Stand: 11.09.2020 – FAQ Umsatzsteuersenkung Hilfsmittelbereich
Die Fragen und Antworten zum Download
Mit Beschluss des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes vom 03.06.2020 hat die große Koalition entschieden, die Mehrwertsteuer für sechs Monate (von 1. Juli bis 31. Dezember 2020) von 19 Prozent auf 16 Prozent und den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent auf 5 Prozent zu senken. Damit die Abrechnung der Leistungen im Hilfsmittelbereich, auch aufgrund der verschiedenen Versorgungssituationen, transparent ist, veröffentlicht der vdek zusammen mit den anderen GKV-Verbänden einen Fragen-Antworten-Katalog.
Der nachstehende Fragen-Antworten-Katalog gilt für alle Verträge, in denen Nettopreise zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) vereinbart sind. Daneben findet er Anwendung bei Bruttopreisvereinbarungen, in denen vertraglich eine Anpassung an den jeweils geltenden Umsatzsteuersatz vereinbart ist.
Maßgeblich für die Entstehung der Umsatzsteuer ist, wann die Leistung ausgeführt wird, also der Zeitpunkt der Leistungserbringung (Tag der Abgabe des Hilfsmittels, ggf. nach erfolgter Anpassung zum Beispiel bei Bandagen, Hörgeräten, orthopädischen Schuhen). Eine Leistung gilt dann als ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger (die Krankenkasse bzw. der Versicherte) die Verfügungsmacht über das Produkt erhält. Dies gilt auch für Instandhaltungen (Wartungen) und Instandsetzungen (Reparaturen).
Für alle vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 ausgeführten Versorgungen ist der dann gültige Steuersatz von 16 % bzw. 5 % anzuwenden. Für alle vor dem 1. Juli 2020 oder nach dem 31. Dezember 2020 erfolgten Versorgungen gilt (wieder) der Steuersatz von 19 % bzw. 7 %; maßgeblich ist der Tag der Leistungserbringung / der Tag der Abgabe des Hilfsmittels. Die Anwendung des Steuersatzes hängt nicht davon ab, ob die Rechnungsstellung bzw. die Abrechnung noch vor dem 1. Juli 2020 oder erst nach dem 31. Dezember 2020 erfolgt. Das Verordnungsdatum ist ebenfalls irrelevant.
Beispiele:
Bei Dauerleistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muss abgegrenzt werden, ob diese ggf. als Teilleistungen ausgeführt werden. Soweit Teilleistungen vorliegen, ist der Tag der jeweiligen Lieferung der Teilleistung für den anzusetzenden Steuersatz maßgeblich. Dies ist z. B. bei den Jahresverordnungen für Inkontinenzhilfen relevant. Hier sehen die Verträge nicht die einmalige Abrechnung für den insgesamt vereinbarten Leistungszeitraum, sondern regelhaft eine Lieferung und Abrechnung für kürzere Zeitabschnitte (z. B. Monat oder Vierteljahr) vor. Die Hilfsmittel gehen auch in diesem Fall in das Eigentum des Versicherten oder der Krankenkasse über und gelten als sog. selbständige Teilleistungen am Tag der jeweiligen Lieferung als ausgeführt. Teilleistungen, die vor dem 1. Juli 2020 ausgeliefert werden, unterliegendem Steuersatz von 19 % bzw. 7 %; Teilleistungen, die nach dem 1. Juli 2020 ausgeliefert werden, dem Steuersatz von 16 % bzw. 5 %.
Beispiele:
Bei dieser Art der Dauerleistung verbleibt das Hilfsmittel im Eigentum des Leistungserbringers und wird der Krankenkasse bzw. dem Versicherten für einen längeren, vertraglich vereinbarten, Zeitraum zur Nutzung überlassen. In den Versorgungspauschalen-Verträgen sind neben der Nutzungsüberlassung des Hilfsmittels oft auch weitere Folgeleistungen wie Wartungen, Reparaturen oder Nachbetreuungen geregelt. Der Leistungserbringer erhält hierfür in der Regel zu Beginn des vereinbarten Versorgungszeitraums eine Versorgungs- bzw. Fallpauschale.
Bei Dauerleistungen, die wirtschaftlich nicht teilbar sind, ist für die Anwendung des zutreffenden Steuersatzes das Ende des Leistungszeitraumsmaßgeblich, da erst dann die Leistung vollständig ausgeführt ist. Der Zeitpunkt des Ablaufs des vertraglichen vereinbarten Versorgungszeitraumswird aber nur relevant, wenn die Leistungsverpflichtung auch bis zu diesem Zeitpunkt bestand. Endet die vertragliche Leistungspflicht aufgrund von Ereignissen im Einzelfall vorzeitig (z. B. Wechsel der Krankenversicherung, Tod des Versicherten) ist der zu diesem Zeitpunkt geltende Steuersatz maßgeblich.
Im Rahmen der sogenannten Ist-Besteuerung wird die Umsatzsteuer aber schon im Rahmen der Abrechnung der Versorgungspauschale in Rechnung gestellt. Grundsätzlich ist der Leistungserbringer verpflichtet, den sachgerechten Umsatzsteuersatz zu verwenden. Bei einer Abrechnung zum Versorgungsbeginn steht der im jeweiligen Versorgungsfall letztlich richtige Steuersatz noch nicht endgültig fest. Aus diesem Grund kann eine Rechnungslegung sowohl mit dem temporär abgesenkten Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % als auch mit den ab 1. Januar 2021 wieder geltenden 19 % bzw. 7 % akzeptiert werden. Für ggf. notwendige Rück- oder Nachberechnungen werden möglichst verwaltungsarme Lösungen gesucht.
Auch bei dieser Art der Dauerleistung verbleibt das Hilfsmittel im Eigentum des Leistungserbringers und wird der Krankenkasse bzw. dem Versicherten für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum zur Nutzung überlassen. Die Ausführungen zu „Versorgungs- bzw. Fallpauschale“ gelten daher entsprechend.
Bei der Erstellung von Kostenvoranschlägen wird beim Ausweis von Nettobetrag und Umsatzsteuer der Umsatzsteuersatz angegeben, der zum Zeitpunkt der Erstellung des jeweiligen Kostenvoranschlages gültig ist.
Hinsichtlich tatsächlicher Anwendung respektive Abführung der Umsatzsteuer kommt es aber nicht auf den Zeitpunkt der Erstellung des Kostenvoranschlages oder auf den Zeitpunkt der Genehmigung durch die Krankenkasse, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der Leistung / auf den Tag der Abgabe an. Die Abrechnung ist ungeachtet des im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angesetzten Steuersatzes auf den zum Zeitpunkt der Ausführung bzw. dem Ende des oben genannten Versorgungszeitraumes der Leistung geltenden Steuersatz umzustellen. Eine erneute Genehmigung ist hierfür nicht erforderlich.
Beispiel:
Der Kostenvoranschlag wird am 20. Juni 2020 erstellt und am 24. Juni 2020 genehmigt. Das Hilfsmittel wird dann erstellt und angepasst und am 16. Juli 2020 ausgeliefert; an diesem Tag wird die Leistung also ausgeführt.
Auf dem Kostenvoranschlag ist der zum Zeitpunkt der Erstellung gültige Umsatzsteuersatz in Höhe 19 %, angegeben. Da die Leistung am 16. Juli 2020 ausgeführt bzw. am 16. Juli 2020 das Hilfsmittel abgegeben wird, ist bei der Abrechnung dieser Leistung der zum Zeitpunkt der Abgabe des Hilfsmittels geltende Umsatzsteuersatz in Höhe von 16 % anzuwenden und der Bruttobetrag entsprechend zu reduzieren.
Die von Versicherten zu übernehmende gesetzliche Zuzahlung ist vom Abgabepreis des jeweiligen Hilfsmittels abhängig. Vermindert sich der Abgabepreis, kann dies eine Reduzierung des Zuzahlungsbetrages für Versicherte zur Folge haben. Die im Sozialgesetzbuch enthaltenen Mindest- bzw. Höchstbeträge gesetzlicher Zuzahlung gelten dabei unverändert fort.
Beispiele:
Die auf den Gebrauchsgegenstandsanteil von Hilfsmitteln entfallenden Eigenanteile für Versicherte (z. B. für orthopädische Schuhe, Buggys, Zwei- und Dreiräder) werden von der temporären Reduzierung der Mehrwertsteuer nicht erfasst; sie gelten daher unverändert weiter.
Rechnungen, die der Leistungserbringer mit einer falschen Umsatzsteuer bei der Krankenkasse einreicht, müssen abgewiesen werden. Derartige Rechnungen können die Krankenkassen nicht korrigieren. Eine Rechnungskorrektur kann nur der Leistungserbringer selbst vornehmen.
Auch eine irrtümlich zu hoch angesetzte Umsatzsteuer wäre vom Leistungserbringer an das Finanzamt abzuführen. Sofern daher z. B. in der Abrechnungssoftware des Leistungserbringers die temporär abgesenkten Umsatzsteuersätze noch nicht hinterlegt sind, sollte die Rechnungslegung für ab dem 1. Juli 2020 ausgeführte Leistungen bis zu einer entsprechenden Aktualisierung zurückgestellt werden.
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