Einwurf

Keine Verbesserung bei Lieferengpässen durch Aufweichen der Festbeträge und Rabattverträge

Seit einiger Zeit treibt die Öffentlichkeit die Sorge um Medikamentenmangel aufgrund von Lieferengpässen um. Als Verursacher sind schnell vermeintlich zu niedrige Arzneimittelpreise, verursacht durch Festbeträge und Rabattverträge, ausgemacht. Der Gesetzgeber will jetzt mit einem kürzlich im Kabinett verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen gegensteuern. Doch wird er dem Problem gerecht?

Zunächst zur Einordnung: Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist nach wie vor sehr hoch. Die Produktengpassquote liegt nach dem Lieferklima-Report der Techniker Krankenkasse im Schnitt bei etwa 0,5 Prozent, stieg 2022 aber auf 0,7 Prozent. Für 99,3 Prozent aller Arzneimittel wurden keine Engpässe gemeldet. Zudem haben Produktengpässe nur selten Auswirkungen auf die Versorgung. In fast allen Fällen kann die Therapie durch wirkstoffidentische oder zumindest wirkstoffähnliche Arzneimittel fortgeführt werden. Lieferengpässe sind also nicht zwingend Versorgungsengpässe.

Die Ursachen von Lieferengpässen liegen vor allem in den global verteilten und komplexen Lieferketten und der Lieferung von Arzneimitteln auf Abruf. Lieferverpflichtungen wurden deshalb von der pharmazeutischen Industrie oft nicht eingehalten. Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung nun mehr Transparenz in der Versorgungskette schaffen sowie das Frühwarnsystem beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ausbauen möchte. Allerdings sollten unseres Erachtens die Hersteller verpflichtet werden, Lieferengpässe von sich aus zu melden. Hinzu kommen Regelungen zur Mindestbevorratung von Arzneimitteln bei pharmazeutischen Herstellern und Krankenhäusern. Die im Gesetzentwurf angelegten Maßnahmen – erweiterte Lagerhaltung, Transparenz und ein Frühwarnsystem – sind daher positiv mit Blick auf die Versorgungssicherheit.

Der Gesetzentwurf sieht aber auch Beschränkungen von Festbeträgen und Rabattverträgen vor. So sollen Kinderarzneimittel von der Festbetragssystematik und von Rabattverträgen ausgenommen und gleichzeitig Pharmaherstellern gestattet werden, die Preise um 50 Prozent anzuheben. Dies kostet zunächst für die Beitragszahlenden mehr Geld, bietet aber in einem globalen Markt keine Gewähr, dass tatsächlich mehr Arzneimittel vor Ort zur Verfügung stehen. Und für die Rabattverträge gilt laut Lieferklimaindex, dass diese nur halb so häufig von Lieferengpässen betroffen sind wie rabattfreie Arzneimittel. Rabattverträge tragen aufgrund der Planbarkeit sogar zur Versorgungssicherheit bei. Also:

Portraitbild vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner

Das im Gesetzentwurf vorgesehene Verwässern der Festbeträge und Rabattverträge setzt die falschen Impulse mit Blick auf Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Wir setzen dazu auf Erkenntnisgewinn und Nachbesserungen im weiteren parlamentarischen Verfahren.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

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