Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben gesundheitspolitische Reformen bei der Bundestagswahl 2021 oberste Priorität. Gemeinsam zeigen die Vorstände der Ersatzkassen, welche Weichen die künftige Bundesregierung stellen muss, um das Gesundheitssystem zukunftsfest zu gestalten.
„Nachhaltige Finanzierung von Gesundheit muss in der nächsten Legislaturperiode ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.“
Ganz oben auf der Prioritätenliste muss in der nächsten Legislaturperiode die nachhaltige Finanzierung von Gesundheit stehen. Dafür brauchen wir mehr Effizienz und Strukturreformen, etwa im Bereich Krankenhaus: Hier könnten mehr Spezialisierung, Ambulantisierung und Digitalisierung die Effizienz steigern – und die Versorgung entscheidend verbessern. Erreichen können wir das nur mit übergreifender, bedarfsbezogener Planung anstelle des bisherigen Nebeneinanders auf Kreisebene. Zudem muss es bei der Digitalisierung insgesamt zügig weitergehen. Dafür müssen die Chancen der elektronischen Patientenakte (ePA) als patientengesteuerten Herzstücks der Digitalisierung voll genutzt werden. Wir brauchen außerdem dringend die Diskussion, wie wir künftig Daten im Sinne der Versicherten nutzen können oder wollen und welche Bedingungen dafür nötig sind.
„Die neue Regierung muss sich der Reform des Krankenhaussektors widmen.“
Dieses letzte Jahr der aktuellen Legislaturperiode ist von der Corona-Pandemie geprägt. Auch die Krankenhäuser haben in dieser Zeit bewiesen, wie flexibel sie sind und dass sie die Versorgung selbst bei hoher Beanspruchung gewährleisten können. Doch die Pandemie hat zugleich seit langem bestehende Schwachstellen im System noch einmal schonungslos offenbart. Zu viele Kliniken konkurrieren um begrenzte Ressourcen. Das gefährdet die Sicherheit im Krankenhaus. So kann es selbst in Ballungsgebieten sein, dass Menschen mit Herzinfarkt in eine Klinik eingeliefert werden, die keinen Linkskathetermessplatz vorhält und weniger als 40 Behandlungsfälle pro Jahr durchführt. Das gefährdet Menschenleben! Die neue Regierung muss sich der Reform des Krankenhaussektors widmen. Dazu gehört eine Konzentration der Leistungen, möglichst in Zentren.
„Unsere Finanzstudie belegt: Kassensturz und Reformen sind dringend erforderlich.“
Nach der Bundestagswahl brauchen wir nicht nur einen Kassensturz beim Bundeshaushalt, sondern auch für die Sozialversicherung. Die im Juni von der DAK-Gesundheit vorgestellte IGES-Studie hat gezeigt, dass bis zum Jahr 2025 eine Zusatzbeitragssatzerhöhung von 1,6 Prozentpunkten droht, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert. Die zusätzlichen Bundesmittel sind bislang ja ausschließlich auf dieses und das nächste Jahr begrenzt. Bis zum Ende der kommenden Wahlperiode steigt der zusätzliche Finanzbedarf aber auf rund 27 Milliarden Euro an. Wir brauchen deshalb dauerhaft einen höheren und dynamisierten Zuschuss für versicherungsfremde Leistungen. Da die ebenfalls dringend erforderlichen Strukturreformen zur Hebung von Effizienzreserven im System eine längere Vorlaufzeit brauchen, gehört die ordnungspolitisch dringend gebotene stärkere Steuerfinanzierung bereits zu den im ersten Jahr nach der Wahl anzugehenden Maßnahmen. Sonst droht 2023 ein ‚Beitragstsunami‘.
„Die Politik muss digitale Tools wie ePA oder DiGA schnellstmöglich in die breite Anwendung bringen.“
Die KKH erwartet von der nächsten Bundesregierung, dass sie sich für eine sozial gerechte Gesundheitspolitik unter der Maxime der Nachhaltigkeit engagiert. Hierbei kann die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leisten. Die Politik muss digitale Tools wie die elektronische Patientenakte (ePA) oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) schnellstmöglich in die breite Anwendung bringen, um Prozesse effizienter zu gestalten und mehr Versorgungsqualität für die Versicherten zu ermöglichen. Zudem sollten die Handlungsfähigkeit und die Befugnisse der Selbstverwaltung nicht weiter geschwächt, sondern vielmehr wieder gestärkt werden. Die Selbstverwaltung ist das tragende Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung und zentrales Element der demokratischen Mitbestimmung im Gesundheitswesen.
„Die GKV kann nicht länger Kosten übernehmen, die von der öffentlichen Hand zu tragen sind.“
In der kommenden Legislaturperiode wird der finanzielle Druck auf das Gesundheitswesen stark zunehmen. Kostensteigerungen durch teure Leistungsgesetze und medizinische Innovationen werden durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch verstärkt. Die hkk fordert, dass Bund und Länder ihrer finanziellen Verantwortung dauerhaft nachkommen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kann nicht länger Kosten übernehmen, die von der öffentlichen Hand zu tragen sind. Darüber hinaus bedarf es dringend struktureller Veränderungen, insbesondere im Krankenhaus- und Arzneimittelbereich, sowie einer Digitalisierung der Versorgung und einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung. Dazu gehört auch eine einheitliche Vergütungssystematik, wo gleiche Leistungen ambulant und stationär erbracht werden können. Wir brauchen eine bessere Qualität der medizinischen Behandlung, eine höhere Patientensicherheit und mehr Effizienz im Gesundheitswesen.
„Finanzierung erfordert mehr Handlungsspielräume der Krankenkassen.“
Die Gesundheitsgesetzgebung der letzten Jahre hat deutliche Kostensteigerungen in der GKV zur Folge. Die nun erforderliche Stabilisierung der GKV-Finanzen ist nicht allein durch höhere Bundeszuschüsse zu erreichen. Die Bundesregierung sollte den Krankenkassen neben einer dringenden Strukturreform im Krankenhaussektor Handlungsspielräume im Krankenkassenkerngeschäft zurückgeben. Hierzu zählen die Stärkung des Prüfgeschäfts im stationären Sektor und bei Geldleistungen, die Rücknahme des Hilfsmittel-Ausschreibungsverbotes oder im Bereich der Fahrkosten weiterhin die Zulassung von Selektivverträgen mit Anbietern.
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