Mit seinem jährlichen Fristenbericht setzt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem leider auch in der Gesundheitspolitik vielfach vorhandenen Gefühl, dass Entscheidungen zu lange dauern, belastbare Zahlen und Fakten entgegen.
Im aktuellen Berichtsjahr 2023 haben wir im Auftrag des Gesetzgebers dringend benötigte Regelungen beschlossen, mit deren Hilfe Menschen mit Verdacht auf Long Covid und einer Erkrankung mit ähnlicher Ursache oder Ausprägung besser und bedarfsgerechter versorgt werden können. Einschließlich solcher hochkomplexer Aufträge gelang es uns, fast 96 Prozent unserer Beratungsverfahren fristgerecht abzuschließen. Der nunmehr 9. Fristenbericht offenbart insgesamt keine Geheimnisse, da die Beratungsgegenstände und Verfahren über unsere Website fortlaufend transparent gemacht werden. Aber hier nochmals gebündelt darzustellen, wie unterschiedlich und hoch relevant unsere Aufgaben für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind – und damit für jede Versicherte und jeden Versicherten –, ist immens wichtig. Genauso wichtig ist es, im Zuge dessen im Bericht auch die von uns einzuhaltenden Arbeitsschritte zu erläutern, denn nur darüber können wir zu möglichst guten und auch rechtssicheren Entscheidungen kommen.
Differenzierte Fristvorgaben für unsere Aufgaben
Die Fristen, die der Gesetzgeber für die Dauer unserer Beratungen vorsieht, sind sehr unterschiedlich – sie reichen von wenigen Monaten bis zu drei Jahren. Für die Nutzenbewertung eines neuen Arzneimittels sind es beispielsweise sechs Monate: Das Arzneimittel kann dann zwar schon als Kassenleistung verordnet werden, aber der G-BA prüft anhand der vorgelegten Studien, ob es auch besser ist als die bisherigen Arzneimittel, weil es beispielsweise deutlich weniger Nebenwirkungen hat oder das Wiederauftreten einer Krebserkrankung stark verzögert.
Auf Basis des Bewertungsergebnisses verhandeln pharmazeutische Unternehmen und die gesetzlichen Krankenkassen dann den Preis des Arzneimittels – entsprechend trägt der G-BA mit seinen Bewertungen zu fairen Arzneimittelkosten und damit letztlich auch zu einem möglichst stabilen Beitragssatz bei. Für die Bewertung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, die auch in der ambulanten Versorgung angeboten werden soll, haben wir hingegen mehr Zeit, insgesamt zwei Jahre vom Start bis zum Ergebnis. Hier ist der Aufwand, die Studienlage zu recherchieren, zu sichten und auszuwerten, sehr viel aufwändiger: Ist die neue Therapieoption wirklich besser, sind von uns auch die Details für das neue Angebot festzulegen.
Mit seinem sehr strukturierten Vorgehen, zu dem auch breite Stellungnahmeverfahren gehören, stellt der G-BA sicher, dass neue medizinische Leistungen nicht aufgrund von „Bauchevidenz“ oder tages- oder wahlpolitisch opportunen Zielen in den Leistungskatalog aufgenommen werden. Die Versicherten haben Anspruch auf evidenzbasierte und damit effiziente Versorgungsangebote – das ist es, worum es bei solchen Entscheidungen ganz maßgeblich geht.
Long-Covid-Richtlinie: Feste Umsetzungsfristen
Neue Aufträge an den G-BA versieht der Gesetzgeber teilweise auch mit einer konkreten Umsetzungsfrist. So erhielt er im Dezember 2022 den Auftrag, spätestens bis zum 31. Dezember 2023 Regelungen über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long Covid zu treffen. Das war ein extrem ehrgeiziger Zeitplan, zumal der Stand der medizinischen Forschung noch sehr dünn ist. Letztlich gelang es: Mit einer neuen Richtlinie strukturieren wir die Versorgung, sodass ein Erkrankungsverdacht schnell und koordiniert abgeklärt wird. Zudem trägt sie dazu bei, dass nach der Diagnose die vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
Auch wenn jedes nicht fristgerecht abgeschlossene Beratungsverfahren ärgerlich ist: Der neue Fristenbericht belegt aus meiner Sicht sehr eindrucksvoll, wie gut das Zusammenwirken von Politik und Selbstverwaltung in der Regel funktioniert. Und wie sinnvoll und effizient es ist, die Strukturen und Prozesse des G-BA für die Weiterentwicklung einer evidenzbasierten Gesundheitsversorgung zu nutzen.
Über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
- gegründet vom Gesetzgeber im Jahr 2004
- entwickelt den Leistungskatalog für inzwischen 74 Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)stetig weiter
- wertet für seine Entscheidungen den Stand der medizinischen Erkenntnisse aus
- bezieht über Beteiligungsrechte das Wissen zahlreicher Verbände und Fachgesellschaften ein
- verantwortet aktuell mehr als 100 Richtlinien und Regelungen
- legt seit 2016 einen Fristenbericht vor
» Nähere Informationen unter g-ba.de
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