mehr-patientensicherheit.de

Start des Versicherten-CIRS der Ersatzkassen

Auf dem Internetportal mehr-patientensicherheit.de können Versicherte und deren Angehörige seit Mitte Februar über ihre sicherheitsrelevanten Erfahrungen aus der Versorgung berichten. Experten analysieren die Fälle und leiten daraus Empfehlungen zur Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität ab.

Screenshot: Mehr Patientensicherheit

Jeder Mensch, der sich zur Behandlung in fremde Hände begibt, vertraut darauf, dass er in seiner individuellen Situation die bestmögliche und sichere Behandlung erhält. Eine zunehmend komplexer werdende Medizin und die starke Arbeitsverdichtung in nahezu allen Einrichtungen des Gesundheitswesens erhöhen die Chance auf sogenannte unerwünschte Ereignisse. Critical Incident Reporting-Systeme (CIRS) können dabei helfen, Behandlungsabläufe sicherer zu gestalten und schädliche Ereignisse zu vermeiden.

Aus Fallberichten lernen

Ein CIRS ist ein anonymes, freiwilliges und sanktionsfreies Berichtssystem für kritische Ereignisse im Zusammenhang mit der Patientenversorgung. Diese Systeme stammen ursprünglich aus der Luftfahrt und sind mittlerweile verpflichtend in deutschen Krankenhäusern anzuwenden. Es gibt auch vereinzelt CIRS im ambulanten oder pflegerischen Bereich. Normalerweise berichtet das Gesundheitspersonal kritische Ereignisse in den jeweiligen Gesundheitseinrichtungen.

Ziel eines CIRS ist es, kritische Ereignisse durch das Berichten in ein Datenbank-System systematisch zu erfassen, sichtbar zu machen und gemeinsam aus diesen Ereignissen zu lernen. Dies geschieht auf Basis der Annahme, dass kritische Ereignisse passieren und menschlich sind, aber das gleiche unerwünschte Ereignis nicht mehrfach passieren sollte und auch andere Einrichtungen davon lernen können. Je eher also kritische Ereignisse strukturiert erfasst zur Verfügung stehen, desto höher ist das Lernpotenzial, da aus diesen Ereignissen geeignete Präventionsmaßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden können. Dabei wertet ein Expertenteam die gemeldeten Ereignisse aus und gibt gegebenenfalls Handlungsempfehlungen, wie diese kritischen Ereignisse zukünftig vermieden werden können. Wenn zum Beispiel in einer Einrichtung eine Seitenverwechslung passiert, kann ein Ergebnis sein, eine Checkliste einzuführen, mithilfe derer vor jeder OP geprüft wird, ob der richtige Patient an der richtigen Stelle operiert werden soll. Auch Krankenhäuser, in denen schon lange keine Seitenverwechslung vorkam, können von so einer Checkliste profitieren und den Behandlungsprozess damit sicherer machen.

Die Versichertensicht ist eine sehr wertvolle Perspektive im Hinblick auf Patientensicherheit

CIRS haben sich sowohl national als auch international bewährt und werden heute als integrativer Bestandteil des Qualitäts- und Risikomanagements in Gesundheitseinrichtungen anerkannt. Krankenhäuser betreiben seit vielen Jahren die gesetzlich verpflichtenden einrichtungsinternen, aber auch die einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesysteme.

Bislang werden hierbei kaum das Wissen und die Erfahrung der Versicherten und ihrer Angehörigen genutzt. Auch Versicherte und deren Angehörige können einen wertvollen Beitrag zur Patientensicherheit leisten. Denn sie sind oft die einzigen, die den ganzen Behandlungsprozess von Anfang bis Ende erleben und sie sind daher auch gut in der Lage, diesen zu beurteilen. Ihre Erfahrungen und ihr Feedback können wesentlich zu einer Verbesserung der Patientensicherheit beitragen.

Pilotprojekt mehr-patientensicherheit.de

Bei dem (zweijährigen) Pilotprojekt zum Versicherten-CIRS der Ersatzkassen handelt es sich um eine barrierefreie Online-Anwendung, die von Versicherten und ihren Angehörigen einfach über einen Internet-Browser und die allermeisten digitalen Endgeräte genutzt werden kann. Zusammen mit der gemeinnützigen Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit (DGPS) und den beteiligten Firmen Inworks und InPASS wird das Versicherten-CIRS umgesetzt.

Versicherte und ihre Angehörigen können über ein Meldeformular selbst melden, wenn es bei ihrer Behandlung zu Problemen kam oder auch wenn etwas besonders gut gelaufen ist. Die berichteten Fälle werden anonymisiert und anschließend nach festgelegten Kriterien kategorisiert und von einem Expertenteam aus Medizin, Pflege, Pharmazie sowie aus den Bereichen Patientensicherheit und Risikomanagement analysiert. Aus den Fallberichten werden für besonders relevante Themen monatliche „Tipps für Versicherte“ entwickelt. Dabei werden alle Fälle nach Schadenswahrscheinlichkeit und Schadenspotenzial klassifiziert. Von großer Relevanz sind Fälle mit einem hohen Schadenspotenzial. Je wahrscheinlicher dieser Schaden ist, desto dringlicher muss gehandelt werden.

Rückmeldungen an das System

Die anonymisierten Fälle, ihre Bewertungen und die Tipps werden künftig auf der Internetseite mehr-patientensicherheit.de öffentlich einsehbar sein. Interessierte aus dem Gesundheitswesen, der Politik und der Patientenvertretungen können diese Fälle studieren und Handlungsmaßnahmen ableiten. Auch ist es möglich, das Berichtsformular situativ anzupassen und damit auf aktuelle Versorgungssituationen einzugehen.

Die Ergebnisse der Fallberichtsanalysen und die daraus resultierenden Tipps können einem breiten und je nach Fall unterschiedlichen Adressatenkreis zugeleitet werden, zum Beispiel

  • ambulanten und stationären Gesundheitseinrichtungen,
  • Fachgesellschaften und Berufsverbänden,
  • Herstellern von Medizinprodukten und Pharmazeutika,
  • dem G-BA (Erkenntnisse aus dem CIRS können bei der Entwicklung von Richtlinien Eingang finden) und
  • politischen Stakeholdern (zum Beispiel BMG, Bundesärztekammer).

Ziel des zweijährigen Pilotprojekts ist es, die systematische Einbeziehung der Versicherten zu erproben und am Ende aus ihren Fallberichten wertvolle Impulse und Anregungen zur Verbesserung der Versorgung zu erhalten. Damit liefert mehr-patientensicherheit.de aus Sicht der Ersatzkassen einen wertvollen Beitrag zur Einbindung der Versichertenperspektive und letztlich zur Erhöhung von Patentensicherheit – mit potenziellem Nutzen für das gesamte Gesundheitssystem.

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