Reformbedarf

Versorgungsstrukturen optimieren

Die Ersatzkassen setzen sich für eine moderne und qualitativ hochwertige Versorgung ihrer Versicherten ein. Da ist die von der Politik angekündigte Krankenhausreform längst überfällig, da sie die Chance eröffnet, die Versorgungsqualität zu steigern. Allerdings müssen dafür zunächst bedarfsgerechte Strukturen geschaffen werden, bevor über notwendige Finanzierungsmittel entschieden wird.

Die Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung werden in diesem Jahr nahezu 300 Milliarden Euro betragen, erneut fast fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Darauf hat Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, auf der diesjährigen Neujahrs-Pressekonferenz des vdek am 24. Januar hingewiesen. „Deshalb kommt es darauf an, die Beitragsgelder der Versicherten sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber richtig einzusetzen und die Versorgungsstrukturen und -prozesse zu optimieren – für eine bestmögliche und bezahlbare Versorgung der Versicherten“, betonte sie.

Illustration: Krankenhausversorgung

Ganz oben auf der Agenda steht für die Ersatzkassen die Krankenhausreform inklusive einer Reform der Notfallversorgung. Aus Sicht des vdek bilden die Vorschläge der Krankenhaus-Kommission hierfür einen guten Ansatz. Daher unterstützt der vdek ausdrücklich den vorgeschlagenen Umbau der Krankenhausstrukturen nach Versorgungsstufen, denen dann jeweils Leistungsgruppen zugeordnet werden. So würden Standards geschaffen und die Versorgungsqualität gesteigert. Für ausgewählte Behandlungen gebe es zwar Mindestmengen und Qualitätsindikatoren, doch mangele es an der Umsetzung, so Elsner. Sie verdeutlichte die Problematik anhand von zwei Beispielen: So zeigte sich für 2021 für den Bereich der Knie-Endoprothesenoperationen, dass 20 Prozent der Krankenhäuser, die diese Leistung anboten, die erforderliche Mindestmenge von 50 pro Jahr nicht erreichten. Bei den sogenannten planungsrelevanten Qualitätsindikatoren sind 94 Prozent der Krankenhäuser mit schlechten Ergebnissen nur gering bis mittel spezialisiert. „Deshalb: Eine Krankenhausstrukturreform ist ein Beitrag für mehr Versorgungsqualität.“

Nach Ansicht des vdek sollte eine Krankenhausreform aus zwei Säulen bestehen: einer Struktur- und einer Finanzierungsreform. Idealerweise mache man sich zunächst darüber Gedanken, welche Strukturen man benötigt, und gestalte dann die notwendige Finanzierung. Momentan sehe der vdek das Risiko, dass die Bundesregierung genau umgekehrt vorgeht. „Im Fokus scheint eher die auskömmliche Finanzierung der knapp 1.700 Krankenhäuser mit insgesamt mehr als 2.600 Standorten zu stehen – so, wie diese auch seit langem und fast täglich von Krankenhausvertreterinnen und Krankenhausvertretern mit dem Narrativ einer drohenden Insolvenzwelle gefordert wird“, kritisierte Elsner. Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem letzten Jahr zeigt, dass Deutschland derzeit pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern 7,8 Krankenhausbetten zur Verfügung stellt und damit im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt (s. Abb.).

Den Vorschlägen der Krankenhaus-Kommission zufolge soll ein Bestandteil der Reform eine leistungsunabhängige Vorhaltekostenfinanzierung sein. Je nach Fachgebiet sollen künftig 40 oder 60 Prozent der Erlöse aus Fallpauschalen (DRG), unabhängig von der tatsächlichen Belegung, finanziert werden. Grundsätzlich sei dieser Gedanke nicht falsch, er werde jedoch zum Problem, wenn die Vorhaltekostenfinanzierung auf den derzeitigen Strukturen von Fehl- und Überversorgung gerade in den Ballungsgebieten aufbaue. „Anders ausgedrückt, bevor die Vorhaltekostenfinanzierung zum Tragen kommt, müssen zunächst bedarfsgerechte Krankenhausstrukturen geschaffen werden“, hob Elsner hervor.

Einbindung der gemeinsamen Selbstverwaltung

Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beschäftigen sich bereits mit dem bedarfsgerechten Umbau ihrer Krankenhausstrukturen. In diesem Prozess sind die Krankenkassen von Beginn an eingebunden gewesen. Das fordern die Ersatzkassen auch für die Ausgestaltung der Krankenhausstrukturreform der Bundesregierung. Sie erwarten sowohl bei der Definition der Versorgungsstufen und Leistungsgruppen als auch bei den Kriterien für die Vorhaltefinanzierung eine Beteiligung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Ihr Ziel sei es, dass mit diesen Instrumenten bedarfsgerechte Strukturen geschaffen werden, die zu einer neuen Arbeitsteilung unter den Krankenhäusern führen; einer Arbeitsteilung, die unter Qualitätsgesichtspunkten Spezialisierung, Konzentration und Zentralisierung fördere und die Besonderheiten des ländlichen Raums berücksichtige.

Die Krankenhaus-Kommission hat sich auch mit der wichtigen Verknüpfung ambulanter und stationärer Strukturen beschäftigt. „Gerade in ländlichen Regionen brauchen wir vielfältige Versorgungslösungen, um eine qualitativ hochwertige Grundversorgung zu organisieren“, betonte Elsner. Die Überlegungen der Krankenhaus-Kommission entsprächen dem Modell der „Regionalen Gesundheitszentren“ (RGZ), das der vdek im vergangenen Jahr entwickelt und öffentlich vorgestellt hat. „Es ist erfreulich, dass die Vorschläge der Ersatzkassen zu einer ‚Versorgung aus einer Hand‘ Resonanz finden.“

Für den vdek gehörten auch die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu dieser vielfältigen Versorgungslandschaft dazu. Es sollte in der derzeitigen Diskussion um die Rolle von Kapitalinvestoren daher nicht in erster Linie darum gehen, wer ein MVZ besitzt, sondern ob dort gut und versichertenorientiert behandelt wird. An dieser Stelle positioniert sich der vdek klar anders als zum Beispiel die Bundesärztekammer, die die Möglichkeit für Krankenhäuser, MVZ zu gründen, einschränken will. Die Ersatzkassen wollen eher bei den „Spielregeln“ nachschärfen, um Fehlentwicklungen wie die Konzentration auf besonders lukrative Leistungen zu verhindern. Dazu hat der vdek konkrete Vorschläge entwickelt, die sich dann auch wieder mit der Position der Bundesärztekammer decken:

  1. klare Regeln, die eine regionale Monopolbildung einzelner Anbieter verhindern
  2. die Sicherstellung der Unabhängigkeit der ärztlichen Leitung
  3. Alle Kernleistungen des Fachgebietes müssen angeboten werden.
  4. Es bedarf der Transparenz zu Trägerschaft und Betreiberstrukturen bereits auf dem Praxisschild.
vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner auf der vdek-Neujahrs-Pressekonferenz 2023

Ein weiterer Versorgungsbereich, der aktuell in der Diskussion steht, ist die psychotherapeutische Versorgung. Die Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung ist dem vdek ein besonderes Anliegen, was auch zahlreiche Umfragen der Ersatzkassen zu diesen Themen zeigen. Zunächst ein paar Fakten: In Deutschland existiert ein weltweit einzigartiges psychotherapeutisches Versorgungssystem mit direktem Zugang und ohne Zuzahlung durch die Versicherten. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hält uber 38.000 niedergelassene ärztliche und psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vor, übertroffen nur von den Hausärztinnen und Hausärzten. Abhängig vom Therapieverfahren werden bis zu 300 Stunden Therapie pro Patientin und Patient übernommen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten werden zudem in der GKV meist besser vergütet als in der privaten Krankenversicherung, auch der Leistungsumfang ist in der Regel deutlich größer.

„Problematisch sind jedoch zu lange Wartezeiten auf Behandlungen, aber auch die Erreichbarkeit der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und die Vermittlung durch die Terminservicestellen“, sagte Elsner. Laut einer Umfrage des GKV-Spitzenverbandes beklagten etwa 20 Prozent der Versicherten Wartezeiten von über vier Wochen. 33 Prozent der Versicherten hätten sogar aufgrund der schlechten Erreichbarkeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten überhaupt keine Therapie begonnen. Die gängige Forderung zur Lösung dieser Probleme laute, kritisierte Elsner, dass mehr Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gebraucht würden. Die Ersatzkassen glauben jedoch nicht, dass dies die Versorgungsprobleme lösen wird.

Deshalb haben der vdek und seine Mitgliedskassen Vorschläge zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung entwickelt und ein entsprechendes Forderungspapier erstellt. Die Vorschläge betreffen unter anderem die Erreichbarkeit der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Vermittlung von Terminservicestellen, die Bedarfsplanung, die Fernbehandlung sowie die Gruppentherapie.

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