Volle Intensivstationen, extrem belastetes Personal, zumindest anfänglich ein spürbarer Mangel an Schutzausrüstung während der Corona-Pandemie – welche Auswirkungen dies auf das Auftreten von nosokomialen Infektionen gehabt hat, untersucht der Krankenhausreport 2021 der BARMER.
Das Corona-Jahr 2020 war für die Krankenhäuser in Deutschland ein wahrer Stresstest. Im aktuellen Krankenhausreport der BARMER, der Anfang September 2021 in Berlin vorgestellt wurde, ging es um ein Thema, das mit der Pandemie noch einmal an Brisanz gewonnen hat, die sogenannten nosokomialen Infektionen. Solche im Krankenhaus erworbenen Infektionen sind für die Kliniken seit Langem eine medizinische Herausforderung, auch ohne die besonderen Bedingungen einer Pandemie. Pro Jahr erwerben in Deutschland bis zu 600.000 Patientinnen und Patienten eine derartige Infektion. Bis zu 15.000 sterben daran. Dabei wäre fast jede dritte dieser Infektionen durch eine bessere Hygiene vermeidbar, was die Wichtigkeit entsprechender Hygienemaßnahmen im stationären Bereich unterstreicht.
Das Schwerpunktthema des aktuellen Krankenhausreports der BARMER hat damit höchste Aktualität, denn es geht der Frage nach, wie sich die Pandemie auf das Infektionsgeschehen in den Krankenhäusern auswirkte. Dabei zeigte sich: Von März bis Ende des Jahres 2020 gab es hochgerechnet etwa 34.000 zusätzlich Infizierte und bis zu 1.300 weitere Todesfälle aufgrund einer nosokomialen Infektion. Dies ist angesichts der verschärften Hygienemaßnahmen in der Pandemie nur auf den ersten Blick ein überraschendes Ergebnis. Denn gerade während der ersten Welle lagen vor allem ältere und kränkere Menschen auf den Stationen, die deutlich anfälliger für Infektionen sind. Zusätzliche Faktoren sind sehr wahrscheinlich die hohe Arbeitsbelastung des Klinikpersonals, der zunehmende Stress und die Angst um die eigene Gesundheit. Aufgrund der anhaltenden Brisanz muss das Thema Krankenhaushygiene ein nationales Gesundheitsziel werden. Ausgangspunkt für die Lösung des Problems ist zunächst aber eine sehr gute Datengrundlage.
Keine Kritik am Krankenhauspersonal
BARMER-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. med. Christoph Straub stellte bei der Präsentation des Krankenhausreports klar, dass es nicht um Kritik an den Menschen gehe, die im Krankenhaus oft bis an ihre Belastungsgrenzen gingen, um ihre Patientinnen und Patienten zu versorgen. In die gleiche Richtung argumentierte Prof. Dr. Boris Augurzky, Autor des Krankenhausreports und Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI – Leibniz- Institut für Wirtschaftsforschung in Essen: „Das Krankenhauspersonal war während der Corona-Pandemie offenbar so belastet, dass es die hohen Hygienestandards nicht immer vollständig einhalten konnte.“
Zusatzkosten zulasten der Versichertengemeinschaft
Augurzky verdeutlichte zugleich, wo die Autorinnen und Autoren des Reports die Ursachen für steigende Infektionszahlen sehen. Diese können neben der veränderten Patientenstruktur und vulnerablen Fällen auch auf die erhöhte Arbeitsbelastung in Kliniken und Personalausfälle zurückgeführt werden. Denn auch wenn man die veränderte Patientenstruktur in den Berechnungen gesondert berücksichtige, zeige sich ein Anstieg des Infektionsgeschehens um fast zehn Prozent in der ersten Pandemiewelle und um 17,5 Prozent in der zweiten Welle bis Ende des vergangenen Jahres (siehe Abbildung). Die Behandlung solcher Infektionen sei mit jährlich rund 1,5 Milliarden Euro an Zusatzkosten extrem teuer für die Versichertengemeinschaft.
Masterplan für mehr Hygiene
Die Lösung des Problems sieht BARMER-Chef Straub in einem Masterplan für mehr Hygiene, der unter anderem eine intensive Auseinandersetzung mit Klinikhygiene in der pflegerischen und ärztlichen Ausbildung beinhaltet. Dieses Wissen müsse im Berufsalltag vertieft und zur Routine werden. Dazu bedürfe es verlässlicher Verfahren und Strukturen. Teil dessen seien geschulte Hygienefachkräfte, die die Einhaltung von Hygienestandards überwachten und bei Bedarf weiterentwickelten.
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