Die Verabschiedung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) liegt erst wenige Wochen zurück und ging aus Sicht der Beitragszahler:innen enttäuschend und wenig erfreulich aus. Sie müssen künftig tiefer in die Tasche greifen.
Der durchschnittliche Zusatzbeitrag wird um 0,3 Beitragssatzpunkte ansteigen. Weitere Beitragssatzsteigerungen in anderen Sozialversicherungszweigen sind zu erwarten und bereits angekündigt. Zu diesen Mehrbelastungen kommen steigende Energiekosten, eine hohe Inflationsrate und deutlich höhere Konsum- und Bauzinsen hinzu.
Keine „Sozialversicherung auf Pump“
Das GKV-FinStG enthält umfangreiche Regelungen, die dazu dienen, die Finanzreserven der einzelnen Krankenkassen und des Gesundheitsfonds weiter abzuschmelzen. Rücklagen, die aus Beitragsmitteln aufgebaut wurden, sind eigentlich nicht dazu da, notdürftig das System zu stützen. Außerdem stellen sie einen Eingriff in die Haushaltsautonomie der Selbstverwaltung dar. Klar ist jetzt, dass durch den Abbau der Kassenreserven „die Zitrone faktisch ausgepresst“ ist. Die Rücklagen bis auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind quasi komplett verfrühstückt und leergeräumt. Das ist kein guter Beitrag für eine zukunftsfeste Finanzierung und allenfalls Flickschusterei. Daneben wurde der GKV ein zinsloses Bundesdarlehen aus Steuermittel gewährt. Das stellt an sich bereits einen gefährlichen Systembruch dar. Der Weg in die „Sozialversicherung auf Pump“ sollte nicht gegangen werden.
Dabei lagen sinnvolle und leicht umsetzbare Alternativvorschläge auf dem Tisch. Sogar die Koalition selbst hat sich in ihr Pflichtenheft geschrieben, dass sie den Pauschalbeitrag, den die Arbeitslosenversicherung für die Krankenversicherung der Hartz-IV-Empfänger:innen an die GKV überweist, kostendeckender gestalten will. Derzeit existiert dort eine systematische Unterfinanzierung in Höhe von insgesamt rund zehn Milliarden Euro.
Zudem will die Koalition eigentlich den Steuerzuschuss regelhaft dynamisieren, den der Bund pauschal in den Gesundheitsfonds gibt, um die von der GKV erbrachten, aber eigentlich versicherungsfremden Leistungen zu refinanzieren. Seit Jahren ist dieser Steuerzuschuss jedoch vom Gutdünken der Haushaltspolitik der jeweiligen Aus Sicht der Ersatzkassen sollte neben der reinen Finanzierungsdebatte insbesondere eine Restrukturierung der stationären Versorgungslandschaft in den Fokus genommen werden. Bundesregierung abhängig. Es ist dringend notwendig, dass dieser Steuerzuschuss in seiner Höhe regelbasiert dauerhaft abgesichert und fortlaufend dynamisiert wird. Beide Vorhaben hat sich die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag zwar vorgenommen, passiert ist bislang jedoch nichts. Dabei herrscht dringend Handlungsbedarf.
Das renommierte IGES Institut hat erst kürzlich im Auftrag der DAK-Gesundheit ermittelt, dass bereits 2024 in der GKV erneut eine Finanzlücke in Höhe von 25 Milliarden Euro droht. Das Gutachten prognostiziert für 2025 sogar ein Finanzierungsdelta von über 30 Milliarden Euro. Insofern ist nach der Reform vor der Reform!
Es wird erneut eine Debatte geben müssen, wie die GKV und die sozialen Sicherungssysteme insgesamt stabilisiert werden können, ohne die Beitragszahler: innen über Gebühr zur Kasse zu bitten. Die Sozialversicherung ist ein Garant für den sozialen Frieden in Deutschland. Dennoch wird sich im kommenden Jahrzehnt der Demografie-Effekt umso stärker bemerkbar machen. Das hat Auswirkungen auf alle Sozialversicherungszweige.
GKV verlässlich und solidarisch finanzieren
Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass das GKV-FinStG dem Gesundheitsministerium einen umfangreichen Arbeitsauftrag mitgegeben hat. Bis Ende Mai 2023 soll es Empfehlungen ausarbeiten, wie die GKV künftig stabil, verlässlich und solidarisch finanziert werden kann. Für die Einnahmeseite dürfte das klar sein: kostendeckender Beitrag für die ALG-II-Empfänger:innen, dynamisierter Steuerzuschuss und Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf den ermäßigten Steuersatz. Es muss aber auch bei den vorzulegenden Empfehlungen der Blick auf die Ausgabenseite der GKV gelenkt werden. In diesen gesamtgesellschaftlich notwendigen und von allen Beteiligten solidarisch zu tragenden Prozess bringen sich die Ersatzkassen und ihr Verband konstruktiv und kritisch ein. Die nächsten Monate werden von intensiven Debatten im gesundheitspolitischen Berlin geprägt sein.
Aus Sicht der Ersatzkassen sollte neben der reinen Finanzierungsdebatte insbesondere eine Restrukturierung der stationären Versorgungslandschaft in den Fokus genommen werden. Deutschland leistet sich im internationalen Vergleich eine überdimensionierte Krankenhauslandschaft. Gerade dort könnten durch eine Leistungskonzentration Effizienzpotenziale gehoben werden. Auch der Personalmangel wird sich weiter verschärfen und es notwendiger denn je machen, die Versorgung zu bündeln und das Personal nutzbringender einzusetzen. Darüber hinaus braucht es auch Vorschläge für die ambulante Versorgung in eher unterversorgten Gebieten. Die Ersatzkassen haben mit ihren Vorstellungen für die Einführung von regionalen Versorgungszentren dazu einen Vorschlag unterbreitet.
Im Sinne der Beitragszahler:innen und der Patient:innen muss eine qualitativ hochwertige, zielgenaue und vor allem finanzierbare Gesundheitsversorgung das Ziel sein.
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