länder ab. Der Mehrwert für die Versorgung bleibt ebenso abzuwarten. Fest steht, es kommen zusätzliche Belastungen auf die Beitragszahler zu.

Mehrkosten, die aus der Umsetzung der Beschlüsse des G-BA resultieren, sollen künftig gesondert finanziert werden, sofern sie in der DRG-Kalkulation und in den Landesbasisfallwerten nicht enthalten sind. Problematisch ist, dass nicht klar ist und äußerst gegensätzliche Auffassungen existieren, was derzeit finanziert oder nicht finanziert wird.

Neue Instrumente zur Vermeidung ökonomisch motivierter Fallzahlsteigerungen oder Leistungsausweitungen wird es nicht geben. Stattdessen sollen die Absenkung der landesweiten Entgelte bei Mengensteigerungen und damit die Kollektivhaftung abgeschafft werden. Nur das einzelne Krankenhaus, das für eine Mengensteigerung verantwortlich ist, soll reduzierte Entgelte abrechnen müssen. In der Regelungsbeschreibung geht die Bund-Länder-Arbeitsgruppe noch von einer kostenneutralen Umsetzung aus. Im Finanztableau werden aber schon Mehrkosten von 140 bzw. 280 Millionen Euro in 2017 bzw. 2018 erwartet. Dauerhaft dürfte nicht nur die technische Verlagerung der Mengendegression von der Landes- auf die Hausebene zu Mehrkosten führen. Die Fallzahlen und das Leistungsniveau werden einen zusätzlichen ökonomisch motivierten Impuls bekommen. Die Indikationsqualität wird schlechter und die Finanzlage der Krankenhäuser besser.

Mit der DRG-Einführung wurde der Einstieg in ein landesweites Festpreissystem möglich. Ein Anreiz für die Krankenhäuser, insbesondere Pflegepersonal abzubauen. Gewinne wurden zur Finanzierung der Investitionslücken genutzt oder kamen den Krankenhausträgern bzw. Aktionären zugute. Die Bundesregierung hatte für 2009 ein mehrjähriges Pflegesonderprogramm aufgelegt. In der Praxis wurde Personal eingestellt und gleichzeitig wieder abgebaut. So ein Förderprogramm ist nun erneut vorgesehen.

Restrukturierungsfonds zum Abbau von Überkapazitäten

Alternativ hätte der Gesetzgeber dem G-BA unter Fristsetzung den Auftrag geben sollen, Mindestvorgaben für die Pflegebesetzung vorzugeben. Krankenhäuser, die diese Mindestvorgaben nicht erfüllen, hätten Abschläge von den Vergütungen erhalten können. Ebenso hätten die Krankenhäuser verpflichtet werden können, Personalbesetzungszahlen, u. a. im Nachtdienst an Wochenenden und in der Notfallbehandlung, in verständlicher und vergleichbarer Form (z. B. im Internet) zu veröffentlichen. Im Rahmen der Investitionsfinanzierung fließen jeweils etwa 500 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds und Ländermitteln in einen Restrukturierungsfonds. Der Fonds hat den Zweck, die Versorgungsstruktur zu verbessern, Überkapazitäten abzubauen und die Konzentration von Krankenhausstandorten und stationären Versorgungsangeboten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre lokale Versorgungseinrichtungen (z. B. Gesundheits- oder Pflegezentren) zu fördern. Das Bundesversicherungsamt soll entsprechende Anträge prüfen und die Mittel zuweisen.

Der Fonds reagiert auf die träge Krankenhausplanung der Länder, die die Kapazitäten am Bedarf vorbei fortgeschrieben haben und auf demografische und regionale Veränderungen nicht eingegangen sind. Leistungsstrukturen und Kapazitäten werden durch die finanziellen Interessen der Krankenhausträger bestimmt, ermöglicht durch das landesweite Festpreissystem. Dies bedarf einer grundlegenden Neuerung, wozu aber Bund und Länder nicht bereit zu sein scheinen.

Finanzielle Auswirkungen

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe geht von Mehrausgaben gegenüber 2015 von 900 Millionen Euro in 2016, von 1,3 Milliarden Euro in 2017 und 1,6 Milliarden Euro in 2018 aus. Die tatsächliche Belastung der Beitragszahler dürfte höher ausfallen. Die gesetzliche Krankenversicherung geht in den ersten drei Jahren von darüber hinaus gehenden zusätzlichen Belastungen der Beitragszahler von insgesamt etwa 500 Millionen Euro aus.

Es ist gut, dass nun auch die Bundesregierung eine eigene Qualitätsoffensive startet. Wünschenswert wäre gewesen, dass die Länder die Qualitätsanstrengungen auch gegen sich gelten lassen und verbindlich anwenden müssten. Stattdessen werden sie zu nichts verpflichtet – auch nicht dazu, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen – und bekommen mehr Rechte. Für Versicherte bleibt abzuwarten, ob sich Versorgungsqualität und Patientensicherheit verbessern werden. Auf sie werden anhand der Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe jedoch erhebliche beitragssatzrelevante Belastungen zukommen.

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