Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind chronisch überfüllt. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Darüber haben Vertreter der Politik, Selbstverwaltung und aus der Praxis auf dem vdek-Zukunftsforum „Ambulante Notfallversorgung“ am 7. September 2016 beim Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) am Anhalter Bahnhof in Berlin diskutiert.
Ein wesentlicher Grund für die unmittelbare Inanspruchnahme der Notaufnahmen der Krankenhäuser liegt in der fehlenden Transparenz der ambulanten Notfallstrukturen. „Viele Patienten wissen nicht, wohin sie im Notfall gehen sollen“, stellte vdek-Verbandsvorsitzender Christian Zahn in seiner Auftaktrede fest. Zudem könne die Schwere des Notfalls von den Patienten nicht immer direkt eingeschätzt werden. „Viele Patienten gehen deshalb in die für sie einfach erreichbaren Notfallambulanzen der Krankenhäuser.“ Die Intransparenz der ambulanten Notfallstrukturen wird auch vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) kritisiert. So sei die Notrufnummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) vielen Patienten nicht bekannt. „Sie muss daher innerhalb der Bevölkerung den gleichen Bekanntheitsgrad erreichen wie die Notfallnummer 112 der Rettungsdienste“, appellierte Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMG. Zudem sei das im Gutachten vorgestellte Portalpraxenkonzept aus Sicht des BMG ein guter Ansatz zur Problemlösung. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz habe der Gesetzgeber einen entsprechenden Rahmen geschaffen, der den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung an die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung anpasse. „Wenn der Patient nicht umdenkt, muss ein Angebot geschaffen werden, das der Realität entspricht“, so Stroppe.
Das AQUA-Institut empfiehlt in Anlehnung an sein im Auftrag des vdek erstelltes Gutachten, dass bundesweit an allen Krankenhäusern, die rund um die Uhr an der Notfallversorgung teilnehmen, Portalpraxen etabliert werden sollten. Diese bestehen aus einer zentralen Anlaufstelle, in der eine gemeinsame Triage erfolgt und die Patienten unmittelbar in den für sie richtigen Behandlungspfad weitergeleitet werden. Zusätzlich kann eine Notdienstpraxis der KV zur Behandlung der Patienten in die Portalpraxis integriert sein. In Ballungsgebieten werden die Krankenhäuser naturgemäß über weniger Notdienstpraxen verfügen als in ländlichen Regionen. Sofern die KVen die ambulante Notfallversorgung nicht sicherstellen können, sollten sie entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit Krankenhäusern schließen. Zudem sieht das AQUA-Institut auch die Zusammenlegung der beiden Notrufleitstellen 112 und 116 117 vor. Hier sollte ebenfalls eine gemeinsame Triage erfolgen, um die Patienten von Anfang an in den richtigen Behandlungspfad zu leiten und dadurch eine Selbstvorstellung von ambulanten Patienten in Krankenhäusern einzudämmen.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht sich für eine engere Zusammenarbeit der Bereitschaftspraxen mit den Klinikambulanzen aus. Dies sei nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels erforderlich. „Wir steuern auf einen Ärztemangel zu, der die Kliniken mindestens ebenso sehr betreffen wird wie den Bereich der Niedergelassenen. Außerdem wird die Medizin immer besser und damit immer teurer, und die Bevölkerung wird immer älter und damit auch behandlungsbedürftiger“, sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, und appellierte an die Länder, ihrer Finanzierungsverpflichtung nachzukommen. Zur besseren Patientensteuerung fordert die KBV eine Eigenbeteiligung der Patienten. Dieser Vorschlag wurde von den Beteiligten nicht geteilt. „Die Praxisgebühr war ein Fehler, der nicht wiederholt werden sollte“, betonte Stroppe im Rahmen der Diskussionsrunde.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht das Problem der überfüllten Krankenhausnotaufnahmen vor allem in der Erwartungshaltung der Patienten. Hier vermuteten viele Patienten, dass ihnen im Krankenhaus besser geholfen würde. Generell begrüßt DKG-Geschäftsführer Georg Baum die Einrichtung von Portalpraxen. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass dies nicht mit einem Nachteil für die Krankenhäuser einhergehe. Er spricht sich für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit der Beteiligten aus. Zudem sei eine Änderung der Finanzierung erforderlich. „Wir brauchen eine Direktvergütungssituation“, forderte Baum.
Die Krankenhäuser haben auf diese Entwicklung der zunehmenden Patientenzahlen reagiert. Sie versuchen dem z. B. durch eine intelligente Patientensteuerung entgegenzuwirken, indem sie Kooperationen mit den Rettungsdiensten und niedergelassenen Ärzten eingehen. „Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit den Zuweisern, damit die richtigen Patienten ins Krankenhaus kommen“, erklärte Rotraut Asche, Chefärztin der Notfallambulanz KEHBerlin. Die Diskussion auf den Punkt brachte vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Der Patient müsse in den Mittelpunkt des Lösungsansatzes gestellt werden. Die Patientenautonomie und -orientierung seien zwingend zu stärken. Und es müsse eine räumliche Verschränkung des ambulanten Notdienstes mit den Notfallambulanzen erfolgen. „Wir brauchen eine bessere Organisation und nicht mehr Geld“, so Elsner. Dreh- und Angelpunkt müsse daher eine zentrale Anlaufstelle in den Krankenhäusern sein. „Dies wäre für die Patienten ein großer Qualitätsgewinn.“
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