Klimawandel

Klima und Gesundheit zusammen denken

Der Klimawandel und die daraus resultierenden Auswirkungen für die Gesundheit drängen sich immer stärker in den Fokus der fachlichen und politischen Diskussionen. Klimapolitik wird zunehmend auch als Gesundheitspolitik begriffen. Denn unsere Gesellschaft, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft hängen von einer intakten Natur und einem stabilen Klima ab.

Illustration: Klimawandel und Gesundheit

Seit Beginn der Wetteraufzeichnung ist die Durchschnittstemperatur in Deutschland um 1,6 Grad Celsius angestiegen. Messungen des Deutschen Wetterdienstes zeigen, dass die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Die Kernaussagen des aktuellen Reports des Weltklimarates (IPCC) machen die Dringlichkeit für weitere konkrete Schritte zur Reduktion von Treibhausgasen zur Abmilderung der Klimakrise deutlich. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgasminderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig. Die gesundheitliche Zukunft künftiger Generationen hängt davon ab, ob die maximale Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Im November 2022 fand die 27. Weltklimakonferenz statt. Es konnte keine Einigung für eine drastische Verringerung der weltweiten Emissionen erzielt werden.

Die Folgen des Klimawandels werden auch in Deutschland zunehmend wahrnehmbar. In den vergangenen Jahren haben eine Vielzahl großflächiger Waldbrände, dicht aufeinanderfolgende Hitzewellen und neue Temperaturrekorde die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels verdeutlicht.

Übersterblichkeit aufgrund von Hitze

Hitze belastet den menschlichen Organismus und führt zu einer Zunahme an hitzebedingten Krankheits- und Todesfällen. In den letzten 60 Jahren haben sich Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad in Deutschland verdreifacht. Aktuelle Zahlen einer Studie des Robert Koch-Instituts belegen, dass die Hitze in den Jahren 2018 bis 2020 bis zu 20.000 Todesfälle verursacht hat. Erstmals wurde eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren beobachtet. Zahlreiche Studien gehen davon aus, dass zukünftig auch in Deutschland vermehrt mit extremen Hitzeereignissen mit teilweise drastischen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gerechnet werden muss. Hitzestress trifft vor allem ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen und verstärkt sich in städtischen Gebieten. Folglich weist die deutsche Bevölkerung eine hohe Vulnerabilität gegenüber den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels auf. Erste Analysen von Versorgungsdaten zeigen, dass es an Hitzetagen vermehrt zu Krankenhauseinweisungen kommt und auch eine Zunahme von Fehltagen aufgrund von Hitze zu verzeichnen ist. Extreme Hitze wird zudem mit negativen Auswirkungen auf Schwangerschaften, einem verschlechterten Schlafverhalten und einer schlechteren psychischen Gesundheit in Zusammenhang gebracht.

Ebenso lässt sich ein Anstieg von klimasensitiven Diagnosen wie Hautkrebs und allergischen Erkrankungen, zum Beispiel Asthma, beobachten. Der Klimawandel verstärkt die UV-Strahlungsintensität und die Sonnenscheindauer. Zudem verstärkt der Temperaturanstieg die Verbreitung, die Menge und die Allergenität von Pollen.

Seit 2015 veröffentlicht die renommierte wissenschaftliche Fachzeitschrift The Lancet einen jährlichen Bericht über die weltweiten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit. Der aktuelle Bericht (Lancet Countdown on Health and Climate Change) wurde von 99 Experten: innen aus 51 Institutionen und UN-Organisationen erstellt. Der diesjährige Bericht zeigt, dass die ansteigenden Temperaturen vielerorts schon heute die Ernährungssicherheit bedrohen. Zwischen 2012 und 2021 ist die jährlich von extremen Dürren betroffene Landfläche im Durchschnitt um 29 Prozent größer gewesen als von 1951 bis 1960. Insgesamt stieg auch die Zahl weltweit hitzebedingter Todesfälle im Zeitraum von 2017 bis 2021 im Vergleich zu den Jahren 2000 bis 2004 um 68 Prozent an. Zudem fördere der Klimawandel die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Malaria und Denguefieber.

Dem Bericht zufolge ist es insgesamt noch nicht zu spät, die Auswirkungen der Klimakrise auf die globale Gesundheit abzumildern. Nötig seien hierfür ein rascher Umstieg auf saubere Energieträger, eine Verbesserung der Luftqualität, ein beschleunigter Übergang zu einer ausgewogenen und verstärkt pflanzlichen Ernährung und eine stärkere Begrünung von Städten.

Der ökologische Fußabdruck des deutschen Gesundheitswesens

Zur Erreichung der Klimaziele braucht es eine ökologische Transformation in allen Sektoren der Gesellschaft. Auch das deutsche Gesundheitswesen weist aktuell einen hohen Materialverbrauch und hohe Abfallmengen auf. 5,2 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen sind dem Gesundheitssektor zuzuschreiben. Ein einziges Klinikbett verbraucht beispielsweise pro Jahr etwa so viel Energie wie vier Einfamilienhäuser.

Es ist unablässig, dass auch das Gesundheitswesen seinen Beitrag zum Erhalt unserer Lebensgrundlage leistet. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Beteiligten. Im Rahmen der komplexen Versorgungsstrukturen bestehen vielfältige Möglichkeiten, das Gesundheitssystem nachhaltig auszurichten und gegenüber den komplexen Anforderungen des Klimawandels resilient zu gestalten. Nur durch solidarisches Handeln aller Akteur:innen des Gesundheitssystems kann dieses in absehbarer Zeit klimaneutral ausgestaltet werden.

In Großbritannien gibt es beispielsweise eine nationale Zielsetzung zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Der National Health Service (NHS) hat sich als erstes Gesundheitssystem der Welt zur Dekarbonisierung bis 2040 verpflichtet. Dabei erfasst und berichtet der NHS regelmäßig über seinen Treibhausgas-Fußabdruck.

Seit Anfang 2020 wird hier ein zentral koordinierter Klimaschutzplan umgesetzt, mit Energieberatung, zentralen Vorgaben, Aufklärungskampagnen, Fortbildungen und Telemedizinkonzepten. Es finden Wettbewerbe statt und es fließen Gelder für Innovationen im Bereich Klimaschutz und Gesundheit. Viele Investitionen, besonders in erneuerbare Strom- und Wärmequellen wie Wind und Sonne oder Energiesparprogramme, amortisieren sich bereits nach wenigen Jahren und führen so zu Einsparungen im Gesundheitswesen. Zudem gibt es seit 2022 die Vorgabe, dass jede Gesundheitseinrichtung eine Führungskraft haben muss, die für die Pläne zur Klimaneutralität verantwortlich ist. Die Umsetzung der Maßnahmen zur Klimaneutralität liegt dann aber in der Verantwortung aller Beschäftigten.

In Deutschland gibt es bisher noch keine aktive Haltung im Bundesgesundheitsministerium für das Erreichen der Klimaneutralität im Gesundheitssektor. Bisher gibt es keine rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, um eine Klimaneutralität im Gesundheitswesen zu erreichen, sowie auch keine Anreize für Gesundheitseinrichtungen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Bundesärztekammer hat im Jahr 2021 umfassende Beschlüsse zum Themenfeld Klima und Gesundheit gefasst.

Die Zielsetzung einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesundheits- und Pflegeversorgung sollte auch im deutschen Gesundheitssystem verankert werden und Grundlage für ein nachhaltiges Verwaltungshandeln der Krankenkassen sein.

Beim eigenen Handeln wollen der vdek und die Ersatzkassen eine Agenda für eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie mit dem Ziel der Klimaneutralität aufstellen. Ausgehend vom eigenen ökologischen Fußabdruck des vdek/der Ersatzkassen werden bereits erste Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen eingeleitet.

Es gilt, die gesundheitlichen Konsequenzen des Klimawandels verstärkt in den Blick zu nehmen und relevante Impulse für ein klimaneutrales und nachhaltiges Gesundheitssystem zu setzen. Der vdek und die Ersatzkassen werden die Themenfelder einer nachhaltigen Gesundheits- und Pflegeversorgung zukünftig detailliert be- und aufarbeiten und auf dieser Grundlage als Gestalter einer klimaneutralen, nachhaltigen und resilienten Gesundheits- und Pflegeversorgung agieren.

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