Die Politik will den Krankenkassen verbieten, Ausschreibungen von patientenindividuell hergestellten Zytostatika vorzunehmen. So sieht es der Kabinettsentwurf zum Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV – kurz AM-VSG – vor.
Dieses Verbot ist nicht nachvollziehbar. Denn eigentlich soll die Versorgung durch die Ausschreibungen qualitativ besser, transparenter und auch wirtschaftlicher werden. Die Entscheidung geht auf erfolgreiche Lobbyarbeit der Apothekenverbände zurück. Diese behaupten das Entstehen eines Versorgungsnotstands und versuchen seit Monaten Einfluss auf Ärzte, Politik und Krankenkassen zu nehmen, um Ausschreibungen zu verhindern. Worum geht es bei dem Streit? Bei den ausgeschriebenen Arzneimitteln handelt es sich um patientenindividuell aus Fertigarzneimitteln hergestellte Lösungen für die Behandlung krebskranker Patienten. Diese werden von niedergelassenen Onkologen in ihrer Praxis verabreicht. 3,2 Milliarden Euro wurden dafür in 2015 von den Krankenkassen ausgegeben. Eine stolze Summe, vor allem wenn man bedenkt, dass nur etwa 300 von 20.000 Apotheken die Voraussetzungen für die Herstellung solcher Infusionen erfüllen. Hinzu kommen die Krankenhausapotheken. Eine lukrative Einnahmequelle für die beliefernden Apotheken, denn diese dürfen zwar mit den Pharmaherstellern über den Preis verhandeln, geben erzielte Rabatte aber nur teilweise an die Krankenkassen weiter.
Die Motive der Apothekenverbände, die Ausschreibungen derart zu tabuisieren, sind wohl finanzieller Natur.
Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber daher 2009 die Möglichkeit von Ausschreibungen eingeführt. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) das Vorgehen der Krankenkassen bestätigt hat, haben die Ersatzkassen in diesem Jahr mit Ausschreibungen gestartet. Dabei nutzen sie die Möglichkeit, in den Verträgen mit den Lieferapotheken auch Qualitätskriterien festzulegen. Nur die Apotheke, die die Befähigung nachweist, die hochwirksamen Rezepturen in einem vorgegebenen Zeitfenster unter Beachtung höchster Qualitätskriterien herzustellen, kann mit einem Zuschlag im Bieterverfahren rechnen. Die Motive der Apothekenverbände, die Ausschreibungen derart zu tabuisieren, sind daher wohl eher finanzieller Natur. So hat der Deutsche Apothekerverband (DAV) jüngst den Versuch unternommen, den Krankenkassen Alternativen zu Ausschreibungen mit einem finanziellen Einsparvolumen von ca. 110 Millionen Euro pro Jahr anzubieten. Dies entspricht jedoch nicht einmal fünf Prozent der zurzeit abgerechneten Kosten in diesem Bereich und liegt somit weit unter dem, was aufgrund von Erfahrungen des GKV-Systems realisierbar wäre. So konnten bei bisherigen Ausschreibungen neben dem Gewinn an Qualität und Sicherheit für die Patienten auch Einsparungen in einer Größenordnung zwischen 20 und 30 Prozent der Gesamtausgaben erzielt werden.
Das von der Politik vorgetragene Argument, die Ausschreibungen verhinderten die freie Apothekenwahl der Versicherten, entspricht im Übrigen nicht der Versorgungsrealität. Denn nicht die Patienten haben in der Vergangenheit die Apotheke ausgewählt, sondern der behandelnde Arzt. Die Politik sollte daher von dem geplanten Verbot Abstand nehmen und ein sinnvolles Instrument zur Arzneimittelsteuerung nicht leichtfertig aus den Händen geben.
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