Fast jeder zweite Mensch in Deutschland erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. Die Behandlung von Krebs verlangt eine umfassende Herangehensweise, um den rasanten wissenschaftlichen Fortschritt zu berücksichtigen. Um die Qualität der Betreuung von Patienten, die an Krebs erkrankt sind, zu verbessern, hat die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG) ein System zur Zertifizierung von Behandlungseinrichtungen entwickelt.
Krebserkrankungen sind komplex: Sie können unterschiedliche Körperbereiche betreffen, sie lassen sich mit verschiedensten häufig sehr langwierigen Therapieansätzen behandeln, und sie greifen nachhaltig in das gewohnte Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen ein. Die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG) hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Betreuung von Krebspatientinnen und Krebspatienten zu verbessern und ihnen in jeder Phase ihrer Erkrankung eine Behandlung zu ermöglichen, die sich an hohen Qualitätsmaßstäben orientiert. Mit über 8.000 Einzelmitgliedern ist die DKG die größte wissenschaftliche Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum, die sich mit der Entstehung, Entwicklung und Behandlung von Krebserkrankungen auseinandersetzt.
Seit 2003 weist die DKG zertifizierte Krebszentren aus, die Qualität für alle Schritte bei der Diagnostik und Behandlung einer Krebserkrankung gewährleisten können. Über 255.000 Patientinnen und Patienten mit der Erstdiagnose Krebs wurden im Jahr 2017 in zertifizierten Krebszentren behandelt. Im Juni 2019 gab es 1.425 zertifizierte Standorte in Deutschland und 88 Standorte im Ausland. Dabei handelt es sich um Behandlungseinrichtungen, die bestimmte Anforderungen bei der Krebsbehandlung erfüllen und sich einer regelmäßigen Überprüfung erfolgreich unterziehen. An dem Gütesiegel können sich Betroffene und Angehörige orientieren, wenn sie sich für einen Behandlungsort entscheiden.
Verschiedene Fachrichtungen
Zertifizierte Krebszentren sind Netzwerke aus qualifizierten und gemeinsam zertifizierten Einrichtungen verschiedener Fachrichtungen und Sektoren, die eng zusammenarbeiten und Menschen mit einer Krebserkrankung umfassend betreuen. Sie bestehen aus stationären und ambulanten Einrichtungen. Zertifizierte Krebszentren sind also nicht nur auf Krankenhäuser beschränkt, sondern beziehen weitere Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses ein, zum Beispiel Selbsthilfegruppen und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.
Neben der medizinischen Betreuung erhalten alle Patientinnen und Patienten in zertifizierten Krebszentren die Möglichkeit, mit dem Sozialdienst und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Psychoonkologie zu sprechen und somit Unterstützung bei den finanziellen, sozialen und emotionalen Herausforderungen zu erhalten, die eine Krebserkrankung mit sich bringt.
Für die häufigsten Krebsarten wie Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, Hautkrebs, Lungenkrebs und gynäkologische Krebserkrankungen sind zertifizierte Krebszentren flächendeckend in ganz Deutschland vorhanden. Aber auch für seltene Krebserkrankungen wie beispielsweise Tumore, die vom Weichteilgewebe oder von den Knochen ausgehen (Sarkome), gibt es mittlerweile spezialisierte zertifizierte Zentren. Darüber hinaus spezialisieren sich einige Zentren auf mehrere Organe und Fachbereiche (Onkologische Zentren) oder auf unterschiedliche Krebserkrankungen im Bauchraum oder der Harnorgane (Viszeralonkologische Zentren, Uroonkologische Zentren).
Mit dem Zertifizierungssystem hat sich die Art, Krebs zu behandeln, grundlegend verändert: Nicht mehr nur ein Arzt oder eine Ärztin betreut einen an Krebs erkrankten Menschen, sondern Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachbereichen arbeiten zusammen. Zertifizierte Krebszentren gibt es flächendeckend, der größte Teil der Krebspatientinnen und -patienten lässt sich dort behandeln. So verbessern zertifizierte Krebszentren nachweislich und effektiv die Krebsversorgung und sind damit beispielgebender Vorreiter im Gesundheitssystem.
Strenge Kontrollen
Zentren mit einer Zertifizierung der DKG unterziehen sich jedes Jahr einer strengen Qualitätskontrolle und müssen dabei nachweisen, dass sie die fachlichen Anforderungen erfüllen. Das bedeutet: Sie müssen aufzeigen, dass sie über das nötige Wissen und die erforderliche Ausstattung (Technik, Personal) für die Behandlung von Krebspatientinnen und Krebspatienten verfügen.
Beispielsweise wird überprüft, wie viele Komplikationen bei Operationen auftreten, ob sich das Personal ausreichend fortbildet und in Stichproben, ob die Behandlung von Betroffenen dem neuesten wissenschaftlichen Stand entspricht. Außerdem müssen zertifizierte Zentren gewährleisten, dass die Behandlung von jeder Patientin bzw. jedem Patienten in einer Tumorkonferenz besprochen wird. Dort kommen die an der Behandlung beteiligten Fachleute zusammen und sprechen für jeden Patienten und jede Patientin Empfehlungen für das weitere Vorgehen aus.
Fortlaufende Weiterentwicklung
Die Anforderungen an die Zentren werden anhand des aktuellen Forschungsstands - der Leitlinien – kontinuierlich gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Fachgesellschaften, Berufsverbände, Arbeitsgemeinschaften und Patientenverbände erarbeitet. In einem weiteren Schritt überprüfen unabhängig davon Fachärztinnen und Fachärzte, die über eine entsprechende Zusatzqualifikation verfügen, die Zentren vor Ort. Die Entscheidung über die Zertifikatsvergabe trifft schließlich eine dritte Instanz, der Ausschuss Zertifikatvergabe. So wird sichergestellt, dass der Zertifizierungsprozess eines Zentrums nicht durch potenzielle Interessenskonflikte beeinflusst wird.
Für eine möglichst hohe Transparenz wird die Qualität der Behandlung zudem in den Zentren dokumentiert, ausgewertet und in Jahresberichten veröffentlicht. Die einzelnen Zentren reflektieren ihre Ergebnisse und (wenn nötig) verbessern ihre Strukturen und Prozesse mit geeigneten Maßnahmen.
Das Zertifizierungssystem entwickelt sich fortlaufend weiter und berücksichtigt neue Erkenntnisse. Aktuelle Projekte sind etwa die Studien EDIUM und PCO, in denen Patientinnen und Patienten in Darm- und Prostatakrebszentren über ihre Symptome, Einschränkungen und Lebensqualität berichten.
So wird die Patientenperspektive vermehrt einbezogen und es wird überprüft, inwieweit die Qualität bei den Patientinnen und Patienten in den zertifizierten Zentren ankommt. Zudem können sich seit April 2019 Menschen mit Darm- oder Prostatakrebs eine ärztliche Zweitmeinung aus einem zertifizierten Zentrum einholen.
Unabhängige Studien zeigen, dass in zertifizierten Krebszentren behandelte Patientinnen und Patienten ihre Krebsbehandlung länger überleben als Erkrankte, die in nicht-zertifizierten Krankenhäusern behandelt wurden: Sowohl in Brust- als auch Darmkrebszentren behandelte Patientinnen und Patienten überleben eher als Krebserkrankte, die in nicht-zertifizierten Behandlungseinrichtungen versorgt werden; in zertifizierten Darm- und Lungenkrebszentren sterben weniger Patientinnen und Patienten nach einer Operation als in nicht-zertifizierten Einrichtungen. Zudem erholen sich Patienten in zertifizierten Prostatakrebszentren besser und schneller nach einer Operation und werden frühzeitiger entlassen als in Krankenhäusern ohne Zertifizierung.
Alle zertifizierten Krebszentren sind auf dem DKG-Portal OncoMap aufgelistet. In der öffentlichen Datenbank kann beispielsweise nach Krebsart und Ort gesucht werden.