Ambulantes Operieren am Krankenhaus

Vom Schattendasein zur Erfolgsgeschichte?

Das ambulante Operieren am Krankenhaus (AOP) hat das Potenzial, die großen Herausforderungen im Krankenhausbereich anzugehen. Doch neue Entwicklungen gefährden die AOP-Reform.

Illustration: Ambulantes Operieren am Beispiel einer Augen-OP

Der Krankenhausbereich als größter Ausgabensektor der Krankenkassen steht angesichts eines sich verschärfenden Fachkräftemangels und der seit der Corona-Pandemie gesunkenen stationären Fallzahlen vor großen Herausforderungen. Auch vor diesem Hintergrund wird derzeit an einer Krankenhausreform gearbeitet. Allerdings bestehen bereits seit 1993 mit dem ambulanten Operieren am Krankenhaus nach § 115b SGB V (AOP) die gesetzlichen Grundlagen, diese Herausforderungen anzugehen. Über eine zunehmende Ambulantisierung von bislang stationär erbrachten Leistungen können Krankenkassen, Beitragszahlende und Krankenhauspersonal – insbesondere im Bereich der Pflege – entlastet und Patient:innen vor unnötigen stationären Aufenthalten bewahrt werden.

Auftakt zur AOP-Reform

Über Jahrzehnte war es den Krankenhäusern möglich, die stationären Fallzahlen in die Höhe zu schrauben. AOP fristete ein Schattendasein. Die Zahl der ambulanten Operationen am Krankenhaus stagnierte zwischen 2004 und 2020 zwischen einer und zwei Millionen Fälle, wie aus dem AOP-Gutachten vom März 2022 hervorgeht, das von GKV-Spitzenverband, Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam in Auftrag gegeben wurde und die Grundlage für den aktuellen Prozess einer AOP-Reform bildet. Vorausgegangen war die Feststellung des Gesetzgebers, dass Deutschland zu den Ländern gehört, in denen im internationalen Vergleich Operationen überdurchschnittlich häufig stationär durchgeführt werden. Als einer der Gründe wurde in der Gesetzesbegründung zum MDK-Reformgesetz die seit 2005 nur marginale Überarbeitung des AOP-Katalogs genannt.

Erfolge

Der AOP-Katalog umfasst Operationen und Eingriffe, welche Krankenhäuser ambulant durchführen können. Für die Leistungserbringung gelten im Wesentlichen die gleichen Rahmenbedingungen wie für den vertragsärztlichen Bereich. Im Zuge der AOP-Reform wurde der AOP-Katalog in zwei Stufen von 2.881 Leistungen (OPS-Kodes) auf insgesamt 3.312 Leistungen erweitert. Zusätzlich wurden im Rahmen einer Schweregrad-Differenzierung Anreize für eine ambulante Erbringung von Leistungen geschaffen. Schließlich besteht seit dem 1. Januar 2023 die Möglichkeit einer längeren Nachbeobachtung von bis zu 16 Stunden mit dem Ziel, dass weitere Patientengruppen von der ambulanten Erbringung von Operationen profitieren können. Es ist davon auszugehen, dass künftig in über 500.000 weiteren Fällen auf eine stationäre Aufnahme zugunsten einer ambulanten Operation verzichtet werden kann.

Das MDK-Reformgesetz hat ein durchdachtes Vorgehen zur AOP-Reform angestoßen. Das AOP-Gutachten hat wichtige Akzente zur Förderung der Ambulantisierung gesetzt, die zu einem großen Teil im Zuge der AOP-Reform aufgenommen wurden. Und die gemeinsame Selbstverwaltung hat in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, dass sie dazu in der Lage und gewillt ist, den Ambulantisierungsprozess erfolgreich zu begleiten. Dieser strukturierte Prozess sollte in den kommenden Jahren verstetigt werden.

Ambulantisierung am Scheideweg

Doch diese potenzielle Erfolgsgeschichte ist gefährdet. Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wurde 2022 eine spezielle sektorengleiche Vergütung nach § 115f SGB V geschaffen, um bestehende Ambulantisierungspotenziale bei bislang unnötig stationär erbrachten Leistungen zu heben. Leistungen sollen unabhängig davon, ob sie stationär oder ambulant erbracht werden, per Hybrid-DRG in gleicher Höhe finanziert werden. Grundsätzlich sollen nur Leistungen per Hybrid-DRG vergütet werden, die im AOP-Katalog enthalten sind. Damit steht der § 115f SGB V in direkter Konkurrenz zur AOP-Reform, in der finanzielle Anreize über eine Schweregraddifferenzierung gesetzt werden sollen. Die größten Profiteure sind vertragsärztliche Leistungserbringer, die die Chance wittern, für Leistungen, die sie sowieso bereits ambulant erbringen, schwindelerregend hohe Vergütungen zu vereinbaren. Die AOP-Reform droht dabei aus den Augen zu geraten. In diesem Jahr wird sich voraussichtlich zeigen, ob sich der geordnete Ambulantisierungsprozess über AOP oder der planlose Weg über die Hybrid-DRG durchsetzen wird.

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