Einwurf

Die häusliche Pflege stärker in den Blick nehmen

Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) steht vor großen Herausforderungen. Von 2005 bis 2020 ist die Zahl der Leistungsempfänger:innen in der SPV von rund zwei auf über vier Millionen gestiegen. Dies lässt sich auf den demografischen Wandel zurückführen, aber vor allem auch auf eine Erweiterung des Zugangs zu den Pflegeleistungen, der zuletzt 2017 mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs deutlich verbessert wurde. So lange und selbstständig wie möglich zu Hause zu leben, ist der berechtigte Wunsch vieler Pflegebedürftiger. Dieser Wunsch spiegelt sich auch im Grundsatz der Pflegeversicherung „ambulant vor stationär“ wider. Obwohl die Pflegeversicherung mit dem Pflegegeld, ambulanten Sach- und Entlastungsleistungen, der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie der Tagespflege auch den Verbleib in der Häuslichkeit unterstützt, ist es für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bei steigendem Pflegebedarf oft mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden, die Pflege zu organisieren. Nicht selten suchen Pflegebedürftige oder deren Angehörige Hilfe bei Firmen, die ausländische Pflegekräfte in der sogenannten 24-Stunden-Betreuung vermitteln. In geschätzt 300.000 Haushalten in Deutschland ist dies der Fall.

Der Fall einer bulgarischen Pflege- und Betreuungskraft wurde jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) behandelt. In ihrem Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche vereinbart, sie leistete jedoch einen 24-Stunden-Dienst. Das Gericht entschied, dass nach Deutschland entsandte Betreuungskräfte Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten haben. Das Urteil hat zur Folge, dass die Kosten für ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte weiter deutlich steigen werden. Entsprechend stellt sich für Pflegebedürftige die Frage, wie die Versorgung in den eigenen vier Wänden finanziert werden soll.

Portraitbild vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner

Es zeigt sich, dass die neue Bundesregierung das Thema „Reform der Pflege“ prioritär auf die Agenda setzen muss. Auch wenn die Leistungsbeträge im Rahmen der jetzt verabschiedeten „kleinen Pflegereform“ zum 1. Januar 2022 um fünf Prozent erhöht werden, ist auch in der ambulanten Pflege mit weiteren Kostensteigerungen – etwa durch berechtigte Lohnanpassungen – zu rechnen.

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek

Eine große Pflegereform sollte das Ziel haben, die Pflegebedürftigen in der ambulanten wie stationären Pflege spürbar zu entlasten und zugleich die Finanzierung der SPV langfristig zu sichern.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. (4. Ausgabe 2021)