Wissenschaftskommunikation

Falschinformation nachhaltig bekämpfen

Die Corona-Pandemie hat das Vertrauen zwischen Bürger*innen und der Wissenschaft auf die Probe gestellt, trotzdem bleibt es hoch. Um das Vertrauen auch weiterhin zu festigen, muss die Wissenschaftskommunikation strategisch vorgehen. Doch im Kampf gegen Falschmeldungen und Verschwörungsmythen braucht es auch den Schulterschluss mit Forschung und Politik.

Illustration: Bekämpfung von Fehlinformationen

Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft vor eine ganze Reihe von Herausforderungen gestellt – wirtschaftliche, politische und soziale. Als besonders schwierig stellten sich die Bereitstellung vertrauenswürdiger Informationen für die Bevölkerung sowie die Erhaltung eines sachlichen, faktenbasierten Diskurses dar. Im Minutentakt wurden neue Konzepte vorgestellt, erschienen Schlagzeilen und Berichte über Infektionsraten, R-Werte, Maßnahmen für den Umgang mit dem Virus und – nicht zuletzt – persönliche Schicksale. Unter viele wichtige und faktenbasierte Informationen mischten sich verstärkt auch Desinformationen und Verschwörungsmythen.

Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sprach deshalb bereits im Februar 2020 davon, dass nicht nur eine Pandemie bekämpft werden müsse, sondern auch eine Infodemie. Konfrontiert mit diesem schieren Überangebot an Informationen fällt es zunehmend schwerer, zwischen Relevantem und Irrelevantem, zwischen Wahrheit und Fake News zu unterscheiden. Dabei ist es gerade in Zeiten der Pandemie von entscheidender Bedeutung, dass sowohl Bürger*innen als auch die Politik ihre Entscheidungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse treffen und vertrauenswürdige von falschen Informationen differenzieren können. Schließlich hängen im schlimmsten Fall Leben davon ab. Die Diskussion um die Verbreitung von Desinformationen und Verschwörungsmythen ist also immer auch eine Debatte um konstruktive Diskussionen und Diskursräume. Der Wissenschaftskommunikation kommt dabei eine wichtige Rolle zu, insbesondere, wenn es darum geht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft zu festigen. Doch um dieses steht es keineswegs so schlecht, wie die mediale Berichterstattung über Coronaskeptiker*innen suggeriert: Bei der Erhebung des Wissenschaftsbarometers im November 2020 gaben 60 Prozent der Befragten an, Wissenschaft und Forschung eher oder voll und ganz zu vertrauen.

Infografik: Vertrauen in Wissenschaft und Forschung

Allerdings zeichnen sich in dieser Erhebung auch einige beunruhigende Entwicklungen ab. So gaben 15 Prozent der Befragten an, dass es aus ihrer Sicht keine Beweise für die Existenz des Virus gebe. Auf den ersten Blick mag die Gruppe der Skeptiker*innen als die entscheidende Zielgruppe der Wissenschaftskommunikation erscheinen. Jedoch wissen wir sowohl aus praktischen Erfahrungen als auch aus der Wissenschaftskommunikationsforschung, dass es ein fast aussichtsloses Unterfangen ist, die Einstellungen von Skeptiker*innen zu verändern. Deshalb ist in den letzten Jahren eine andere Zielgruppe in den Fokus gerückt: die der Unentschiedenen.

Diese Gruppe, die nicht sicher ist, ob sie Wissenschaft vertrauen kann, macht im Wissenschaftsbarometer regelmäßig 30 bis 40 Prozent der Befragten aus und ist damit deutlich größer als die Gruppe der Skeptiker*innen. Betrachtet man die Gruppe der Unentschiedenen genauer, besteht sie vorrangig aus Menschen, die älter als 40 Jahre sind. 42 Prozent von ihnen haben als höchsten Bildungsabschluss einen Hauptschulabschluss, während nur 15 Prozent das Abitur haben. Die Daten helfen auch dabei, diese Menschen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten: Wir wissen beispielsweise, dass sich die Zielgruppe insbesondere über Regionalzeitungen zu tagesaktuellen Themen informiert. Auch soziale Medien, insbesondere Facebook, sind wichtige Informationsquellen.

Hauptschuld für die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen zugeschrieben. Forschungsergebnisse bestätigen dies allerdings nicht. Es ist also keinesfalls ausreichend, nur den Diskurs in sozialen Medien zu betrachten – für die Mehrheit der Menschen sind sie nicht die Hauptquelle für Informationen. Deshalb braucht es einen mehrschichtigen und breiten Ansatz, um gegen Verschwörungsmythen und Desinformation vorzugehen.

Wissenschaft in lokalen Medien

Zum einen müssen wir vertrauenswürdige Informationen genau dort bereitstellen, wo sich Unentschiedene informieren. Erstrebenswert ist deshalb eine Stärkung der Berichterstattung über Wissenschaft in regionalen und lokalen Medien. Ebenso wichtig als Informationsquelle ist Wikipedia, ein häufig unterschätztes Medium für Wissenschaftskommunikation. Hier wäre es wichtig, mehr Wissenschaftler*innen sowie Forschungseinrichtungen und Wissenschaftskommunikator*innen konkret dazu zu befähigen und zu ermutigen, zu Inhalten auf Wikipedia beizutragen. Durch eine solch stärkere wissenschaftliche Fundierung könnten die auf der Plattform bereitgestellten Informationen noch vertrauenswürdiger gemacht werden.

Mindestens ebenso bedeutsam ist es, Räume für einen stärkeren direkten Austausch zwischen Forscher*innen und der Gruppe der Unentschiedenen außerhalb der wissenschaftlichen Blase zu schaffen. Neben der reinen Ermöglichung des Dialogs ist auch der Inhalt der Kommunikationsaktivitäten von größter Bedeutung: Der Fokus sollte neben der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse auch auf jener von Methoden, Prozessen und Werten liegen. Nur wenn es uns gelingt, im Austausch ein tieferes Verständnis von Wissenschaft zu vermitteln, können wir Menschen befähigen, informierte Entscheidungen zu treffen und die Vertrauenswürdigkeit erhaltener Informationen beurteilen zu können.

Die professionelle Wissenschaftskommunikation muss dafür zum einen neue Formate entwickeln, zum anderen aber auch dazu beitragen, dass Wissenschaftler*innen aktiv kommunizieren können. Schließlich können nur sie authentisch und glaubhaft berichten. Dabei geht es auch darum, den Forscher*innen Kommunikationsskills zu vermitteln, vielmehr gilt es aber, die Rahmenbedingungen für Kommunikation zu verbessern. Es braucht also Anreizsysteme und Anerkennung für Kommunikation, denn sie ist schlichtweg zu bedeutsam, um sie wie ein Hobby zu behandeln oder wie eine lästige Zusatzaufgabe.

Den Forscher*innen muss der Rücken gestärkt werden – im Besonderen dann, wenn sie sich mit gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen befassen und zu diesen kommunizieren. Der Schutz von Wissenschaftler*innen vor Angriffen wird eine zunehmend wichtige Rolle für die Wissenschaftskommunikation, denn ein Rückzug der Wissenschaft aus der Öffentlichkeit wäre fatal. Es geht dabei sowohl um Ad-hoc-Hilfe im Krisenfall als auch darum, Wissenschaftler*innen besser auf kontroverse Debatten vorzubereiten.

Austausch mit jungen Menschen

Aus der Forschung über Falschinformationen und Verschwörungsmythen wissen wir zudem, dass es wichtig ist, Menschen frühzeitig diesen gegenüber  resilient zu machen. Deshalb sind junge Menschen – die besonders stark beeinflussbar sind – eine weitere wichtige Zielgruppe im Kampf gegen Desinformation. Projekte wie “I am a Scientist – Get me out of here” fördern schon heute den Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Schüler*innen und ermöglichen es diesen, Fragen über das Leben als Forscher*innen ebenso zu stellen wie Fragen zu konkreten Forschungsergebnissen. Solche Ansätze müssen künftig gestärkt werden: Nichts ist wirkungsvoller gegen die Verbreitung von Verschwörungsmythen und Desinformation als ein breites Verständnis – und zwar so früh wie möglich – für die Funktionslogiken von Forschung und Medien in der Bevölkerung.

All diese Maßnahmen können jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie gemeinsam angegangen und von einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs über die Debattenkultur und Regulierung im Internet flankiert werden. Um hier wirklich etwas zu bewegen, müssen Akteur*innen aus Wissenschaft, Politik und Wissenschaftskommunikation zusammenarbeiten. Denn nur gemeinsam und am Gemeinwohl orientiert kann es uns gelingen, den Kampf gegen Falschinformationen und Verschwörungsmythen – der in erster Linie ein Kampf um konstruktive Diskursräume ist – zu gewinnen.

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