Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung auf den Weg gebracht. Dieses enthält viele gute Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung im Hilfsmittelbereich – aber auch Kostenrisiken, wie das Blankorezept für Heilmittel.
Benötigt ein Patient z. B. ein Hörgerät, so geht er mit einem Rezept des Arztes zum Hörgeräteakustiker und bekommt dort ein Gerät „seiner Wahl“ – leider oft mit erheblichen Aufzahlungen. Was der Patient vielleicht nicht wusste: Es gibt hochwertige Hörgeräte, für die kein Euro Aufzahlung fällig geworden wäre. Das will die Bundesregierung ändern. Die Hilfsmittelerbringer sollen künftig besser beraten und die Beratung dokumentieren. Die Patienten sollen grundsätzlich zudem die Wahl zwischen mehreren aufzahlungsfreien Produkten bei Rollatoren, Inkontinenzartikeln oder anderen Hilfsmitteln haben. Wenn die Krankenkassen ihre Produkte ausschreiben, dürfen neben dem Preis Qualitätsaspekte stärker Berücksichtigung finden. Mindestens 40 Prozent der Kriterien sollen auf die Qualität fallen. Und schließlich soll das Hilfsmittelverzeichnis mit den dort 35.000 Produkten aktualisiert werden. All das sind sinnvolle Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungsqualität.
Die Kostenrisiken sind nicht zu unterschätzen.
Kritischer sind dagegen die angedachten Neuregelungen im Heilmittelbereich. So soll es flächendeckende Modellvorhaben geben, in denen Ärzte ihren Patienten nur noch ein Blankorezept aushändigen. Physiotherapeuten und weitere Heilmittelerbringer sollen dann die Art, Dauer und Frequenz der Therapie näher konkretisieren. Hört sich gut an, doch die Kostenrisiken sind nicht zu unterschätzen. Denn wer soll künftig die Mengen- und Ausgabenentwicklung steuern? Die Verantwortung müsste von den Ärzten auf die Heilmittelerbringer übergehen. Das impliziert auch die Festlegung von Ausgabenobergrenzen und die Einführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen, wofür es wiederum neuer Strukturen bedarf. Deshalb wäre es besser, erst die Ergebnisse schon laufender Modellvorhaben zum Blankorezept abzuwarten.
Auch die bisherigen Orientierungen der Vergütungsvereinbarungen für Heilmittelerbringer an die Grundlohnsumme sollen fallen. Dies birgt das Risiko, die Heilmittelversorgung deutlich zu verteuern. Im Jahr 2015 stiegen insbesondere bedingt durch eine Steigerung der Verordnungen die Ausgaben um 7,2 Prozent und überschritten die Schwelle von sechs Milliarden Euro. Ab 2016 greift die gesetzliche Neuregelung zur Angleichung des historisch unterschiedlichen Preisniveaus zwischen den Krankenkassen in den einzelnen Bundesländern. Dieser bis 2021 geltende Sondertatbestand sollte zunächst vollzogen und bewertet werden, bevor wirksame Steuerungsinstrumente wie die Grundlohnanbindung über Bord geworfen werden.
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