DAK-Studie

Nur wenige zu häuslicher Pflege bereit

Illustration: Frau schiebt Ehemann im Rollstuhl, links ein Weg zum Pflegeheim, rechts ein Weg zum Eigenheim mit Pflegedienst.

Nur ein knappes Drittel der Deutschen wäre bereit, Angehörige zu Hause zu pflegen. Das zeigt eine Studie im Auftrag der DAK-Gesundheit. Gleichzeitig hat die große Mehrheit potenziell Pflegebedürftiger den Wunsch, im Pflegefall in der häuslichen Umgebung betreut zu werden. Die aktuelle Pflegereform will diesen Gegensatz zwischen den Interessen aufweichen.

Seit Anfang dieses Jahres ist das erste Pflegestärkungsgesetz in  Kraft, das unter anderem die Situation pflegender Angehöriger erleichtern soll. So sieht das Gesetzespaket eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vor: Wer pflegt, kann für eine bestimmte Zeit Lohnfortzahlungen in Anspruch nehmen, die ähnlich dem Kinderkrankengeld funktionieren. Doch wie stehen die Deutschen zum Thema Pflege bzw. zu den konkreten Maßnahmen mit Blick auf die Angehörigen- Pflege?

Eine repräsentative Umfrage des Instituts Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit hat ergeben: Weniger als ein Drittel der deutschen Bevölkerung (29 Prozent) kann sich vorstellen, Angehörige zu Hause zu pflegen. 17 Prozent aller Befragten würden, wenn es zu einem Pflegefall in der Familie kommt, für den Pflegebedürftigen einen Platz im Pflegeheim suchen. Der überwiegende Teil, nämlich 43 Prozent, würde hingegen eine andere Lösung suchen. Das könnte zum Beispiel eine Pflegekraft sein, die regelmäßig zur Betreuung ins Haus kommt.

Ein genauerer Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass die Bereitschaft, Angehörige zu Hause zu pflegen, von bestimmten Faktoren abhängt. So lassen sich beispielsweise Unterschiede zwischen unterschiedlichen Altersstufen ausmachen. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen gaben knapp 40 Prozent an, Angehörige im Pflegefall selbst betreuen zu wollen. Bei den unter 30-Jährigen waren es dagegen nur 16 Prozent, die dazu bereit wären – in dieser Altersgruppe setzt ein Viertel der Befragten auf Heimbetreuung. Ein weiterer Einfluss ist das Geschlecht. Bei den Frauen zeigte sich mehr als ein Drittel bereit, häusliche Pflege zu übernehmen. Bei den Männern war es lediglich ein gutes Viertel.

Milorad Pajovic leitet den Bereich Pflege bei der DAK-Gesundheit. „Die Pflege von Angehörigen verstehen viele noch immer als Aufgabe der Frau“, kommentiert er das Ergebnis der Forsa-Umfrage. „Ich hoffe, dass sich das mit dem Pflegestärkungsgesetz ändern wird.“ Dass ältere Menschen eher als jüngere bereit sind, Angehörige zu pflegen, überrascht Pajovic ebenfalls nicht. „Je älter man wird, desto eher setzt man sich mit diesem Thema auseinander“, sagt er. „Für junge Menschen ist Pflege oft noch zu weit weg. Ich möchte aber dafür werben, dass man sich trotzdem damit beschäftigt.“ Ein Pflegefall könne jederzeit überraschend eintreten – unabhängig vom Alter. „Umso besser ist es, wenn man dann vorbereitet ist“, sagt Pajovic.

Beruf und Pflege sind schwer zu vereinbaren

Aus welchem Grund wollen Menschen ihre Angehörigen nicht pflegen? Ein Drittel derer, für die häusliche Pflege nicht infrage kommt, gab an, dass es nicht mit ihrem Berufsleben vereinbar wäre, sich um einen Pflegefall zu kümmern. Vorwiegend Männer, jüngere Menschen und solche mit höherem Bildungsstand sagten dies. Bei einem weiteren Drittel stehen private Gründe der häuslichen Pflege entgegen – hier wiederum waren Frauen und über 50-Jährige in der Überzahl. Und 25 Prozent würden prinzipiell keine häusliche Pflege übernehmen, unabhängig von den Anforderungen, die Beruf und Privatleben stellen. Analog zur prinzipiellen Bereitschaft zur Pflege waren auch bei dieser letzten Antwort jüngere Menschen unter 30 Jahre häufiger vertreten. Westdeutsche sagten dies häufiger als Ostdeutsche. „Über die Gründe kann man nur mutmaßen“, so Pajovic. „Aber es lässt zumindest darauf schließen, dass die Familie im Osten eine etwas andere Bedeutung hat als im Westen – oder sich mehr Leute eine Mehrfachbelastung vorstellen können.“

Neben der hypothetischen Ebene  hat die Befragung auch erhoben, wie genau die Menschen über die Wünsche ihrer Angehörigen informiert sind. Nur wenige wissen es genau. Ein knappes Drittel hat mit den engsten Angehörigen darüber gesprochen, wie diese im Ernstfall betreut werden möchten. Ein Drittel ist darüber nicht informiert. Der Hauptgrund dafür ist, dass bislang der Anlass fehlte, das Thema anzusprechen. 35 Prozent meiden das Thema bewusst, entweder weil es ihnen selbst Angst macht oder weil die Familie nicht darüber sprechen will. Pajovic hat Verständnis dafür: „Pflegebedürftigkeit, Alter und damit auch das Ende eines Lebens sind natürlich Themen, mit denen sich niemand gern auseinandersetzt“, sagt er. „Allerdings bringt es niemandem etwas, das Thema Pflege mit einem Tabu zu belegen.“ Nur wer darüber spreche, könne auch die Form finden, mit der individuellen Situation umzugehen und letztlich der pflegebedürftigen Person ein schönes und würdiges Leben zu schaffen. Viele wollen zu Hause gepflegt werden Drei Viertel derer, die darüber sprechen, nannten die häusliche Pflege als Wunsch ihrer Angehörigen. Angesichts dessen, dass nur ein Drittel aller Befragten dazu bereit wären, tut sich hier ein brisanter Gegensatz zwischen den Interessen von Angehörigen und potenziell Pflegebedürftigen auf. Pajovic: „Das Ergebnis zeigt, dass die Pflegereform überfällig ist. Die Rahmenbedingungen für häusliche Pflege müssen verbessert werden, damit mehr Menschen dazu bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen.“ In ein Pflegeheim wollen nur 14 Prozent, noch weniger können sich vorstellen, in einer Wohngemeinschaft mit anderen Pflegebedürftigen zu leben. Auch diese bislang noch verhältnismäßig seltene Form der Unterbringung soll mit der Pflegereform gestärkt werden.

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