Hitze ist auch in Deutschland eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefahr, wie die jährlichen Sterblichkeitszahlen ausweisen. Andere europäische Länder haben gezeigt, dass Prävention und Gesundheitsschutz bei Hitze machbar sind, wenn der politische Wille vorhanden ist.
Obwohl Perioden extremer Hitze kein ganz neues Phänomen sind, hat erst der Sommer 2003 vielen Ländern in Europa ihre Gefährlichkeit deutlich gemacht. In Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und England wurden als Antwort auf hohe Sterbezahlen bereits im Jahr 2004 Hitzeaktionspläne implementiert, die Verantwortlichkeiten und Maßnahmen für jede administrative Ebene und für die Akteurinnen und Akteure im Gesundheits- und Sozialsystem festlegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fasste die Erfahrungen dieser Länder 2008 in einer Handreichung zusammen.
Deutschland befindet sich noch auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept und vor allem zu einer verbindlichen Umsetzung. Als erstes Bundesland implementierte Hessen bereits 2004 einen Hitzeschutzplan für stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Pflege, dessen Umsetzung seitdem durch die hessische Betreuungs- und Pflegeaufsicht begleitet wird. Seit 2010 werden in Kassel in Verantwortung des Gesundheitsamtes Personen, die sich registriert haben, von Ehrenamtlichen bei Hitzewarnungen angerufen und beraten.
Auf Bundesebene werden seit Jahren Projekte zur Klimaanpassung, unter anderem auch für den Gesundheitsschutz während Hitzewellen, finanziert. Im Jahr 2017 veröffentlichte das Bundesumweltministerium Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit, die sich an die Länder und Kommunen richten, aber auch das Gesundheits- und Sozialsystem berücksichtigen. Die Gesundheitsministerkonferenz beschloss im Jahr 2020 die Implementierung von Hitzeaktionsplänen innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraumes, die „primär von den Kommunen und betroffenen Instituten“ zu erstellen seien.
Hitzeschutz nach französischem Vorbild
Seit 2023 veröffentlicht das Robert Koch-Institut im Sommer wöchentliche Berichte zur hitzebedingten Mortalität in Deutschland – und das Bundesgesundheitsministerium plant auch die Erarbeitung eines Hitzeschutzplans nach französischem Vorbild. Betrachtet man dieses Vorbild, fällt zunächst auf, dass der nationale Hitzeschutzplan Frankreichs („Plan National Canicule“) durch gesetzliche Regelungen, die unter anderem die Kommunen zu einem Registrierungsangebot für gefährdete Bevölkerungsgruppen verpflichten, gestützt wird. Der französische Hitzeaktionsplan war und ist auf die Prävention und den Gesundheitsschutz in Akutsituationen ausgerichtet. Da Hitze anderen Naturgefahren gleichgestellt ist, gliedern sich die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten in die Systeme des Katastrophenschutzes ein. Institutionen wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Rettungsdienste oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen müssen ebenso wie Kommunen und Verwaltungsbezirke („Départements“) Maßnahmenpläne für Hitzeereignisse vorhalten.
Besondere Zielgruppen sind ältere Menschen, Obdachlose, Menschen in prekären Lebenslagen sowie Säuglinge und Kleinkinder, daneben kommt dem Arbeitsschutz eine hohe Bedeutung zu. Die Vor- und Nachbereitung jedes Sommers erfolgt in Abstimmung zwischen den regionalen Gesundheits- und Pflegeversorgern und den Verantwortlichen in den Kommunen beziehungsweise Verwaltungsbezirken. Teil dieser Abstimmung ist die Versorgungsplanung, die unter anderem die Bereitstellung von Bettenkapazitäten in Krankenhäusern und Pflegeheimen betrifft. Pflegeheime müssen zum Beispiel kühle Räume für den vorübergehenden Aufenthalt ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für Verlegungen aus Krankenhäusern oder für die Aufnahme von älteren Menschen aus der Kommune vorhalten. Dank eines nahezu in Echtzeit arbeitenden, regional auswertbaren Überwachungssystems, basierend auf täglich aktualisierten Notfalldaten von Krankenhäusern und ambulanten Notdiensten, können Maßnahmen sowohl in jedem Verwaltungsbezirk als auch auf zentralstaatlicher Ebene bedarfsgerecht nachjustiert werden. Diese Nachjustierung betrifft auch das französische Hitzewarnsystem, das seine Schwellenwerte für Warnungen unter anderem an den Sterblichkeitszahlen ausrichtet.
An guten Vorschlägen für sinnvolle Einzelmaßnahmen mangelt es in Deutschland nicht. Etliche Kommunen und Institutionen verfügen bereits über Hitzeaktionspläne oder arbeiten daran, auch einige Länder und Ministerien auf Bundesebene sind aktiv. Diese Vielfalt zu einem verbindlichen Gesamtkonzept zu bündeln und seine Umsetzung finanziell dauerhaft abzusichern, ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
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