Botendienste

Ein recht teures Geschenk

Apotheken, die Medikamente nach Hause liefern, erhalten seit Corona eine zusätzliche Vergütung. Aufkommen für diesen „Botendienst“-Zuschlag muss die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Der Kostenfaktor ist enorm.

Symbolbild: Medikamentlieferung

Das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken ist am 15. Dezember 2020 in Kraft getreten. Der Titel verrät, welches Ziel der Gesetzgeber mit den Neuregelungen verfolgt: Profiteure sollen die „Vor-Ort-Apotheken“ im Vergleich zu (vor allem ausländischen) Versandapotheken sein. Neben diversen weiteren Regelungen hat der Gesetzgeber nunmehr die Vergütung für den sogenannten Botendienst zulasten der GKV ins Sozialgesetzbuch aufgenommen. Versicherte können sich dabei verschriebene Arzneimittel durch eine Apotheke nach Hause liefern lassen. Bereits in der Vergangenheit war diese Art der Versorgung zulässig, wurde allerdings im Sinne der Kundenbindung von Apotheken in der Regel kostenfrei erbracht.

Vorausgegangen waren zwei befristete Verordnungen während der Corona-Pandemie, die diese Leistung und die dazugehörige Vergütung eingeführt hatten. Während es aus Infektionsschutzgründen als nachvollziehbar erscheint, mit dem Ziel einer Kontaktvermeidung den Patientinnen und Patienten Arzneimittel von der Apotheke nach Hause zu liefern, muss nun die Frage erlaubt sein, ob dieser dauerhafte Service von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren ist. Die Abrechnung dieser Leistung ist zudem an keinerlei Bedingung geknüpft, also gerade nicht auf notwendige Fälle wie beispielsweise gebrechliche Patientinnen und Patienten beschränkt.

Keine gleich langen Spieße

Die Frage nach dem Vergütungsanspruch muss man auch deshalb stellen, weil Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen und damit die oft von der Apothekerschaft eingeforderten „gleich langen Spieße“ zwischen Offizin- und Versandapotheke gerade nicht hergestellt worden sind: Arzneimittel kosten die GKV bei den Vor-Ort-Apotheken mehr als bei konkurrierenden Versandapotheken.

Seit Einführung Ende April 2020 sind für das Jahr 2020 7,2 Millionen Botendienste zulasten der Ersatzkassen erbracht worden. Wir reden also über einen Betrag in Höhe von knapp 29 Millionen Euro in den ersten acht Monaten nach Einführung, die die Ersatzkassen für diesen Service aufgebracht haben. Durchschnittlich sind etwa vier Prozent der Arzneimittelabgaben im Wege des Botendiensts erfolgt, wobei die Verteilung sich erheblich von Apotheke zu Apotheke unterscheidet. Die Reduzierung der Vergütung auf die Hälfte (von 5 Euro auf 2,50 Euro) zum 1. Oktober 2020 hatte jedenfalls keinen Einfluss auf die Mengen, das Honorar scheint also in der jetzt festgelegten Höhe immer noch auskömmlich.

Detailauswertungen zeigen, dass die Botendienstquoten in den städtischen Regionen (zum Beispiel Hamburg, Berlin) verhältnismäßig niedrig liegen, aber auch Flächenländer wie Bayern und Brandenburg fallen durch geringe Werte auf, wohingegen zum Beispiel die saarländischen Apotheken diesen Service deutlich häufiger abgerechnet haben.

Jedes sechste Arzneimittel wird nicht mehr in der Apotheke ausgehändigt

Die Apotheken nutzen diese neue Abrechnungsmöglichkeit in sehr unterschiedlichem Ausmaß: Allein 24 Apotheken (von über 14.000) sind für ein Viertel der Ausgaben verantwortlich. Bei den fünf Spitzenreitern, die die höchsten Beträge abgerechnet haben, liegt die Quote durchschnittlich bei 17 Prozent. Das heißt: Jedes sechste Arzneimittel wird nicht mehr in der Apotheke ausgehändigt, sondern per Boten zugestellt und die Kosten dafür in Rechnung gestellt. Einige Apotheken rechneten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst ab.

Für diese Apotheken rechnet sich das Botendienstgeschäft: Neben der garantierten Vergütung für das Arzneimittel erhöht sich das Honorarvolumen in erheblichem Umfang. Während die durchschnittliche Apotheke seit Einführung etwa 2.000 Euro für den Botendienst von den Ersatzkassen erhalten hat, erlöste der Spitzenreiter im gleichen Zeitraum mehr als 70.000 Euro. Hochgerechnet auf die gesamte GKV und ein ganzes Jahr ergibt sich der schwindelerregende Wert von etwa 200.000 Euro.

Steigerung der Kosten

Betriebswirtschaftlich wird diese Leistung umso attraktiver, je häufiger die Apotheke diese abrechnen kann, da sich die Kosten für das Personal und eventuell einen Fuhrpark dann eher rechnen. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass mehr Apotheken auf den Zug aufspringen und die Kosten dafür noch erheblich steigen werden. Die Einführung des E-Rezepts wird diese Entwicklung sicher noch befördern.

Bereits seit mehreren Jahren steht die Überarbeitung der Arzneimittelpreisverordnung mit dem Ziel einer leistungsgerechten Vergütung für die Arzneimittelversorgung durch die Apotheken auf der politischen Agenda, ohne dass sich substanzielle Änderungen abzeichnen. Die zusätzlich zur regulären Vergütung eingeführte Leistung der Botendienste ist weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern. Am Ende muss sie wahrscheinlich als eine „Entschädigung“ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte.

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