Finanzkonsolidierung

Weichen müssen jetzt gestellt werden

Für das kommende Jahr zeichnen sich finanzielle Herausforderungen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ab. Prognosen gehen von einer Finanzierungslücke in Höhe von 17 Milliarden Euro aus. Um die Finanzlage zu stabilisieren, müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) hat entsprechende Vorschläge zur Finanzkonsolidierung entwickelt.

Illustration: GKV-Finanzen

Die aktuelle Finanzschätzung prognostiziert für 2023 eine Finanzierungslücke in Höhe von 17 Milliarden Euro. Diese Summe beinhaltet bereits den regulären Steuerzuschuss von 14,5 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2022 schlagen Mehrausgaben von 9,7 Milliarden Euro und Mindereinnahmen von 8,1 Milliarden Euro zu Buche. Hinzu kommt, dass bislang der einmalig erhöhte Sonder-Bundeszuschuss an die GKV in Höhe von 14 Milliarden für 2023 nicht im Bundeshaushalt eingeplant ist.

Selbst wenn auch für 2023 der erhöhte Steuerzuschuss von zusätzlich 14 Milliarden Euro erneut fließen würde, wäre ein durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz von 1,56 Prozent nötig. Ohne erneut erhöhten Steuerzuschuss wäre annähernd eine Verdopplung des Zusatzbeitragssatzes auf etwa 2,4 Prozent zu befürchten. Der vdek schlägt unter anderem die folgenden fünf Maßnahmen zur Finanzkonsolidierung vor:

Höhere GKV-Beiträge für ALG-II-Bezieher

Der Koalitionsvertrag spricht davon, dass die Koalition höhere GKV-Beiträge für ALG-II-Beziehenden aus Steuermitteln finanzieren will. Das fordert der vdek seit Jahren und begrüßt das Ansinnen. Eine IGES-Studie von 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass für die gesamte Gruppe der ALG-II-Beziehenden (inklusive Aufstockern) eine Unterfinanzierung in Höhe von rund 9,6 Milliarden Euro pro Jahr besteht. Eine ausgabendeckende monatliche Beitragspauschale hätte demnach im Jahr 2016 statt rund 90 Euro etwa 275 Euro pro Kopf betragen müssen.

Generelle Absenkung der Mehrwertsteuer

Eine generelle Absenkung der Mehrwertsteuer auf den reduzierten Satz von sieben Prozent auf GKV-Gesundheitsleistungen würde ein jährliches Entlastungsvolumen von etwa sechs bis sieben Milliarden Euro realisieren. Etwa 11,6 Milliarden Euro sind schätzungsweise 2019 als Mehrwertsteuer abgeführt worden. Allein eine Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel könnte die GKV bereits um 4,9 Milliarden Euro entlasten.

Überprüfung extrabudgetärer Vergütung

Gemäß Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurden Extrahonorare an die Vertragsärzte gezahlt, damit diese zeitnah Termine über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) anbieten. Zwischen Mitte 2019 und Anfang 2021 wurden fast 800 Millionen Euro extrabudgetär vergütet. Dennoch ist der Effekt gering. Laut einer Forsa-Umfrage des vdek haben 2021 nur 32 Prozent der Befragten schon einmal die Rufnummer 116 117 gewählt. Finanzieller Aufwand und Patientennutzen stehen in einem Missverhältnis. Zwar sieht das beschlossene Korrekturverfahren vor, dass auch nach Ablauf der einjährigen Bereinigungsphase noch Richtigstellungen möglich sind. Trotz der Korrektur verbleiben aber noch etwa 500 Millionen Euro an zusätzlichem Honorar bei den Vertragsärzten. Das Sprechstundenangebot muss zwingend ausgebaut und das Terminmanagement verbessert werden.

Kostendämpfung bei Arzneimitteln

Das Gleichgewicht zwischen Bezahlbarkeit von Arzneimitteln, Nutzen für Gesundheitssysteme und Patienten sowie Einnahmen für die Pharmafirmen hat sich zugunsten letzterer eingependelt. Die Association Internationale de la Mutualité (AIM) schlägt mit dem Fair-Pricing-Modell einen Algorithmus vor, der auf die zugrunde liegenden Kosten und den therapeutischen Nutzen abstellt. Eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK) und der Universität Bremen hält für Deutschland eine jährliche Ersparnis in Höhe von 13 Milliarden Euro für möglich. Die Berechnungen zeigen, dass die tatsächlichen Arzneimittelpreise bis zu 13-mal so hoch sind, wie sie fairerweise sein sollten.

Regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses

Laut Koalitionsvertrag soll der Bundeszuschuss regelhaft dynamisiert werden. An welcher Regel sich diese Dynamisierung orientieren soll, bleibt offen. Denkbar wäre eine jährliche Anpassung anhand der Veränderungsrate der Grundlohnsumme. Die prognostizierte Veränderungsrate der Grundlohnsumme für 2023 beträgt derzeit 1,95 Prozent. Der aktuell gültige Bundeszuschuss in Höhe von 14,5 Milliarden Euro müsste sich in 2023 damit um 282 Millionen Euro auf 14,782 Milliarden Euro erhöhen.

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