Klinikreform, Notfallversorgung und Rettungsdienst

Klinikreform, Notfallversorgung und Rettungsdienst zügig angehen

Eine Modernisierung der Versorgungsstrukturen ist angesichts des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und des medizinischen Fortschritts zwingend erforderlich. Dabei müssen die Versorgung im Krankenhaus, im Notfall sowie durch den Rettungsdienst oben auf der gesundheitspolitischen Agenda stehen. Auch der Wunsch der Versicherten nach zeitnahen Arztterminen muss Priorität haben.

Rund 314 Milliarden Euro gibt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in diesem Jahr für die medizinische Versorgung aus. „Dafür können Patientinnen und Patienten zurecht eine qualitativ hochwertige Versorgung und einen zeitnahen und strukturierten Zugang zur Versorgung erwarten“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) auf der vdek-Neujahrs-Pressekonferenz am 24. Januar 2024 in Berlin. Entsprechend forderte sie Bund und Länder auf, die geplante Krankenhausreform zeitnah zu einem guten Abschluss zu bringen und mit einer Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes zu verknüpfen. „An einer Neuordnung der Krankenhauslandschaft nach Qualität führt kein Weg vorbei“, betonte sie. Dazu gehöre die Ausrichtung der Krankenhauslandschaft nach Versorgungsstufen und die Einordnung der Versorgung in sogenannte Leistungsgruppen. Zudem brauche es zuerst eine Verständigung auf zukünftige Strukturen und erst danach eine Verständigung über die Finanzausstattung. Dies schließe ein, die Verantwortlichkeiten klar abzugrenzen: nämlich, dass Investitionskosten über die Bundesländer und Betriebskosten über die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zu zahlen seien.

Die seit Monaten andauernde Debatte lasse jedoch befürchten, dass die Vorschläge der Klinikreform zunehmend verwässert werden, sagte Elsner. Als Reaktion auf Panikmache seitens einiger Krankenhausträger, die Versorgungsengpässe heraufbeschwören, würden immer neue finanzielle Zugeständnisse in Aussicht gestellt. So sollen zusätzliche Finanzmittel nach dem Gießkannenprinzip auf Krankenhäuser verteilt werden, die nach der Neustrukturierung durch die Klinikreform nicht mehr als stationäre Einrichtungen gebraucht werden. Die Vorstandsvorsitzende wies darauf hin, dass die Krankenkassen 2024 bereits erheblich mehr Mittel bereitstellen. So steigt der Landesbasisfallwert um mehr als fünf Prozent. Insgesamt fließen rund 99 Milliarden Euro 2024 in die Krankenhäuser – jeder dritte Beitragseuro. „Dafür können die Versicherten eine moderne Struktur erwarten und keine Verunsicherung.“

Die kürzlich veröffentlichten Eckpunkte des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach für eine Reform der Notfallversorgung begrüßte Elsner. Gut sei vor allem das Vorhaben, bundesweit Integrierte Notfallzentren (INZ), bestehend aus Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und einer gemeinsamen Ersteinschätzungsstelle, flächendeckend auszubauen. Heute gebe es bereits viele Hundert solcher Notdienstpraxen der KV, die an Krankenhäusern angesiedelt sind.

Jedoch fehlten zumeist die „Gemeinsamen Tresen“, an denen entschieden wird, wo die Patientinnen und Patienten am besten behandelt werden – ob in der Klinik, durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder ob ein späterer Termin in einer Arztpraxis ausreichend ist. „Wir brauchen einen bundesweiten Roll-out dieses Konzepts, auch um die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten“, so Elsner. Ebenso wichtig seien klare Öffnungszeiten und eine stärkere digitale Vernetzung der Partner der INZ.

Den Eckpunkten zufolge soll auch eine digitale Vernetzung der Leitstellen des Rettungsdienstes 112 und der KV 116 117 erfolgen. Das sei sehr wichtig, betonte Elsner, denn die Leitstellen des Rettungsdienstes mit der Rufnummer 112 seien nach wie vor die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten. Hier werde unter anderem auch über den Einsatz des Rettungsmittels entschieden. Die Ausgaben der GKV für Rettungswagen seien im Zeitraum von 2012 bis 2022 um 160 Prozent auf gut vier Milliarden Euro gestiegen (Abb. 1).

Infografik: GKV-Ausgaben für Rettungsdienst & Krankentransport

Abb. 1: GKV-Ausgaben für Rettungsdienst & Krankentransport

Einer der Gründe dürfte sein, dass bei rund einem Drittel der Einsätze ein solches Rettungsmittel nicht erforderlich war. „Eine digitale Vernetzung der Leitstellen des Rettungsdienstes und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sollte daher verpflichtend der Standard in allen Ländern sein. Damit werden moderne Strukturen geschaffen“, sagte Elsner. Bislang gebe es solche Strukturen nur in Bayern.

Zusätzlich schlägt der vdek den Ausbau der Leitstellen zu Gesundheitsleitstellen vor, von wo aus neben einem Rettungsdienst- oder Notarzteinsatz auch andere Versorgungsangebote wie die pflegerische Notfallversorgung oder der psychosoziale Notdienst angesteuert werden können. „Nicht jeder Anrufende benötigt einen Rettungswagen oder einen Notarzt. Häufig bieten Fachleute anderer Disziplinen die zielgenauere Versorgung“, erklärte Elsner. Daher sollten neben dem Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst weitere Versorgungsbereiche in die Disposition der Leitstellen integriert werden, entsprechende Vorschläge zur Weiterentwicklung hat der vdek eingebracht (Abb. 2).

Infografik: Gesundheitsleitstelle

Abb. 2: Schema einer Gesundheitsleitstelle

Darüber hinaus gelte es, so Elsner weiter, die Strukturen bei den Rettungsleitstellen effizienter zu gestalten. Nicht jeder Landkreis brauche eine eigene Leitstelle. Für mehr Qualität und Effizienz sollten Leitstellen zusammengelegt werden und für größere Einheiten zuständig sein. Die Regierungskommission empfiehlt eine Richtzahl von einer Million Einwohner je Leitstelle, das wären 84 Leitstellen bundesweit. Tatsächlich liegt der Wert nach einer Auswertung des vdek aktuell bei 229 Leitstellen bundesweit (Abb. 3).

Rettungsdienst – Anzahl Leitstellen

Abb. 3: Anzahl von Leitstellen für Rettungsdienste je Bundesland

Handlungsbedarf sehen die Ersatzkassen auch bei den Arztterminen für GKV-Versicherte. „Versicherte berichten immer wieder, dass sie keine zeitgerechten Termine erhalten. Mit mehr Geld können wir das Problem nicht lösen“, so Elsner. Die Ersatzkassen haben deshalb einen Maßnahmenkatalog entwickelt, um die Terminvergabe zu. Ziel sei es, Angebote auszubauen und Versicherte in die Lage zu versetzen, sich im Versorgungssystem besser zurecht zu finden. Die Forderungen reichen vom Ausbau der Sprechstundenzeiten über mehr Videosprechstunden und verpflichtende Servicestandards wie die Online-Terminvergabe bis hin zur besseren Erreichbarkeit und Terminvergabe durch die Terminservicestellen der KV. Zudem unterstütze der vdek jede Maßnahme, die Arztpraxen von unnötiger Bürokratie entlaste und ihren Versicherten überflüssige Wege erspare, betonte Elsner. „Gerade die Digitalisierung kann hier eine große Unterstützung sein.“

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